Sport/Wintersport

Die letzte Bitte des ersten Siegers

Der Olympia Countdown hat für Sotschi 2014 begonnen – die weltschnellsten Skifahrer wechseln vom Hochsommer in den südamerikanischen Winter. Auch Bode Miller fliegt zum Trainieren nach Chile. Wird er noch in den Anden mit seinen US-Teamkollegen eine Gedenkminute für Bill Johnson, 53, abhalten müssen?

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Der erste US-Olympiasieger der Skigeschichte hat in einem Pflegeheim in Gresham/Oregon nur noch einen letzten Wunsch:

In Ruhe einschlafen.

Zumindest ältere Sportfreunde werden beim Namen Bill Johnson aufhorchen. War das der, der 1984 den Favorits in Sarajevo um die Ohren fuhr und den Franz Klammer im ersten Frust einen „Nasenbohrer“ nannte?

Wenig später hat Klammer seine Aussage revidiert, Jahre später für Johnson sogar Charity-Rennen organisiert.

Jüngere mögen wissen: Die vermeintlich typische Tellerwäscherstory übertraf noch jene vom aktuellen Pisten-Hippie Miller. Reporter mussten nicht übertreiben, um den Vertreter einer US-Randsportart als Sensation verkaufen zu können. Im Gegenteil! Nachdem Billy mit 17 ein Auto geklaut hatte, stellte ihn ein Richter vor die Alternative: sechs Monate Haft oder Besuch eines Ski-Internats. Johnson entschied sich für den Sport, doch er blieb trotz seines Ausnahmetalents ein gesellschaftlicher Außenseiter, an den nicht einmal sein Vater, sondern nur sein stets hilfsbereiter Salzburger Ersatz-Papa, Skifabrikant Alois Rohrmoser, glaubte.

Anderen Österreichern begegnete Johnson mit Misstrauen. Er mochte den damaligen Vorarlberger US-TrainerAndreas Rauchnicht, zumal ihn der nach einem provokanten Versagen bei einem 1000-Meter-Lauftest aus dem Team geworfen hatte. Und er fühlte sich auch von den ÖSV-Stars verkannt und kündigte vollmundig an, er werde diese Angeber in der Pfeife rauchen. Olympia ’84 gab ihm recht.

Der Ruhm verblasste rasch. „Er war ein einsamer, unberechenbarer, aber guter Kerl“, sagt Lizz Rohrmoser, die Tochter des Atomic-Gründers, und erzählt, wie Johnson im Jogging-Anzug zur eigenen Hochzeit erschien. Und wie er so um die Jahrtausendwende unangemeldet, ratlos und traurig um Mitternacht vor dem Rohrmoser-Haus in Wagrein stand.

Zu diesem Zeitpunkt war der (von Banker Helmut Elsner gedemütigte) Rohrmoser nicht mehr Atomic-Besitzer. Auch Johnson glich einem gebrochenen Mann.

Sein 13 Monate alter Sohn Ryan war 1992 im Whirlpool ertrunken. Bald danach verließ ihn seine Frau. Bill zog in einen Wohnwagen, bekam nur noch Gelegenheitsjobs. Aus Geldnot plante er einen Start bei Heim-Olympia 2002 in Salt Lake. Der Comeback-Versuch mit 41 endete 2001 im Training der US-Meisterschaften in Montana jenseits der Fangnetze. Gehirnverletzungen, Koma. Gedächtnisverlust. Von den Folgen des Sturzes hat sich Johnson nie wirklich erholt. Nach Schlaganfällen kann er die Beine und längst auch den linken Arm nicht mehr bewegen, auf dem er sich „Ski to die“ eintätowieren ließ. „Ski bis zum Tod.“

Am 29. Juni landete er wegen einer rätselhaften Infektion erneut in der Intensivstation. Vor zwei Wochen bat Bill, von allen lebenserhaltenden Maßnahmen abzusehen. Keine Magensonde, kein Sauerstoff, keine Infusion mehr. Der Olympiasieger hat in seinem schwersten Rennen resigniert.