Rote Stilfragen: Die Mode der Sozialdemokraten
Politiker zu sein ist schwer. Wenn es um Mode geht, haben es SozialdemokratInnen manchmal noch ein bisschen schwerer.
Spielt Rot in der Politik eine Rolle, dann sehen viele Menschen schnell einmal rot, wenn es um Anzug, Uhr oder Life Ball-Outfit geht. Oder um rote Krawatten, Leibchen und Schals. Da kann auch der Duft von roten Nelken nicht darüber hinweghelfen.
Shitstorm würde man heute sagen, was 1979 über den jüngsten SPÖ-Finanzminister Österreichs hereinbrach. Ein Medium nach dem anderen warf Hannes Androsch damals vor, 108 Anzüge vom feinsten Herrenschneider Wiens, von Knize, sein eigen zu nennen. Dabei ging es natürlich weder um Qualität oder Aussehen der Anzüge, sondern einzig um die Kosten: Zu teuer für einen SPÖ-Politiker!
Frage des Respekts
Klar kann sich der Besitzer von Knize, Rudolf Niedersüß, der gerade das 160-jährige Bestehen seines Hauses gefeiert hat, bestens daran erinnern. Er zitiert auf die Frage, wie sich ein Politiker zu kleiden hätte, zunächst Adolf Loos: „Gut angezogen ist, wer am wenigsten auffällt.“ Aufgekommen sei die Sache damals, weil ein Gesellschaftsreporter bei seiner Recherche, wie ein Knize-Anzug zustande käme, in der Werkstatt auf den Namen Androsch gestoßen sei. „Sein Bericht hat dann Neid hervorgerufen.“
Und was sagt Hannes Androsch heute dazu? „Ich hatte von meiner sehr sparsamen Großmutter gelernt, dass es eine Frage zwischenmenschlichen Respekts sei, dass man ordentlich angezogen ist. Vom Preis eines Kleidungsstückes auf die Gesinnung eines Menschen zu schließen, geht mit Volldampf in die falsche Richtung. Redlichkeit und Anstand haben andere Kategorien. Nur weil man eine Swatch statt einer wertvollen Uhr trägt, ist das noch kein Kennzeichen, dass man sich für Menschen und ihre Anliegen einsetzt.“
Bundeskanzler Bruno Kreisky kam auch zu Knize. Wechselte aber zum Herrenschneider Hantak am Opernring. Kuriosität am Rande: Im Jahr 2011 erwarb der Schauspieler Howard Nightingall, der Secondhand-Shops liebt, bei der Volkshilfe einen Anzug um 9,90 Euro. Das Etikett verriet ihm später, wem der Dreiteiler einst gehört hatte: Bundeskanzler Dr. Kreisky.
Zu Knize kam dafür auf Grund eines Artikels im Februar 2017 im Standard ein anderer SPÖ-Kanzler. Der ob seiner Garderobe auch nicht gerade gelobt wurde. Rudolf Niedersüß: „Da kommt am Samstag um 10 Uhr früh der Herr Kern zu uns und sagt, ,Herr Niedersüß, ich brauch einen eleganten Anzug. Aber Sie wissen, ich hab’s gern eng.‘ Da hab ich gesagt: ,Eng, vielleicht ja, aber nicht so eng, wie Ihr Anzug, als Sie bei der Frau Merkel waren.‘“
Eng ist out
Niedersüß weiter: „Da hat er gefragt: ,War ich da so schlecht angezogen?‘ Ich: ,Kaufen Sie sich eine Zeitung vom Tag danach und schauen Sie sich das Titelfoto an. Die Hose zu eng und so hinaufgerutscht, furchtbar. Also das passt nicht zu einem Politiker, dieses ganze Extreme. Das passt vielleicht irgendwelchen Jugendlichen, die gerne Markenzeichen außen tragen. Möglichst an beiden Ärmeln.‘ Eng ist übrigens modisch gesehen längst out!“
Manchmal kann es aber nicht einmal eine zu enge Radlerhose verhindern, dass ihr Träger zwar belächelt, ein Jahr später jedoch zum Kanzler gewählt wird. Wenn auch nur für zwei Jahre. So geschehen bei Alfred Gusenbauer, der 2006 mit knackigem Outfit wandern ging. Einer seiner Vorgänger, Franz Vranitzky, trug gerne gestreifte Anzüge und wurde dafür als „Nadelstreif-Sozialist“ verspottet.
Roter Lippenstift
Hat man es bei der SPÖ besser, wenn man eine Frau ist? Am Life Ball trug die damalige Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner ein schickes, loses Hosen-Ensemble von einem führenden heimischen Designer, von Petar Petrov. Völlig zu Unrecht wurde darüber gemeckert. Und – köstlich – ebenfalls roter Lippenstift wurde in Frage gestellt!
Ganz kommen auch schwarze Politiker nicht ohne Hohn und Spott davon. Wie etwa Josef Taus, dem man als ÖVP-Chef vorwarf, schlecht sitzende Anzüge von der Stange zu tragen. SPÖ-Bürgermeister und Stangenanzug-Träger Michael Häupl bekam das nie zu hören...