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Heinz Reitbauer: „Wir werden beraubt“

Der Star in der Küche ist das Produkt. Nicht der Koch.“Eckart Witzigmann

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Als Hauben- und Sternekoch ist Heinz Reitbauer Rampenlicht gewohnt. Er mag es trotzdem nicht. „Ich stehe nicht im Fokus“, sagt er. Kollegen und Gourmetkritiker sagen, die Reitbauers seien eben auf dem Boden geblieben. Auch dieses Lob nimmt Reitbauer nicht: „Es liegt an der Bescheidenheit meiner Eltern. Wir führen ja ein Lebenswerk weiter.“ DasSteirereck im Wiener Stadtpark. Und die Bescheidenheit.

Will man ihn dennoch für eine Geschichte über seine Person gewinnen, muss man Reitbauer bei der Leidenschaft packen: Sorten-Vielfalt. „Fahren wir zur Arche Noah.“ Die „Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt“ www.arche-noah.at betreibt in Schiltern einen Schaugarten mit seltenen Kräutern, Obst- und Gemüsesorten. Reitbauer entdeckt hier gerne: „Ich komme immer mit zwei, drei Geschmäckern heim.“

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Denn etwas Gutes hat die Bekanntheit schon: „Man kann auf Dinge hinweisen. Köche können Botschafter der Vielfalt sein.“ Reitbauer streicht über ein paar Kräuter, zerreibt eines in den Fingern und riecht daran. „Wenn ich das hier sehe, weiß ich, warum ich Koch wurde. Und das soll alles verschwinden.“ Die Saatgut-Verordnung ärgert ihn. „Wir werden beraubt.“

Das sieht auch Beate Koller so. Die Geschäftsführerin der Arche Noah freut sich über den Besuch: „Köche sind für uns wichtig, weil sie Menschen zeigen, was man aus diesen Geschmäckern machen kann.“ Reitbauer greift das Stichwort auf, zupft an der Weinraute und wendet sich an Koller: „Kochen Sie wenig davon in einem halben Liter Grießkoch mit, oder in feiner Polenta. Der Geschmack zieht sich durch wie ein Faden. Herrlich. Noch besser ist Aleppokraut, aber daran muss man sich gewöhnen.“ Manchmal müsse man sich einem Geschmack erst nähern, weshalb Reitbauer auf der Terrasse im Steirereck 100 Produkte anbaut und jährlich zehn austauscht. „Wir riechen immer wieder, kosten, denken nach.“ Reitbauer sagt „wir“, wenn er das Steirereck meint. „Die Mannschaft macht den Erfolg aus. Manche Mitarbeiter sind ja über 20 Jahre im Haus, die haben mich als Bub mit dem Hosenträger auf den Kleiderhaken aufgehängt.“

Für das Aleppokraut in Grießkoch hat Reitbauer lange gebraucht. Kochen habe nämlich mit Ideen zu tun. Mit Zeit und Lebensumständen. Wenn Reitbauers in Urlaub fahren, zu einer Kärntner Alm auf 1600 Meter, wird den halben Tag gekocht. „Es ist meistens Pilzzeit, also stehen wir gemeinsam in der Küche, legen ein und bereiten zu.“ Ehefrau Birgit ist nicht nur im Steirereck geniales Gegenüber. „Es macht das Leben so viel leichter, dass wir den gleichen Fokus haben. Sie ist eine Vollblut-Gastronomin und hätte sowieso ein Wirtshaus, ob sie mich hat oder nicht.“ Reitbauer lacht oft und gerne.

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Den Menschen komme nämlich neben Vielfalt auch das Kochen abhanden. „Es verschwindet mit den Großmüttern. Großfamilie ist nicht immer lustig ist, aber sie hat auch Vorteile.“ Man müsse Ideen haben, Menschen in Pension könnten für andere kochen, und Ideen unterstützen. „Kein Junger will es genau so machen wie die Alten.“ Auch er wollte das nicht. Als Reitbauer das Steirereck von seinem Vater übernahm, gab es sechs Meeresfische und einen Süßwasserfisch auf der Karte. „Das habe ich umgedreht. Mein Vater gab mir immer die Freiheit, mich zu entwickeln, er hat es sogar gefördert.“ Reitbauer lernte in exzellenten Häusern. „Ich habe mir viel angeschaut und war häufig begeistert. Oft dachte ich: Das will ich auch.“ Irgendwann fühlte er sich davon gehetzt, heute zählt für ihn Selbstreflektion. „Was sind unsere Stärken? Man muss Erfahrungen irgendwann zur Seite schieben, sonst bleibt man im Schema.“

Und erlange nur Scheinvielfalt. „Wie 100 Joghurts im Regal. Das ist keine Vielfalt, so wie Spitzengastronomie kein Maßstab für die gastronomische Qualität eines Landes ist. Sondern die Produkte und die Wirtshäuser, die sie verkochen.“ Reitbauer merkt selbst nicht, wie bescheiden das klingt. Er konzentriert sich auf seine Überzeugung. Und greift zum nächsten Kraut.