Sport/Wintersport

Mario Stechers Motto: Sag niemals Knie

Gracilis und Bohrkanal. Lateralis und Semi-Sehne. Wer Mario Stecher so reden hört, der wähnt sich in einer Arztpraxis und nicht im Auslauf einer Sprungschanze. Es gibt vermutlich wenige Spitzensportler, die sich in der Medizin so gut auskennen wie der Nordische Kombinierer. Dabei hätte der 34-jährige Steirer diese Wissenslücke gerne in Kauf genommen. Denn dann wären ihm in seiner Karriere viele Schmerzen, Operationen und Comebackversuche erspart geblieben. „Ich habe es aber nie bereut“, erklärt Mario Stecher.

Der Oldie befindet sich – wie könnte es auch anders sein – gerade wieder einmal in einer Aufbauphase und hinkt in der Vorbereitung in Ramsau seinen Teamkollegen hinterher. Schon zum wiederholten Mal hat sein Knie gestreikt, zum wiederholten Mal musste er unters Messer, zum wiederholten Mal in seiner Laufbahn startet das Stehaufmännlein bei Null. Stecher hat längst aufgehört zu zählen, wie viele Wochen er in seinem Leben bereits im Krankenhaus-Bett verbracht hat. Nur eines weiß der Routinier. Diesmal stand die Kombinierer-Karriere ernsthaft auf der Kippe. Denn während der letzten Saison hatten ihm seine Vertrauensärzte nach einer neuerlichen Knie-OP mitgeteilt: „Das geht nimmer.“

Aber was machte der unermüdliche Mario Stecher? Er ignorierte einfach den Befund und die stechenden Schmerzen – und holte in Val di Fiemme WM-Silber. „Das war ein Wunder, dass ich dort eine Medaille geholt habe“, weiß Stecher, „bei mir hat damals kein Schmerzmittel mehr geholfen.“

Spaßfaktor

Nach dem WM-Coup folgte prompt die nächste Operation am beleidigten Knie, ein komplizierter Eingriff, der selbst für seine erfahrenen Chirurgen Dr. Golser und Dr. Sperner Neuland war. „Das hat diesmal drei Stunden gedauert“, sagt Stecher, der noch fünf Wochen nach der Operation sein rechtes Bein kaum abbiegen konnte.

Viele andere hätten in dieser Situation wohl endgültig das Handtuch geschmissen und sich in den wohlverdienten Kombinierer-Ruhestand zurückgezogen. Nicht aber Mario Stecher, nicht diese Kämpfernatur aus Eisenerz, der partout nicht aufgeben will und nun schon seit Wochen an seinem x-ten Comeback arbeitet. „Weil mir klar ist, dass es ein großes Privileg ist, Spitzensportler sein zu dürfen“, erklärt Stecher, „und weil mir immer mehr bewusst wird, dass ich wohl nie mehr wieder etwas finden werde, das mir so viel Spaß macht.“

Erfolgshunger

Doch dabei sein ist für den Schwager von Skistar Benjamin RaichStecher ist mit Carina Raich verheiratet – trotzdem nicht alles. Der Routinier hat weder vor, als Olympiatourist zu seinen sechsten Winterspielen zu reisen, noch will er sich mit Mittelmaß zufrieden geben. „Ganz ehrlich: Mit fünfzehnten Plätzen kann ich nichts anfangen“, sagt Stecher, „das würde mein Ego nicht befriedigen. Für den Einsatz sollte schon was rausschauen.“

Eine olympische Einzelmedaille zum Beispiel – die fehlt dem nimmermüden Kombinierer, der vor bald zwei Jahrzehnten seinen ersten Weltcupsieg gefeiert hat (1994, Oslo), noch in seiner langen Erfolgssammlung.

Und dann? Wird er dann vielleicht zum Sport-Rentner? Hat er dann möglicherweise auskombiniert? „Ich bin der Letzte, der sagt: ’Ich hör’ nach der Saison auf“, meint Mario Stecher.

Etwas anderes hätte man von ihm auch nicht erwartet.