Ein Gesetz regelt das Mindestgewicht
Wieder gehen die Wogen hoch: Magermodels soll endgültig ein Riegel vorgeschoben werden. Die Gesundheit der Laufsteg-Schönheiten steht im Fokus. Immer wieder bezahlen sie für den Erfolg mit ihrem Leben. Beispiele gibt es viele: Die Brasilianerin Ana Carolina Reston etwa oder auch die Französin Isabelle Caro. Beide erkrankten im frühen Alter von 13 Jahren an Anorexie. Ana starb mit 21 Jahren, wog bei einer Größe von 1,74 Meter nur noch 40 Kilo. Isabelle starb mit 28, ihr gepeinigter Körper wog 30 Kilo bei 1,64 Meter.
Gesetzliche Restriktion
Models vermitteln ein verzerrtes Schönheitsideal mit fatalen Folgen. Immer mehr junge Menschen eifern ihren Idolen nach, erkranken an Bulimie, hungern sich zu Tode oder legen sich unters Messer. Schätzungen zufolge leiden allein in Österreich 200.000 Menschen an Essstörungen. Genaue Zahlen gibt es nicht, nur wenige erkennen die Krankheit und nehmen ärztliche Hilfe in Anspruch.
Ähnlich in Israel, dort ist am 1. Jänner ein weltweit einzigartiges Gesetz in Kraft getreten. Es verpflichtet Models ihrem Arbeitgeber alle drei Monate ein ärztliches Attest vorzulegen. Überprüft wird ihr Body-Mass-Index (Verhältnis von Körpergröße zu Gewicht), der über 18,5 liegen muss – darunter darf das Mädchen nicht arbeiten. Wenn doch, drohen dem Arbeitgeber hohe Geldstrafen.
Pro & Contra
SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek kann dem Gesetz etwas abgewinnen: „Den BMI als Maßstab heranzuziehen, ist ein guter Vorschlag. Ich werde mich dafür einsetzen, diesem Vorbild in Österreich zu folgen.“
Und wie sehen das die heimische Topmodels? Letzte Woche lief die Casting-Show „Austria’s next Topmodel“ (ANTM) wieder an (nächste Folge Donnerstag, 10. Jänner um 20.15 Uhr auf Puls4). Topmodel und Moderatorin Melanie Scheriau hält nichts von Magermodels und plädiert für mehr Aufklärungsarbeit: „Die Branche ist hart, aber dass Mädchen ihre Gesundheit aufs Spiel setzen oder sich zu Tode hungern, nur, um auf der Fashionweek zu laufen, unterstütze ich absolut nicht. Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Jugend in punkto Ernährung und Sport besser aufzuklären – zu Hause, in den Medien und in den Schulen.“
Die einstige Karl-Lagerfeld-Muse und das neue Jury-Mitglied von ANTM Carmen Kreuzer sieht eine solche gesetzliche Regelung kritisch: „Magersucht ist ein Gesellschaftsproblem, das nicht nur auf die Modebranche eingegrenzt werden darf. Für alle, die von Natur aus schlank sind oder für junge Mädchen, die gut Kalorien verbrennen, ist dieses Gesetz eine Art Freiheitsberaubung. Man sollte jeden seinen Beruf ausüben lassen, ohne absurde Restriktionen.“
Interview mit Rahel Jahoda von intakt, dem Therapiezentrum für Menschen mit Essstörungen
Wir begrüßen an und für sich jede Initiative, die versucht, die Zahl der Magersüchtigen zu senken. Viele nehmen sich Models als Vorbild für ihr Körperbild, was oft unrealistisch ist, weil in der Branche ja auch viel nachretuschiert wird. Ich fände es gut, wenn man Retuschen kennzeichnen würde.
Ist die Untergrenze mit einem BMI 18,5 sinnvoll?
Das ist eine sehr willkürliche Grenze. Manche können mit einem BMI von 18,5 ganz normal essen, andere müssen sich kasteien – der Stoffwechsel funktioniert bei jedem anders. Models fangen oft schon sehr jung an – bei Jugendlichen gibt es aber andere Berechnungsfaktoren (Perzentil-Kurve, Anm.).
Welchen Einfluss können Bilder von Magermodels haben?
Bei einer Studie bekam eine Gruppe von jungen Frauen Modezeitschriften – die andere Gruppe las Wissenschaftsmagazine. Bei den darauffolgenden Tests war das Befinden und das Selbstwertgefühl der Mädchen mit den Modezeitschriften im Keller. Es geht auch um die Vorbildfunktion: Früher haben Hollywood-Schauspieler sehr unterschiedlich ausgesehen – jetzt wollen sich alle einem bestimmten Muster anpassen. Dabei sind unsere Körper alle unterschiedlich gebaut.
Können Magermodels eine Essstörung auslösen?
Auslösen ja, aber sie sind nicht die Ursache für eine Essstörung. Millionen Menschen schauen sich Models an, aber nicht jeder entwickelt eine Essstörung. Ein Auslöser muss nicht schwerwiegend sein – es kann eine blöde Bemerkung oder ein Bild in einer Zeitschrift sein. Die Ursachen sind oft Vernachlässigung, Missbrauch, Mobbing, ein Todesfall oder eine Scheidung – etwas Schwerwiegendes, das der Betroffene nicht verarbeiten kann. Die Essstörung ist in dem Moment die beste Bewältigungsstrategie.
Was sind die möglichen Folgen?
Es ist wie bei der Drogensucht: Man glaubt, man hat es im Griff, aber irgendwann gerät es außer Kontrolle. Eine Essstörung hat unter den psychiatrischen Erkrankungen die höchste Todesfolge.