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Udo Lindenberg: Ein Leben im Hotel

Freundlich grüßt Udo Lindenberg – „Mick Jagger ist mein Klon“ – die Hotel-Gäste und gibt Autogramme. Im Hintergrund seine Freundin Tine Acke (35), die ihren druckfrischen Fotoband – „Udo Lindenberg – Ich mach mein Ding“ – unterm Arm trägt. Die zurückhaltende Illustratorin und der Meister der Selbstinszenierung sind seit 14 Jahren ein Paar. Sie fotografiert. Er malt.


Seine Zweitkarriere als Maler startete der 66-Jährige 1995. Das ganze Atlantic ist geschmückt mit seinen Bildern. Heute erzielen seine Werke bis zu 30.000 Euro. „Begonnen hat das mit den Udogrammen, die ich an der Bar machte. Da hab’ ich das Udo-Konterfrei mit Hut als Autogramm gemalt und darüber Schnaps und Eierlikör gekippt.“ Das Gemisch aus Farbe und Alkohol nennt der deutsche Kultsänger „Likörell“. Den Namen ließ er sich genauso markenrechtlich schützen wie „Panikpiraten“ oder „Woody Wodka“. Auch die Schifffahrt mit dem „Rock-Liner“ ist Udos Erfindung. „Da fahren wir fünf Tage mit unserem Publikum, 2000 Leute, auf dem Schiff. Die können ihre Gitarre mitnehmen und mit uns spielen“, sagt der in Gronau (Westfalen) geborene Sohn eines Installateurs. Binnen drei Stunden ist eine Rock-Liner-Reise ausgebucht.

„Die Connection mit Tine, meine Frau Genau, ist wie aus Granit, die ist einfach da. Da brauche ich keinen Zettel und keinen Stempel.“


Nachtvögel

Udo zündet sich im Extrazimmer des Hotels eine Zigarre an. Darf man hier rauchen? „Udo darf hier alles“, sagt Tine, seine „Komplizin und Geheimrätin“, wie er sie nennt. Dann führt er seinen Besuch über den Lastenaufzug zur Terrasse mit der Weltkugel – dem Markenzeichen des Atlantics. Von dort seilte sich einst Pierce Brosnan als James Bond ab. Auf dem Dachboden sind noch Teile der Requisiten gelagert.
Für den Stammgast Lindenberg wird nachts auch der Hotel-Pool aufgesperrt. Vor fünf in der Früh gehen Tine und Udo nie schlafen. „Ich schwimme zwei Kilometer jede Nacht. Da durchquere ich den lindischen Ozean. Ich muss ja knallfit für die Show sein. Meine Freunde, die Lindianer sagen, ich bin eine super fitte Nachtigall."


Kein Gramm Fett ist auf seinen schmalen Hüften zu sehen. „Durch die Sauferei hatte ich früher so eine ziemliche Frühlingsrolle um den Bauch“, sagt er und bestellt einen „Sommergrog, mein Märchensaft“ – eine Mischung aus Johannisbeer-, Trauben- und Kirschensaft – warm und ohne Alkohol. Er ist meistens auf dem „Trockendock“, seit er mit 43 Jahren einen Herzinfarkt hatte. „Zu meiner hauptberuflichen Trinkerzeit war ich ein Schluckspecht. Und 100 Zigaretten am Tag. Da hat mir der Arzt zur sehr gesunden und logischen Reaktion meines Körpers gratuliert.“ Jetzt raucht er nur noch Zigarre und „ab und zu nen Joint“. Keine Zigarette.


Den Alkohol hat er im Griff. „Auf die Bühne gehe ich clean.“ Früher war das anders. „Ich brauche den Alkohol auf der Bühne nicht. Das Publikum ist meine Droge. Die Liebe trägt dich ja total. Da ist Adrenalin, Highspeed und so“, nuschelt er in lindenbergschem Stil. Er liebt es, wenn „die Panik-Family abfetzt“. Lindenberg brach heuer sämtliche Rekorde: 1,2 Millionen CDs wurden von MTV-Unplugged verkauft. „So ein Riesenerfolg, der dir an den Hut geflogen kommt, damit hab’ ich nicht gerechnet.“

Rampensau

Gewaltig auch seine Tour: 17 Konzerte, insgesamt 300.000 Zuschauer. Alles ausverkauft. „Eine dicke Show. In Köln hatten wir drei Tage hintereinander je 18.000 Leute in der Halle. Oben schwebt ein Zeppelin. Da geht er runter, da kannst du mit den Leuten ein bisschen knutschen, Bussi, Bussi und so und dann hebt er wieder ab.“ Er sei ein Bühnen-Goldfisch und eine Rampensau. „Ich bin extrovertiert und exaltiert“, sagt er im Falco-Ton. „Mit ihm sind wir rumgezogen im Underground, wir sind gut abgehoben, gut weggeflippt.“

Panikfamilie

Wenn Udo um die Häuser zieht ist er immer von seiner Panik-Gang, umringt. Da gibt es die Panikdamen und die Panikherren. Die panischen Gäste wie Clueso, Ben Becker oder Jan Delay und die Panikkids, die in seiner Show auftreten. „Wir sind eine große Familie mit all den Geheimräten.“
Eigene Kinder wollte er nie. „Es gibt viele andere Kinder, um die wir uns mit der Udo-Lindenberg-Stiftung kümmern“, sagt der bekennende Sozialdemokrat. Einen Trauschein braucht er nicht. „Die Connection mit Tine ist wie aus Granit, die ist einfach da. Da brauche ich keinen Zettel und keinen Stempel.“ Eine Perfektionistin sei sie. „Vom Wahnsinn geknutscht, von mir auch geknutscht. Sie ist mit einer Besessenheit an den Fotos dran. Auswahl, Bearbeitung, Dramaturgie dieses Buches, das ist total super“, schwärmt er von seiner Freundin, die sich gerne in ihre eigene Wohnung zurückzieht, um dem „Durchlaufverkehr im Atlantic“ zu entfliehen.


Udo ist ein sehr großherziger und großzügiger Mensch und ein bisschen verrückt natürlich. Das muss man als Künstler auch sein. Ich zeige mit meinen Fotos, wie wohl er sich auf der Bühne fühlt“, sagt die Hamburger Paniklady während sie sich auf den Arm ihres Panikrockers lehnt.

INFO
„Mit Udo Lindenberg auf Tour: Deutschland im März 2012 – Ein Roadmovie“ von Hannes Rossacher