Thema/WM2014

Belgien kann Argentinien nicht stoppen

Im Achtelfinale, da waren noch die Schlussspurts und die Last-Minute-Entscheidungen in Mode (fünf Verlängerungen), im Viertelfinale gehen die WM-Uhren nun offenbar anders und der Blitzstart ist plötzlich en vogue geworden: Nachdem bereits die Deutschen (1:0 in der 13. Minute) und Brasilianer (1:0 in der 7. Minute) sehr früh die Weichen zum Aufstieg gestellt hatten, standen am Samstag die Argentinier den ersten beiden Semifinalisten um nichts nach.

Das frühe 1:0 durch Higuaín, der schon nach sieben Minuten traf, brachte der zweifache Weltmeister gegen biedere Belgier relativ sicher über die Zeit, Lohn ist das erste WM-Semifinale seit 1990. Damit lebt der Traum der WM-Veranstalter von einem Endspiel der beiden Erzrivalen Argentinien und Brasilien, die erstmals seit 1978 im WM-Endklassement wieder gemeinsam unter den Top vier aufscheinen.

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Zufallstreffer

Was die – zumindest im Fußball – verhassten Nachbarn noch eint: Beide Nationalmannschaften wussten bislang bei diesem Turnier noch nicht richtig zu überzeugen. Die Argentinier gewannen nun auch ihr fünftes Spiel in Brasilien mit nur einem Tor Unterschied. Minimalismus nennen das die einen, abgeklärt und clever die anderen.

Es war gegen Belgien ausnahmsweise einmal nicht Lionel Messi, der bei der entscheidenden Aktion die Füße im Spiel hatte. Es war, mehr oder weniger, sogar ein Zufallstreffer, der dem zweifachen Weltmeister zur frühen Vorentscheidung verhalf. Ein Pass von Di María wäre eigentlich für Zabaleta bestimmt gewesen, über Vertonghen landete der Ball direkt vor den Füßen von Higuaín, der dem perplexen belgischen Torhüter Courtois keine Chance ließ und für das erste argentinische Stürmertor bei dieser WM sorgte.

Kontrolle

Nach der frühen Führung beschränkten sich die Argentinier darauf, das Spiel zu kontrollieren und den Belgiern nur ja keinen Platz für ihre gefährlichen Konterangriffe zu lassen. Und weil der Außenseiter keine Lücke im argentinischen Abwehrriegel fand und oft hilflos und kopflos anrannte, entwickelte sich ein Spiel, in dem die Höhepunkte rar waren: Ein Kopfball von Mirallas, der das Tor verfehlte, war noch die gefährlichste Aktion der Belgier in der ersten Spielhälfte.

Auch nach der Pause hatten die Argentinier den besseren Start und die besseren Möglichkeiten: Higuaín, der diesmal dem mannschaftsdienlichen Messi die Show stahl, traf nach einem Solo über das halbe Spielfeld nur die Querlatte (55.), einen Schuss von ihm hätte Van Buyten beinahe ins Tor abgefälscht.

Und die Belgier? Die erwachten erst aus ihrer Lethargie, als es schon zu spät war, und sie wurden für ihre passive Spielweise auch mit dem Ausscheiden bestraft. Immerhin: Das 0:1 gegen die Argentinier war für die aufstrebenden Belgier die erste Pflichtspielniederlage seit Oktober 2011.

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Brasilia, Nationalstadion, 69.000, SR Rizzoli (ITA)

Tor:
1:0 (8.) Higuain

Argentinien: Romero - Zabaleta, Demichelis, Garay, Basanta - Lavezzi (71. Palacio), Biglia, Mascherano, Di Maria (33. Perez) - Messi, Higuain (81. Gago)

Belgien: Courtois - Alderweireld, Van Buyten, Kompany, Vertonghen - Witsel, Fellaini - Mirallas (60. Mertens), De Bruyne, Hazard (75. Chadli) - Origi (59. Lukaku)

Gelbe Karten: Biglia bzw. Hazard, Alderweireld

Lange ist es her: Bei der WM 1990 erreichten die Argentinier zuletzt ein Semifinale. Vor 24 Jahren wurde Gastgeber Italien im Elferschießen besiegt, das Finale dann aber 0:1 gegen Deutschland verloren. Danach wurde fünf Mal das Semifinale verpasst. Ein Rückblick ...

WM 1994 Nach einer Gruppenphase mit Höhen (4:0 gegen Griechenland) und Tiefen (0:2 gegen Bulgarien) wurde Diego Maradona des Dopings überführt. Ohne den Teamleader setzte es im Achtelfinale eine 2:3-Niederlage gegen Rumänien.

WM 1998 Nach einer Vorrunde mit drei Siegen ohne Gegentor wurde im Achtelfinale England im Krimi besiegt. Im Viertelfinale waren die Niederlande zu stark (1:2): Dennis Bergkamp entschied mit einem der schönsten Tore der WM-Geschichte in der 90. Minute das Spiel.

WM 2002 Das Turnier in Japan und Südkorea wurde zum Fiasko: Erstmals seit 1962 war in der Gruppenphase Endstation – nach einem 1:0 gegen Nigeria, einem 0:1 gegen England und einem 1:1 gegen Schweden.

WM 2006 In Deutschland gewannen die Argentinier zunächst die schwere Gruppe mit den Niederlanden, der Elfenbeinküste und Serbien & Montenegro. Nach einem 2:1 gegen Mexiko im Achtelfinale kam gegen den Gastgeber in einem Elferkrimi das Aus.

WM 2010 Auch in Südafrika überstanden die Argentinier die Gruppenphase (gegen Griechenland, Südkorea, Nigeria) und das Achtelfinale gegen Mexiko (3:1) problemlos. Im Viertelfinale wartete wieder Deutschland. Dieses Mal setzte es aber eine 0:4-Pleite, und Teamchef Maradona verlor seinen Job.

Alejandro Sabella (Argentinien-Teamchef): "Wir haben es alle geschafft, wir haben den Rubikon überschritten. Das ist eine große Freude für die Mannschaft, die Trainer, die Fans."

Martin Demichelis (Argentinien-Verteidiger): "Nach 24 Jahren steht Argentinien endlich wieder im Halbfinale. Das ist ein ganz besonderer Moment für uns alle. Heute hat die gesamte Mannschaft ein unglaubliches Spiel gemacht. Wir haben gewonnen, weil wir es wollten."

Gonzalo Higuain (Argentinien-Stürmer, 1 Tor): "Das ist bewegend. Heute feiern wir. Diese Mannschaft hat sich das verdient. Ich wusste, dass ich bei dieser WM treffe. Zum Glück ist es mir zu einem sehr wichtigen Zeitpunkt gelungen. Jetzt sind wir noch zwei Siege vom großen Traum entfernt."

Lucas Biglia (Argentinien-Verteidiger): "Wir freuen uns darüber, die Mannschaft dahin gebracht zu haben, wo sie hingehört."

Marc Wilmots (Belgien-Teamchef): "Wir mussten praktisch das gesamte Spiel einem Rückstand nachlaufen. Wir waren gezwungen, das Spiel zu machen. Wir hatten unsere drei, vier Chancen, aber das war kein großes Spiel. Am Ende haben die Argentinier verdient gewonnen. Klar sind wir enttäuscht, aber wir müssen das Positive aus diesem Turnier mitnehmen."

Daniel van Buyten (Belgien-Verteidiger): "Uns hat die Erfahrung gefehlt, das ist in so einem großen Turnier eine entscheidende Komponente. Das Ausscheiden ist bitter, denn eigentlich war das heute das leichteste Match im gesamten Turnier. In der Pause waren alle Spieler noch richtig frisch. Ich hoffe, dass alle Spieler alles gegeben haben, sonst wäre es noch bitterer. Argentinien ist alles andere als unschlagbar. Wenn sie gegen eine Mannschaft wie Deutschland spielen, dann setze ich alles was ich habe auf Deutschland."