Die letzte Bitte des ersten Siegers
Von Wolfgang Winheim
Der Olympia Countdown hat für Sotschi 2014 begonnen – die weltschnellsten Skifahrer wechseln vom Hochsommer in den südamerikanischen Winter. Auch Bode Miller fliegt zum Trainieren nach Chile. Wird er noch in den Anden mit seinen US-Teamkollegen eine Gedenkminute für Bill Johnson, 53, abhalten müssen?
In Ruhe einschlafen.
Zumindest ältere Sportfreunde werden beim Namen Bill Johnson aufhorchen. War das der, der 1984 den Favorits in Sarajevo um die Ohren fuhr und den Franz Klammer im ersten Frust einen „Nasenbohrer“ nannte?
Jüngere mögen wissen: Die vermeintlich typische Tellerwäscherstory übertraf noch jene vom aktuellen Pisten-Hippie Miller. Reporter mussten nicht übertreiben, um den Vertreter einer US-Randsportart als Sensation verkaufen zu können. Im Gegenteil! Nachdem Billy mit 17 ein Auto geklaut hatte, stellte ihn ein Richter vor die Alternative: sechs Monate Haft oder Besuch eines Ski-Internats. Johnson entschied sich für den Sport, doch er blieb trotz seines Ausnahmetalents ein gesellschaftlicher Außenseiter, an den nicht einmal sein Vater, sondern nur sein stets hilfsbereiter Salzburger Ersatz-Papa, Skifabrikant Alois Rohrmoser, glaubte.
Der Ruhm verblasste rasch. „Er war ein einsamer, unberechenbarer, aber guter Kerl“, sagt Lizz Rohrmoser, die Tochter des Atomic-Gründers, und erzählt, wie Johnson im Jogging-Anzug zur eigenen Hochzeit erschien. Und wie er so um die Jahrtausendwende unangemeldet, ratlos und traurig um Mitternacht vor dem Rohrmoser-Haus in Wagrein stand.
Zu diesem Zeitpunkt war der (von Banker Helmut Elsner gedemütigte) Rohrmoser nicht mehr Atomic-Besitzer. Auch Johnson glich einem gebrochenen Mann.
Am 29. Juni landete er wegen einer rätselhaften Infektion erneut in der Intensivstation. Vor zwei Wochen bat Bill, von allen lebenserhaltenden Maßnahmen abzusehen. Keine Magensonde, kein Sauerstoff, keine Infusion mehr. Der Olympiasieger hat in seinem schwersten Rennen resigniert.