Sport/Wintersport

Nach Alzheimer und Milzriss: ÖSV-Ass Pinkelnig greift wieder an

Wenn Eva Pinkelnig in ihrem Leben immer den leichtesten Weg gegangen wäre, dann hätte sie es niemals zu Olympia geschafft. Wahrscheinlich würde sie heute immer noch als Freizeitpädagogin arbeiten und dabei mit einem Auge neidisch zum Skisprungbewerb in Peking schielen.

„Ich habe schon immer mutige Entscheidungen getroffen und auf mein Herz gehört“, sagt die spätberufene Vorarlbergerin, die erst im Alter von 24 Jahren mit dem Skispringen angefangen hat und nun neun Jahre später am Samstag ihr Olympia- Debüt geben darf.

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Dass Eva Pinkelnig heute überhaupt noch über Schanzen springt, grenzt an ein Wunder. Denn die Karriere der lebensfrohen Harderin hing mehrmals am seidenen Faden. 2016 war Pinkelnig zwei Mal so heftig auf den Kopf gestürzt, dass bei ihr massive neurologische Probleme auftraten.

Das schwere Schädel-Hirn-Trauma machte sich durch Erinnerungslücken bemerkbar, sie litt lange unter Konzentrations- und Sehschwächen, heute noch sind die Dezemberwochen 2016 wie ausgelöscht. „Ich weiß von dieser Zeit nichts mehr. Die Ärzte haben mir gesagt, dass Anzeichen von Alzheimer da waren. Mein Hirn hat Strukturen aufgewiesen, die jemand in meinem Alter eigentlich gar nicht haben dürfte.“

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Not-Operation

Viele andere hätten die Laufbahn unverzüglich beendet und wären fortan auf dem Boden geblieben. Doch Pinkelnig wollte sich die Freude am Fliegen nicht nehmen lassen, „vor allem wollte ich nicht mit einem Sturz aufhören“, sagt die 33-Jährige.

Die Kämpfernatur wurde in den folgenden Saisonen mit drei Weltcupsiegen, zwei WM-Medaillen und Rang drei im Gesamtweltcup belohnt, ehe der Höhenflug abermals abrupt gestoppt wurde.

Im Dezember 2020 stürzte Pinkelnig in Seefeld so unglücklich, dass sie einen lebensbedrohlichen Milzriss erlitt. „Die Milz war eigentlich schon ausgeblutet. Ich habe mehr als einen Liter Blut verloren. Das wird dann gefährlich, weil der Körper die lebenserhaltenden Funktionen einstellt. Viele Menschen sind verblutet und daran verstorben“, weiß Eva Pinkelnig.

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In einer Not-OP konnte damals die Milz gerettet werden, einige Wochen später war sie schon wieder auf der Schanze und erlebte den nächsten Rückschlag. Diesmal war es aber das Verhalten des ÖSV, das ihr seelische Schmerzen bereitete. Ihr Kampf um die medizinische Freigabe für einen Weltcup-Start war so kräftezehrend und energieraubend, dass sie bei der WM in Oberstdorf vorzeitig abreiste und sich die Sinnfrage stellte.

„Es gab Tage, an denen das Nein größer war“, erzählt Pinkelnig, „aber zugleich habe ich noch das Feuer in mir gespürt. Und dass ich Skispringen kann, das weiß ich ja.“

Ihre Entscheidung vom vergangenen Frühjahr hat sie bis heute nicht bereut. Vor allem, weil sie aus ihren vielen Erfahrungen weiß: „Ich bin von den Tiefschlägen immer stärker zurückgekommen.“