Thema/WM2014

Vor Fußball-WM: Militär besetzt Favelas in Rio

Hubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge und über 1100 Einsatzkräfte rückten am Sonntag in einem der größten Elendsviertel von Rio de Janeiro ein. Zweieinhalb Monate vor Beginn der Fußball-WM hat die brasilianische Armee zusammen mit der Militärpolizei die berüchtigte Mare-Favela besetzt - ein weiterer Versuch, um die Gewalt in der Metropole einzudämmen. Kritiker befürchten aber, dass die Maßnahmen den Krieg mit Drogenbanden, die die Slums fest in ihrem Griff haben, erst befeuern könnten.

Seit 2008 wurden in 174 Favelas 38 Einheiten der sogenannten Befriedungspolizei (UPP) stationiert - der Erfolg ist jedoch überschaubar.

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In Mare sollen Rauschgift- und Waffenhändler Unterschlupf gefunden haben, die aus anderen Favelas verjagt worden sind. Schon am Mittwoch waren Sicherheitskräfte in das Elendsviertel eingedrungen, um die Besetzung vorzubereiten. Die Mare-Favelas mit ihren rund 130.000 Einwohnern gehören zu den gefährlichsten Orten Rios.

Der Komplex befindet sich im Norden von Rio de Janeiro, an einem strategischen Kreuzungspunkt auf dem Weg zum internationalen Flughafen "Tom Jobim". Von dort werden auch die Touristen anreisen, die für die Spiele der nächsten Fußball-WM in Rio erwartet werden. Daher vermuten kritische Stimmen, dass der Einsatz des Militärs direkt im Zusammenhang mit der WM steht.

Dagegen betont der Sekretär der Nationalen Sicherheit von Rio de Janeiro, Jose Mariano Beltrame, dass die geplante Aktion dem Schutz der brasilianischen Bevölkerung und der lokalen Polizei in ihrem Kampf gegen die Drogenkriminalität diene. "Sie (die Banden) versuchen auf feige Weise, unser Programm zu Fall zu bringen. Wir werden ihnen zeigen, dass der Staat stärker ist." Die Planung zur Besetzung der Favela wurde zwischen dem Büro für Sicherheit von Rio, der Zivil- und der Militärpolizei, sowie dem militärischen Oberkommando gemeinsam erarbeitet.

Geplant sei eine erste Phase der Befriedung der Favela durch das Militär. Anschließend folgt eine zweite durch die sogenannte "Befriedungs-Polizei" mit rund 1500 Mann. Der Plan der Befriedung von Slums wurde bereits in einigen Favelas von Rio durchgeführt. Meist mit mäßigem Erfolg. Viele Favelas werden von kriminellen Drogenbanden beherrscht.

Straßenkinder weggesperrt

Den Behörden wird auch vorgeworfen, mit ihren Aktionen die Probleme nur kaschieren, aber nicht lösen zu wollen. So gebe es in Rio de Janeiro mittlerweile tatsächlich weniger Straßenkinder als früher. Die meisten seien aber nur "weggesperrt" worden, bemängelten in den Armenviertel tätige NGOs. Manche sprachen sogar von systematischen Ermordungen.

Seit Jahresbeginn gerieten Mitglieder der UPP aber zunehmend ins Visier von Kriminellen. Insgesamt acht Polizisten wurden in denen vergangenen drei Monaten von mutmaßlichen Mitgliedern des organisierten Verbrechens getötet - vier in sogenannten befriedeten Distrikten.

Brasilien rechnet während der Fußballweltmeisterschaft vom 12. Juni bis 13. Juli mit 600.000 ausländischen Touristen. In Rio, einem von zwölf Austragungsorten, findet unter anderem das Endspiel statt. 2016 werden in Rio außerdem die Olympischen Sommerspiele ausgetragen, die ersten in Südamerika.