Heinz Reitbauer: „Wir werden beraubt“
Von Axel Halbhuber
Der Star in der Küche ist das Produkt. Nicht der Koch.“Eckart Witzigmann
Will man ihn dennoch für eine Geschichte über seine Person gewinnen, muss man Reitbauer bei der Leidenschaft packen: Sorten-Vielfalt. „Fahren wir zur Arche Noah.“ Die „Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt“ www.arche-noah.at betreibt in Schiltern einen Schaugarten mit seltenen Kräutern, Obst- und Gemüsesorten. Reitbauer entdeckt hier gerne: „Ich komme immer mit zwei, drei Geschmäckern heim.“
Das sieht auch Beate Koller so. Die Geschäftsführerin der Arche Noah freut sich über den Besuch: „Köche sind für uns wichtig, weil sie Menschen zeigen, was man aus diesen Geschmäckern machen kann.“ Reitbauer greift das Stichwort auf, zupft an der Weinraute und wendet sich an Koller: „Kochen Sie wenig davon in einem halben Liter Grießkoch mit, oder in feiner Polenta. Der Geschmack zieht sich durch wie ein Faden. Herrlich. Noch besser ist Aleppokraut, aber daran muss man sich gewöhnen.“ Manchmal müsse man sich einem Geschmack erst nähern, weshalb Reitbauer auf der Terrasse im Steirereck 100 Produkte anbaut und jährlich zehn austauscht. „Wir riechen immer wieder, kosten, denken nach.“ Reitbauer sagt „wir“, wenn er das Steirereck meint. „Die Mannschaft macht den Erfolg aus. Manche Mitarbeiter sind ja über 20 Jahre im Haus, die haben mich als Bub mit dem Hosenträger auf den Kleiderhaken aufgehängt.“
Für das Aleppokraut in Grießkoch hat Reitbauer lange gebraucht. Kochen habe nämlich mit Ideen zu tun. Mit Zeit und Lebensumständen. Wenn Reitbauers in Urlaub fahren, zu einer Kärntner Alm auf 1600 Meter, wird den halben Tag gekocht. „Es ist meistens Pilzzeit, also stehen wir gemeinsam in der Küche, legen ein und bereiten zu.“ Ehefrau Birgit ist nicht nur im Steirereck geniales Gegenüber. „Es macht das Leben so viel leichter, dass wir den gleichen Fokus haben. Sie ist eine Vollblut-Gastronomin und hätte sowieso ein Wirtshaus, ob sie mich hat oder nicht.“ Reitbauer lacht oft und gerne.
Und erlange nur Scheinvielfalt. „Wie 100 Joghurts im Regal. Das ist keine Vielfalt, so wie Spitzengastronomie kein Maßstab für die gastronomische Qualität eines Landes ist. Sondern die Produkte und die Wirtshäuser, die sie verkochen.“ Reitbauer merkt selbst nicht, wie bescheiden das klingt. Er konzentriert sich auf seine Überzeugung. Und greift zum nächsten Kraut.