Sport/Wintersport

"Hirscher ist ein Glücksfall"

Harti Weirather wurde 1982 in Schladming Abfahrtsweltmeister und gewann im selben Jahr auch in Kitzbühel. Heute ist der 55-jährige Tiroler ein erfolgreicher Sportvermarkter und der Mister Kitzbühel. Auch in diesem Jahr fuhr er wieder mit Kunden über die Streif.

KURIER: Herr Weirather, wie geht es Ihnen, wenn Sie heute auf der Streif stehen?
Harti Weirather:
An der Mausefalle denke ich mir schon: ,Wie bescheuert warst du eigentlich, dass du dich da einmal runtergehaut hast?‘ Das ist für mich heute nicht mehr nachvollziehbar. Dabei war ich ein Rennläufer, dem es nicht zu brutal und schwierig genug sein konnte. Als Vermarkter sehe ich das heute natürlich anders.

Wie denn?
Als Vermarkter sollte es möglichst spektakulär aussehen, aber es sollte gleichzeitig auch ja nichts passieren, weil sonst die Sponsoren Fragen stellen.

Alle Inhalte anzeigen
Und dann sind Sie ja auch noch Vater einer Rennläuferin?
Als Vater einer Tochter würdest du sowieso am liebsten vom Start bis ins Ziel alles in Watte verpacken. Oder dir wünschen, dass sie lieber Langlaufen betreibt.

Wir stehen wenige Tage vor der Ski-WM? Können Sie den Hype immer ganz nachvollziehen, der in Österreich rund um das Skifahren herrscht?
Da steckt einfach viel Tradition dahinter. Skifahren ist nun einmal der Sport, der in Österreich von Jung bis Alt jeden interessiert. Mit den Skirennen sprichst du die ganze Familie an. Bei welchem anderen Sport ist das so? Ich weiß nicht, wie viele Frauen sich die österreichische Fußball-Liga anschauen. Aber mit den Skistars identifizieren sich die Österreicher.

Apropos Stars. Wie verkaufen sich denn die Protagonisten von heute?
Wenn ich den Marcel Hirscher oder den Felix Neureuther sehe – das sind super Typen. Neureuther hilft uns enorm in Deutschland, das ist der wichtigste Markt in Europa, für alle Sportarten. Europa ist zuallererst Deutschland, und dann kommt lang, lang, nichts. Und was Marcel Hirscher betrifft: Der ist sowieso ein Glücksfall.

Ein Glücksfall?
Ja, weil er die Jungen anspricht. Marcel spricht die Sprache der Jungen, er verhält sich wie die Jungen, und er zieht sich auch an wie die Jungen. Und er lässt sich vor allem auch nicht umpolen. Wieso soll ein Skifahrer nicht „geil“ sagen dürfen? Marcel Hirscher ist, wie er ist. Der hat etwas, was man nicht lernen kann: Charisma. Er ist nicht nur so beliebt, weil er erfolgreich ist. Man hat bei ihm das Gefühl, dass er sich nicht verbiegen lässt.

Und was halten Sie von Sportlern, die nur im Rampenlicht stehen, weil sie sich perfekt inszenieren? Stichwort: Anna Kournikowa.
Man braucht solche bunten Vögel genauso. Wie war’s denn mit dem Werner Grissmann? Der hat nicht viel gewonnen, aber als Typ war er ein Traum. Der hat Farbe reingebracht.

Beim ÖSV waren solche Typen und Exzentriker aber lange Zeit nicht wirklich erwünscht.
Ich habe jetzt aber schon das Gefühl, dass der Peter Schröcksnadel sehr wohl sieht, wie wichtig bei einem Sportler auch das öffentliche Auftreten ist. Heute reicht es nicht mehr, einfach nur herunterzufahren. Nehmen wir zum Beispiel Lindsey Vonn.

Was ist mit Lindsey Vonn?
Die ist super für den Ski-Sport. Da wird wochenlang darüber diskutiert: Hat sie was mit Tiger Woods, hat sie nichts? Die Leute reden drüber, und zwar Leute, die mit dem Skisport nichts am Hut haben. Und die schalten dann auch den Fernseher ein. Das ist wichtig, das ist Show. Und die gehört einfach dazu. Wer uns deshalb wirklich fehlt, ist Bode Miller. Der ist einfach ein Wahnsinnstyp. Wenn er ins Ziel gekommen ist, war er vorne, wenn nicht, hat er auf der Fahrt irgendeine Einlage geliefert.

Ein anderer US-Amerikaner, Lance Armstrong, hat gerade eine Dopingbeichte abgelegt. Wie stehen Sie als Vermarkter zum Radsport?
Ganz ehrlich: Ich würde den Radsport nicht mehr anrühren. Wenn man sich die ganze Historie ansieht, vor allem die letzten Jahre. Es gibt ja keinen, der keucht und fleucht, der nicht gedopt war. Das kannst du keinem Sponsor verkaufen. Ich persönlich kann da nicht dahinterstehen und mit gutem Gewissen einen Sponsor akquirieren und sagen:,Jetzt ist alles neu, jetzt ist alles super‘. Wir haben andere Geschäftsfelder. Unsere Sportarten sind der Wintersport, die Formel 1, MotoGP und dann betreuen wir auch noch Fußball-Klubs wie zum Beispiel den FC Barcelona, Real Madrid oder Milan.

Alle Inhalte anzeigen
Stichwort Barcelona. Wissen Sie inzwischen denn, wer Lionel Messi ist?
Hören sie auf. Das war ja damals überhaupt der Wahnsinn. Unser Mitarbeiter in Spanien hat mich vor Jahren zigmal angerufen und ständig von einem argentinischen Supertalent geredet, das wir vermarkten könnten – einem Messi. Der war damals vielleicht 15, 16 Jahre alt. Ich hab’ immer nur geantwortet: ,Lass mich mit dem Messi in Ruh’, ich kenn keinen Messi.‘ Und dann hat er woanders einen Vertrag unterschrieben.

Themenwechsel: In einer Woche wird die Ski-WM eröffnet. Haben Sie eine offizielle Funktion in Schladming?
Mit unserer Firma sind wir für die ganzen Werbebanden zuständig. Und ich bin als Fahnenträger vorgesehen. Was mich total freut. Ich darf meinem Nachfolger als Abfahrtsweltmeister einen Ehrenpreis überreichen. Dafür bin ich Peter Schröcksnadel sehr dankbar.

Ihr Name fällt übrigens immer wieder, wenn es um die Nachfolge von Schröcksnadel als ÖSV-Präsident geht.
Buh, diese Fußstapfen sind enorm groß. Der Peter ist nicht nur finanziell unabhängig, er hat auch ein Riesen-Know-How in diesem Bereich, und ist mit Herzblut ein Skifahrer. Der lebt dieses Amt. Und all diese drei Sachen sollte auch der neue Präsident vereinen. Bei mir ginge das sowieso nicht, weil mit meiner Firma sofort ein Interessenskonflikt entstehen würde. Außerdem: Mein Herzblut ist meine Firma.

Der Sportler

Hartmann „Harti“ Weirather (*25. Jänner 1958) feierte sechs Abfahrtssiege und wurde 1982 in Schladming Weltmeister. In der Saison 1980/’81 gewann er den Abfahrtsweltcup.

Der Geschäftsmann

Mit seiner Agentur WWP (Weirather, Wenzel Partner) vermarktet der Tiroler seit einem Vierteljahrhundert Sport-Events.

Der Mensch

Weirather lebt in Berneck, auf der Schweizer Seite des Bodensees. Er ist mit der ehemaligen liechtensteinischen Rennläuferin Hanni Wenzel verheiratet und hat drei Kinder. Tochter Tina fährt im Weltcup. Der ältere Sohn studiert in München und ist begeisterter Kunstflieger, der jüngere arbeitet an einer Karriere als Tennisspieler.