Prinz Harry in Doku: "Nazi-Uniform einer meiner größten Fehler"
Eigentlich ist die Story bekannt: Der Prinz und seine große Liebe wollen dem Königshaus entfliehen, brechen mit den Familienbanden und beginnen ein neues, freieres Leben am anderen Ende der Welt. Ende gut, alles gut? Weit gefehlt. Auch fast drei Jahre nach Harrys und Meghans freiwilligem Rückzug aus der britischen Royal Family ist die Saga noch längst nicht beim letzten Kapitel angekommen. Das neueste Kapitel ist jedenfalls die Dokuserie, die nun bei Netflix abrufbar ist.
In sechs Folgen (drei ab dem heutigen Donnerstag, die drei anderen ab 15. Dezember) wollen Harry und Meghan in der gleichnamigen Doku-Serie ("Harry & Meghan") erzählen, was sie zu ihrem Abgang bewogen hat und wie sie ihn selbst erlebt haben. Bereits im vergangenen Jahr hatte das Paar in einem aufsehenerregenden Interview mit US-Talkmasterin Oprah Winfrey scharf ausgeteilt und dem Palast Rassismus und mangelnde Unterstützung vorgeworfen.
Aussage gegen Aussage
Weder der Buckingham-Palast noch der Kensington-Palast - der Sitz von Prinz William und seiner Frau Kate - oder einzelne Mitglieder der Royal Family seien für einen Kommentar angefragt worden, meldete die britische Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf royale Kreise. Dies steht im Widerspruch zu einem schriftlichen Hinweis gleich zu Beginn der Dokumentation, der suggeriert, dass im Laufe der Entstehung der Serie solche Anfragen gestellt worden seien. "Mitglieder der Königlichen Familie wollten die Inhalte dieser Serie nicht kommentieren", heißt es in weißen Buchstaben vor schwarzem Hintergrund.
"Es ist meine Pflicht, die Ausbeutung und Bestechung in unseren Medien aufzudecken", sagt der 38-jährige Harry zu Beginn der Doku. Meghan erhebt in der gleichen Sequenz den Vorwurf, die Medien hätten das Paar "zerstören" wollen. Harry wirft auch einen Blick zurück auf seine frühen Erfahrungen mit der medialen Dauerbegleitung als Teil der Royal Family: Kein Familienurlaub habe stattgefunden, ohne dass Paparazzi aus einem Busch gesprungen seien. Seine Mutter Prinzessin Diana habe damals alles getan, um ihre Söhne zu beschützen, und aufdringliche Kameraleute oft direkt konfrontiert, erzählt Harry. Harry zieht klare Parallelen zwischen seiner Mutter und seiner heutigen Frau Meghan und spricht über "das Leid, das Frauen widerfährt, die in diese Familie einheiraten". Er habe große Angst gehabt, dass sich die Geschichte wiederholen könne.
Reue über Nazi-Kostüm
Das Tragen eines Nazikostüms bei einer Party bezeichnet Harry in der Doku als "einen der größten Fehler meines Lebens". Der inzwischen 38-Jährige war im Jahr 2005 bei einem privaten Kostümfest in einer Uniform mit Hakenkreuz-Armbinde erschienen. Fotos davon hatten rasch in die Medien gefunden und einen Sturm der Empörung ausgelöst. "Ich habe mich so geschämt danach, ich wollte es einfach nur wieder in Ordnung bringen", sagt er in Folge 3. In der dritten Folge der sechsteiligen Reihe geht es unter anderem um die britische Kolonialgeschichte und die Verstrickung des Königshauses in den Sklavenhandel. Es gebe in der Königsfamilie ein riesiges Maß an unbewussten Vorurteilen, sagt Harry darin und nahm sich selbst nicht davon aus.
Zur spannendsten Frage dürfte sich in diesen Tagen entwickeln, ob der Palast auf die Netflix-Doku reagieren wird. "Das ist die erste große Herausforderung für den König als Kopf der Institution", sagte eine royale Insiderquelle der Zeitung Telegraph mit Blick auf Harrys Vater Charles III. "Seine Reaktion wird viel darüber verraten, wie seine Regentschaft funktionieren wird. Wird er modern sein und antworten oder am Mantra "Nicht beschweren, nichts erklären" festhalten?" Auch auf Harry und Meghan und ihre künftige Beziehung zur Familie werde das Einfluss haben.
So reagiert der Boulevard
Der britische Boulevard, der von dem Paar ebenfalls erneut hart in die Mangel genommen wird, hat sein Urteil bereits gefällt. "Harry, hasst du deine Familie wirklich so sehr?" (Original: "Harry, do you really hate your family so much?"), titelte der Daily Express schon, nachdem der erste Trailer für die Doku erschienen war. Die einflussreichen Blätter Daily Mail und Sun werteten diesen gar als "Kriegserklärung".
Noch vor wenigen Monaten - kurz nach dem Tod von Queen Elizabeth II. - zierte das Paar zusammen mit Harrys älterem Bruder Prinz William und dessen Frau Prinzessin Kate die Titel, wie sie sich zu viert in Windsor Blumen und Trauerbriefe anschauten. Kommentatoren werteten den gemeinsamen Auftritt als Zeichen vorsichtiger Annäherung. Doch damit ist nun vorerst Schluss.
Fürs Erste bleibt die Vermarktung ihres Schicksals ein gutes Geschäft: Mit Netflix und Spotify unterzeichneten Harry und Meghan Ende 2020 millionenschwere Verträge. Auf die Netflix-Produktion folgt schon im Jänner Harrys Autobiografie. Der Titel "Reserve" (Original: "Spare") deutet die Stoßrichtung bereits an.