Schlierenzauer: "Die Tournee ist mein Baby"
Von Christoph Geiler
Überflieger. Weitenjäger. Rekordsammler. Superstar. Seriensieger. Gregor Schlierenzauer hat mit seinen 22 Jahren schon viele Kosenamen gesammelt. Am 30. Dezember hebt der Tiroler bei der Vierschanzentournee ab. Als Titelverteidiger und als Weltcup-Leader. Dabei soll der Perfektionist aus dem Stubaital mit seinen bisherigen Sprüngen gar nicht einmal so hundertprozentig zufrieden gewesen sein.
KURIER: Herr Schlierenzauer, ist das jetzt wirklich Ihr Ernst?
Gregor Schlierenzauer: Was denn?
Dass Sie in diesem Winter bisher noch nicht Ihre Topsprünge gezeigt haben.
Was meine Platzierungen betrifft, bin ich sicher total zufrieden. Aber bei meinen Sprüngen geht noch etwas. Die waren noch keine richtigen Schlierenzauer-Bomben. Das ist jetzt aber eher ein Luxusproblem.
Ist es auch ein Luxusproblem, dass Ihnen schön langsam die Ziele ausgehen?
Die Tournee haben Sie mittlerweile ja bereits gewonnen. Moment. Da gibt es schon noch ein bisschen etwas: Olympiagold fehlt mir, das ist das ein langfristiges Ziel. Ein anderes sind die 47 Weltcupsiege. Diese Marke möchte ich unbedingt einmal knacken.
Für mich wäre es absolut das Höchste. Weil: Wenn du der Springer mit den meisten Weltcupsiegen bist, dann ist das ein Zeichen von Konstanz und kein Zufall. Es ist sowieso schon ein Wahnsinn, dass ich mit meinen 22 schon darüber reden kann, die Nummer eins zu werden. Aber auch das ist ein Luxusproblem, und eigentlich will ich mich damit auch gar nicht groß beschäftigen.
Wieso das?
Weil man solche Rekorde und Erfolge nicht erzwingen kann. Die müssen passieren. Das habe ich im letzten Winter bei der Tournee gesehen.
Gehen Sie denn nun, wo Sie Ihren Kindheitstraum verwirklicht haben, anders an die Vierschanzentournee heran?
Ich bin sicher relaxter als in den letzten Jahren. Dieses Ziel ist seit dem letzten Jahr abgehakelt, jetzt hoffe ich, dass ich die Tournee richtig genießen kann.
Haben Sie denn das in der Vergangenheit nicht gekonnt?
Das Problem ist, dass man bei der Tournee immer unter Strom steht und extrem angespannt ist. Das wird heuer anders sein, davon bin ich überzeugt.
Sie haben oft sehr verbissen gewirkt, täuscht der Eindruck?
Nein, das täuscht nicht. Die Tournee ist, wenn man so will, mein Baby. Ich bin damit aufgewachsen, bei uns hat das einen enormen Stellenwert. Und dann bin ich bei meiner ersten Tournee gleich Zweiter, mit nur 16 Punkten Rückstand. Welche Ziele bleiben dann einem noch außer dem Tourneesieg?
Bestimmt. Ich wollte es einfach immer nur wissen und erzwingen, anstatt den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Heute traue ich mich zu sagen: Die Zeit hat’s einfach gebraucht. Auch wenn ich das früher nicht wahrhaben wollte. Im Nachhinein bin ich sogar froh, dass ich nicht gleich meine erste Tournee schon gewonnen habe.
Inwiefern froh?
Es hätte einfach nicht gepasst. Mit 16 die Tournee gewinnen, das ist doch nicht normal. Damit ist man in dem Alter überfordert. Mit 16 bist du ja noch ein halbes Kind und sehr engstirnig. Da kann man schnell einmal den Boden unter den Füßen verlieren. Ich habe heute mit 22 sicher mehr Weitblick und kann die Dinge besser einordnen.
Heißt das, Sie definieren nicht mehr alles nur über Erfolg und Platzierungen?
Ich weiß jedenfalls, dass Skispringen nicht das Wichtigste auf der Welt ist. Natürlich, auf der Schanze will ich immer der Beste sein. Aber es macht mir mittlerweile auch nicht mehr so viel aus, wenn ich einmal nur Fünfter werde. Ich werde sicher nicht mehr daran zerbrechen, mir selbst zu viel Druck zu machen. Hey, ich habe schon so viel erreicht, mein Hobby zum Beruf gemacht, den geilsten Arbeitsplatz. Ich kann mich nicht beklagen.
Wie kommen Sie denn heute mit den Nebengeräuschen des Spitzensports zurecht? Stört Sie Ihre Berühmtheit?
In manchen Situationen wäre ich sicher lieber der Gregor Was-weiß-ich-was. Ich merke ja, dass die Leute auf mich schauen, wenn ich durch die Stadt gehe. Aber daran gewöhnt man sich auch. Und der Kontakt mit den Fans gehört einfach dazu. Mir würde es nicht passen, wenn die Menschen mich nicht mögen würden. Das würde mich sogar extrem stören.
Das sind viele Mosaiksteinchen, die ineinander greifen müssen. Ich hatte das Riesenglück, dass der Markus Prock mein Onkel ist. Ich habe von klein auf nicht nur mitbekommen, wie es im Sport läuft, sondern auch, wie es im Spitzensport funktioniert. Man muss sich nur umschauen: Die Familie ist bei vielen ein Schlüssel zum Erfolg.
Wen meinen Sie konkret?
Ob das die Williams-Sisters sind, der Hamilton, der Benni Raich, Hirscher – die haben alle die Familie stark im Hintergrund und holen sich daraus die Kraft. Aber die Familie macht noch keinen Seriensieger.Natürlich. Da brauchst du auch noch Talent, Lockerheit, Professionalität, nicht zu vergessen: Freude. Mir macht’s jedenfalls im Moment extrem viel Spaß.
Oberstdorf
29.12. 16:00 Uhr Qualifikation
30.12. 16:00 Uhr Bewerb
Garmisch-Partenkirchen
31.12. 14:00 Uhr Qualifikation
1.1. 14:00 Uhr Springen
Innsbruck
3.1. 13:45 Qualifikation
4.1. 13:45 Springen
Bischofshofen
5.1. 16:15 Qualifikation
6.1. 16:30 Springen