ÖSV-Ass Liensberger startet neu durch: "Das war zuletzt nicht ich"
Von Christoph Geiler
Gelächelt hat Katharina Liensberger ja die ganze Zeit. Gelächelt und gewinkt – das ist seit Jahren ihre typische Reaktion, wenn sie im Ziel abschwingt. Und dieses Verhalten hatte die 25-Jährige auch dann nicht abgelegt, als es für sie eigentlich nichts zu lachen gab und viel eher ein Wutausbruch angebracht gewesen wäre.
Katharina Liensberger hat im Ziel weiter tapfer gelächelt und gewinkt – aber jeder konnte sehen, dass es in ihr anders aussehen musste.
„So, wie ich in letzter Zeit gefahren bin, das war nicht ich, da habe ich mich nicht wohlgefühlt“, gab die Vorarlbergerin am Montag in Méribel ehrlich zu.
Der erste öffentliche Auftritt von Katharina Liensberger bei dieser WM war schon mit Spannung erwartet worden. Wie würde sich die Doppelweltmeisterin von 2021 wohl präsentieren, nachdem in diesem Winter praktisch alles schiefgegangen war?
Katharina Liensberger hat viel gelächelt bei der Pressekonferenz in Méribel. Aber anders als noch bei den Weltcuprennen vor der WM wirkte es diesmal nicht aufgesetzt. Die Zusammenarbeit mit dem früheren ÖSV-Coach Mathias Berthold, der ihr seit einigen Tagen als Mental- und Motivationscoach zur Seite steht, dürfte der 25-Jährigen sichtlich guttun. „Er gibt mir eine gute Sicherheit“, sagt Katharina Liensberger. „Und als Vorarlberger spricht er auch relativ gleich wie ich.“
Dieser Satz darf durchaus als Hinweis verstanden werden, dass genau das bei Livio Magoni eben nicht der Fall war. Mit dem italienischen Coach, der vor dieser Saison für Liensberger abgestellt wurde, war die Göfnerin nicht auf einer Wellenlänge. „Ich kann nicht genau sagen, was war. Aber Fakt ist, dass wir nicht harmoniert haben.“
Zwei Wochen vor der WM hatte Magoni selbst entnervt das Handtuch geworfen, und man darf davon ausgehen, dass man Katharina Liensberger und den Italiener nicht so schnell wieder gemeinsam Schleppliftfahren sieht.
Spannende Zeit
Katharina Liensberger will gar nicht alles schlechtreden. „Rückblickend betrachtet wird es mich schon weitergebracht haben“, sinniert die 25-Jährige und spricht von einer „spannenden Zeit“, die sie gerade durchmacht. „Es ist sehr speziell.“
Für Liensberger hat diese Saison vor zwei Wochen noch einmal neu begonnen. „Was war, ist Vergangenheit. Ich blicke nur mehr nach vorne.“ Diesen Rat hat ihr Mathias Berthold gegeben. „Wir haben über die unmittelbare Vergangenheit auch nicht geredet“, erzählt der 57-Jährige.
Der Mentalcoach hat keineswegs ein Häufchen Elend angetroffen. Sondern vielmehr eine „Sportlerin, die sehr professionell ist, hart an sich arbeitet und einen Weg gesucht, aus der Situation etwas zu machen“.
Vor allem hat es Berthold mit einer Läuferin zu tun, die sich von ihm etwas sagen lässt. Liensberger schwärmt regelrecht vom Gedankenaustausch mit dem Landsmann, der sie zuletzt bereits zum Training ins Fassatal begleitet hatte. „Er schaut sich Videos von den Läufen an, gibt seine Inputs, um etwas Neues entstehen zu lassen.“
Ob das reicht, um in kürzester Zeit wieder ganz die Alte zu werden?
„Katharina ist eine interessante Persönlichkeit“, sagt Thomas Trinker, Cheftrainer des ÖSV-Frauenteams. „Sie kriegt irrsinnig schnell wieder Hoffnung und gute Laune.“ Und diesen Stimmungswandel haben die Trainer bei der 25-Jährigen registriert.
Katharina Liensberger selbst spricht nicht von Medaillen und Platzierungen. Sie redet lieber über ihre Gefühlswelt. „Das Wichtige ist, dass ich das innere Feuer spüre. Das Skifahren bereitet mir wieder Freude“, sagte sie.
Und dabei lächelte sie vielsagend.