Huber sprang in Wisla aufs Stockerl, Kraft verpasste das Finale
Von Christoph Geiler
Ein Blick in das Gesicht von Stefan Kraft genügte, um zu wissen, dass in den nächsten Tagen auf seine Trainer wohl einige Arbeit zukommen wird. Entsetzt starrte der Salzburger auf die Anzeigetafel, die für ihn nur mickrige 112 Meter und den 32. Platz auswarf. Für einen, der auf dem Bakken in Wisla schon einmal 139 Meter weit geflogen ist und den Schanzenrekord hält, muss sich das wie ein Absturz anfühlen.
Es mag für den Gesamtweltcupsieger nur ein schwacher Trost sein, dass ihm der Wind nicht wohlgesonnen war und er sich in prominenter Gesellschaft befand. Das macht den Fehlstart für ihn nicht erträglicher, zumal Stefan Kraft vor dem Auftakt in Polen noch ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, wie wichtig doch heuer ein Auftakt nach Maß sei. „Noch viel wichtiger als in den Jahren zuvor. In den ersten drei Wochen musst du viel Selbstvertrauen tanken.“
Neue Erfahrung
Denn Mitte Dezember steht mit der Skiflug-WM in Planica, die wegen der Corona-Krise im März abgeblasen werden musste, bereits der erste Saisonhöhepunkt an. „Und ohne Selbstvertrauen kannst du nur schwer Skifliegen“, weiß auch Stefan Kraft.
Es bleibt abzuwarten, ob den 27-Jährigen der misslungene Auftakt in Wisla aus der Bahn wirft. Solche Tiefschläge kennt der ansonsten so konstante und stabile Pongauer praktisch nur vom Hörensagen. Während seiner gesamten Weltcupkarriere konnte sich Kraft nur sieben Mal nicht für den Finaldurchgang qualifizieren. Zuletzt war er beim Neujahrsspringen 2019 in Garmisch-Partenkirchen nicht in den Punkterängen gelandet (49.).
„Vor fünf Jahren wäre ich noch mit dem Kopf gegen die Wand gerannt“, sagte der 27-Jährige nach seinem Sprung in Wisla. „Jetzt muss ich das ganz schnell abhaken.“
Lachender Dritter
Es spricht für das österreichische Team, dass trotz des Totalausfalls der Nummer eins im ersten Einzelspringen ein beachtliches Mannschaftsergebnis herauskam. Daniel Huber (3.), Philipp Aschenwald (8.) und Michael Hayböck (10.) zeigten, dass der Sieg im Teambewerb am Samstag kein Zufall war.
Nach dem ersten Durchgang und einem Sprung auf die Tageshöchstweite (138, 5 Meter) durfte Huber sogar von seinem ersten Weltcupsieg träumen, im Finale wurde der Salzburger aber noch von den beiden Deutschen Markus Eisenbichler und Karl Geiger überflügelt.
Sitzenbleiber
Abgesehen von dem Trio in den Top Ten ging im österreichischen Team am Sonntag alles daneben. Jan Hörl, der sportlich den Sprung in den Finaldurchgang geschafft hätte, wurde disqualifiziert. Der kuriose Grund: Der junge Salzburger blieb nach der erteilten Freigabe länger als die erlaubten zehn Sekunden auf dem Zitterbalken sitzen. Das zog die Disqualifikation nach sich.
Und schließlich reiste auch Gregor Schlierenzauer enttäuscht und ernüchtert aus Wisla ab. Erst vor einer Woche hatte ihm der neue Cheftrainer Andreas Widhölzl noch eine „interessante Weiterentwicklung“ attestiert. Der Rekordgewinner im Weltcup (53 Siege) gab selbst als Ziel aus, „immer für die Top 15 gut zu sein“.
Insofern ging der Auftakt für Gregor Schlierenzauer völlig daneben: Der Tiroler musste sich in Wisla mit Rang 44 begnügen.