Anja Kruse über Glauben
Von Barbara Reiter
freizeit: Frau Kruse, Sie sind seit 18 Jahren Buddhistin. Wie muss man sich das im Alltag vorstellen?
Anja Kruse: Ich chante, was einer Art Gesang gleichkommt. Ich wiederhole ein Gebet: „Myōhō Renge Kyō“, immer und immer wieder. Ob fünf Minuten oder eine Stunde ist egal. Das kann jeder für sich entscheiden.
Was bedeutet Ihr Mantra und welche Wirkung erzielen Sie damit?
Es heißt in etwa, dass ich mein Leben dem mystischen Gesetz von Ursache und Wirkung widme. Man spricht es morgens, um gut in den Tag zu starten und verabschiedet sich so auch abends wieder vom Tag. Ich merke, wie gut mir das tut, wenn ich mir wirklich eine Stunde Zeit dafür nehme. Meine Lebenskraft steigt enorm. Ich lasse dabei auch alle Gedanken und Wünsche zu, die zu meinem Leben gehören. Das ist eigentlich das ganze Geheimnis.
Das klingt für Menschen in der westlichen Welt fremd. Wie erklären Sie Skeptikern Ihren Glauben?
In Ihrem Buch „Mein Weg mit Buddha“ beschreiben Sie, dass Sie sich schon zu einer Zeit für den Buddhismus interessierten, als Sie keinerlei Probleme hatten. Warum?
Ich wollte das Leben in seiner Gänze verstehen lernen. Viele Antworten der Kirche erschienen mir nicht kompatibel mit dem, was die Wissenschaft eindeutig bewiesen hatte. Außerdem fühlte ich mich mit dem Modus der Kirchen „Wir beten für euch, ihr zahlt und wir machen das schon“ immer fremdbestimmt. Im Buddhismus geht es nicht ohne Selbstverantwortung. Das hat mir gefallen.
Ihre Beziehung zu Filmproduzent Norbert Blecha galt in der Öffentlichkeit als glamourös. Hat Buddhismus in dieser Zeit überhaupt einen Platz?
Ich konnte meinen Glauben nie verleugnen, bin aber in dieser Zeit sicher vom Weg abgekommen. Ich hatte damals ein „Easy-going-Leben“, das sehr verführerisch war. Da lehnt man sich gerne zurück. Ich habe mich damals auch über diese Art Glamour definiert und fand ihn sehr wichtig. Mittlerweile weiß ich, wie nebensächlich das alles ist. Trotzdem nehme ich nach wie vor am sozialen Leben teil und bin nicht in Askese gegangen.
Gehört es denn nicht zum Buddhismus, in Askese zu gehen?
Worum geht es dabei?
Dort ist man nicht dem Schicksal ausgeliefert, sondern kann es beeinflussen. Es geht auch um Wiedergeburt, an die man einfach glauben muss. Das ist die Basis. Ohne sie ließe sich vieles nicht erklären. Warum würden sonst böse Menschen bis an ihr Lebensende nie zur Verantwortung gezogen? Wer an Gott glaubt, fragt sich: „Wieso lässt Gott das zu?“ Der passende Satz im Buddhismus wäre: „Wo sind hier Ursache und Wirkung, bitte?“
Wäre Ursache und Wirkung nicht auch, dass man Oberflächlichkeit erntet, wenn man ein Glamourleben führt?
Das Leben ist nicht nur schwarz-weiß. Es geht darum, sich nicht über den Glamour zu definieren. Wer das tut, ist neben der Spur, wenn er ihn nicht hat. Es ist aber grundsätzlich nicht falsch, die schönen Dinge des Lebens zu genießen. Über ein Kompliment, den Applaus, eine Flasche Champagner oder eine Dose Kaviar freue ich mich nach wie vor. Es geht mir aber auch gut, wenn ich das nicht habe.
Wie konnten Sie darauf vergessen?
Man gewöhnt sich schnell an ein vermeintlich perfektes Leben. Bei mir lief schon in der Kindheit alles nach Plan. Ich musste nie um etwas kämpfen, auch nicht als Schauspielerin. Schwierigkeiten sind aber Teil des Lebens. Manche Menschen lernen das früh, bei mir hat es etwas länger gedauert.
Eigentlich könnte man es doch genießen, keine Probleme zu haben.
Klar, solange es keine gibt, aber man darf halt nicht vergessen, dass – wie es der Buddhismus lehrt – Leiden einfach unvermeidbar sind. Sie sind Teil des Lebens, allen voran grundsätzliche Leiden wie Geburt, Alter, Krankheit, Tod. Die buddhistische Praxis hat mich gelehrt, Leid anzunehmen und als Motor für mein Weiterkommen zu nutzen. Der Buddhismus beschreibt sehr schön, dass Bäume nur ganz tiefe Wurzeln kriegen, wenn sie dem Wind ausgesetzt sind.
Die Sie zum Zeitpunkt Ihrer Trennung noch nicht hatten.
Das war ja mein Problem. Ich habe mich noch mehr als ein halbes Jahr dagegen gewehrt. Ich habe mich zwar wieder auf meine buddhistische Praxis besonnen und gechantet, aber mit dem falschen Fokus. Ich wollte mein altes Leben zurück und kein neues beginnen.
Wie haben Sie es dennoch geschafft, neu durchzustarten?
Ich musste, weil ich nicht mehr zurück konnte. Mit der Zeit kam dann die Einsicht, dass ich die Trennung ja auch provoziert und den Stein, der auf mich zukam, selbst ins Rollen gebracht hatte. Heute bin ich dankbar für diese Zeit. Ich habe viel gelernt.
Loszulassen, niemandem die Schuld für etwas zu geben und Verantwortung für mein Leben zu übernehmen. Das hatte ich bis dahin nicht immer so gemacht.
Dennoch schreiben Sie in Ihrem Buch, bei ihrem Expartner eine „intellektuelle Wüste“ vorgefunden zu haben. Ist das keine Schuldzuweisung?
Damit wollte ich sagen, dass ich selbst unreflektiert war. Mir ist lange Zeit nicht aufgefallen, dass ich mit diesem Menschen nicht auf höherer Ebene kommunizieren konnte. Ich bin irgendwann staunend aufgewacht und dachte: ‚Komisch, wieso hat dir das all die Jahre nicht gefehlt?‘
Was ist Ihre Antwort darauf?
Ich war verpeilt. Es ist wichtig, im Leben seinen eigenen Abgründen zu begegnen. Dann weiß man, was man nicht will. Das war mein großer, dicker Felsbrocken im Leben. Vorher hatte ich es immer geschafft, Probleme auf die Seite zu schieben oder von anderen erledigen zu lassen. Das musste ich irgendwann selber lernen.
Sie haben sich mit Ihrem Ex-Partner bisher nicht ausgesöhnt. Wäre es nicht im Sinn des Buddhismus, dem anderen die Hand zu reichen?
Ich habe mittlerweile losgelassen und ein tiefes Gefühl der Abnabelung und der Ruhe in mir. Ich werfe ihm nichts vor, weil ich ihn selbst in mein Leben geholt habe. Er hat die Rolle gespielt, die er spielen musste. Es war ein Konstrukt, damit ich diverse Sachen lerne. Heute ist es ein geschlossenes Kapitel. Es würde nichts bringen, ihm zu sagen: Es ist alles gut.
Im christlichen Glauben lernt man, dass Verzeihen wichtig ist. Ist das im Buddhismus anders?
Das funktioniert auch ohne Begegnung. Auf spiritueller Ebene.
Ihr Ex-Partner hatte sofort nach Ihnen eine neue Beziehung. Sind Sie verliebt?
Nahtlos von einer Beziehung in die nächste zu wechseln, kenne ich auch von mir. Mittlerweile weiß ich, dass man damit eine Lücke füllen will. Der Mensch, der bisher für das eigene Glück verantwortlich war, fällt weg. Das soll der nächste ausgleichen. Doch für mein Glück bin nur ich verantwortlich. Sollte es wieder einen Mann in meinem Leben geben, wird mir dieses Wissen helfen. Nur so ist eine Beziehung auf Augenhöhe möglich.
Was raten Sie Menschen, die selbst in eine schwere Krise geraten?
In dunkelschwarzen Zeiten muss man sich vor Augen halten, dass es immer Hoffnung gibt. Das ist nicht nur Glaube, sondern einfach eine Tatsache, wie eine Metapher zeigt: Im Winter steht vor meinem Haus ein „toter“ Baum. Ich weiß aber, dass ich nur warten muss, bis er im April wieder Blätter trägt. Ein buddhistischer Hoffnungssatz lautet: Jeder Winter wird zum Frühling, kein Winter dauert ewig.
Info: Das Buch „Mein Weg mit Buddha“ von Anja Kruse, ist um 18 € im MVG Verlag erschienen.