Italienischer Triumph auf der Streif
Als die Prominenz auf der riesigen VIP-Tribüne von Kitzbühel vor der Abfahrt die Siegertipps abgeben durfte, da wurden die üblichen Verdächtigen genannt: Aksel Lund Svindal war da zu hören, der Gewinner des Super-G vom Freitag; Klaus Kröll, der Schnellste im Abschlusstraining; auch Hannes Reichelt und Christof Innerhofer wurden von Anton Polster, Tobias Moretti & Co. ins Spiel gebracht.
Der Name Dominik Paris fiel kein einziges Mal.
Fragendes Publikum
Wen wundert’s. Bis vor wenigen Wochen wussten auch nur echte Ski-Insider, dass sich hinter Paris nicht nur die Stadt der Liebe und eine verhaltensauffällige amerikanische Blondine verstecken, sondern auch noch ein flotter Abfahrer sowie ein stämmiger Naturbursch aus Ulten in Südtirol.
Dabei hätten bei den Ski-Fans und Gegnern spätestens seit dem 29. Dezember die Alarmglocken schrillen müssen. Denn an diesem Tag war eben dieser Dominik Paris auf der Strecke in Bormio, die viele für die schwerste Piste der Welt halten, zu seinem ersten Weltcup-Sieg gerast. Eine Premiere, die in der Aufregung um den Hundertstelkrimi – Reichelt gewann zeitgleich, Kröll wurde mit 0,02 Sekunden Rückstand Vierter – beinahe unterging.
Doch wer auf der eisigen und steilen Stelvio-Piste gewinnt, der wird automatisch auch auf der berüchtigten und pickelharten Streif zum würdigen Mitfavoriten.
Aber nicht einmal Dominik Paris hatte mit so einer beeindruckenden Triumphfahrt in Kitzbühel gerechnet. Als im Ziel auf der Anzeigetafel der Einser blinkte, da war der selbstbewusste Südtiroler dann sogar von sich selbst ein wenig verblüfft. „Eigentlich hatte ich ja nicht wirklich ein gutes Gefühl“, berichtet Paris, „vor allem im oberen Teil. Unten habe ich dann schon gespürt, dass ich immer schneller werde.“
Und wie schnell er wurde.
Keiner bewältigte die schwierige Schrägfahrt kurz vor dem Ziel so perfekt und souverän wie Paris , keiner erreichte auf dem Zielschuss eine höhere Geschwindigkeit (142,3 km/h) als der Athlet der italienischen Forstwache, der ein Baum von einem Mann ist (95 Kilogramm). Mit seinem starken Finish überholte Paris auf den letzten 20 Fahrsekunden noch den kanadischen Abfahrtsweltmeister Erik Guay (0,13 Sekunden) und den Österreicher Hannes Reichelt (0,36), die beide bei der letzten Zwischenzeit noch vor dem Südtiroler gelegen waren.
Strahlender Sieger
„Unglaublich. Gewaltig. Ich kann es fast nicht glauben“, stammelte Dominik Paris im Ziel, „jeder Abfahrer träumt davon, einmal in Kitzbühel zu gewinnen.“ Der 23-Jährige ist der erst zweite italienische Sieger auf der Streif nach Kristian Ghedina 1998.
So lange ist der letzte österreichische Heimsieg zwar noch nicht her, aber inzwischen warten die heimischen Abfahrer auch schon seit 2006 (Michael Walchhofer) auf einen Heimerfolg.
Lachender Dritter
Hannes Reichelt hatte diesmal zwar schon Kurs auf den Sieg und das 70.000 Euro Rekord-Preisgeld genommen, auf der Schrägfahrt vor dem Ziel wurde der Salzburger allerdings aus der Bahn geworfen. „Ehrlich gesagt hab’ ich mich beim Blick auf die Anzeigetafel auf etwas anderes eingestellt. Ich war nur bis zur Traverse ein Abfahrer“, gesteht der 32-Jährige, der trotz seines Missgeschicks mit der WM-Generalprobe zufrieden war. „Erstens ist auch ein dritter Platz schön“, erklärt Reichelt, „und was noch viel mehr wert ist: Ich kann Kitzbühel unverletzt verlassen.“
Vor allem verlässt er Kitzbühel als Mitfavorit Richtung WM in Schladming. Ebenso wie seine Teamkollegen Max Franz (5.), Klaus Kröll (6.) und Georg Streitberger, die sich auf der Streif durchwegs in WM-Form präsentierten.
Stargast Arnold Schwarzenegger ist übrigens schon im WM-Fieber. Als er in Kitzbühel nach seinen Prognosen für die Hahnenkamm-Abfahrt gefragt wurde, sagte er nur: „Ich hoffe, dass sie eine Medaille gewinnen.“
Endstand
Pos. | Name | Land | Zeit | Rückstand |
1. | Dominik Paris | ITA | 1:57,56 | |
2. | Erik Guay | CAN | 1:57,63 | 0,13 |
3. | Hannes Reichelt | AUT | 1:57,92 | 0,36 |
4. | David Poisson | FRA | 1:58,16 | 0,60 |
5. | Max Franz | AUT | 1:58,17 | 0,61 |
6. | Klaus Kröll | AUT | 1:58,29 | 0,73 |
7. | Kjetil Jansrud | NOR | 1:58,45 | 0,89 |
8. | Georg Streitberger | AUT | 1:58,57 | 1,01 |
9. | Aksel Lund Svindal | NOR | 1:58,72 | 1,16 |
10. | Manuel Osborne-Paradis | CAN | 1:58,79 | 1,23 |
11. | Werner Heel | ITA | 1:58,81 | 1,25 |
12. | Siegmar Klotz | ITA | 1:58,82 | 1,26 |
13. | Adrien Theaux | FRA | 1:58,94 | 1,38 |
14. | Romed Baumann | AUT | 1:59,01 | 1,45 |
15. | Patrick Küng | SUI | 1:59,10 | 1,54 |
16. | Matthias Mayer | AUT | 1:59,21 | 1,65 |
17. | Benjamin Thomsen | CAN | 1:59,23 | 1,67 |
18. | Jan Hudec | CAN | 1:59,24 | 1,68 |
19. | Travis Ganong | USA | 1:59,32 | 1,76 |
20. | Christof Innerhofer | ITA | 1:59,48 | 1,92 |
21. | Carlo Janka | SUI | 1:59,52 | 1,96 |
22. | Guillermo Fayed | FRA | 1:59,74 | 2,18 |
23. | Marco Sullivan | USA | 1:59,75 | 2,19 |
24. | Didier Defago | SUI | 1:59,83 | 2,27 |
25. | Matteo Marsaglia | ITA | 1:59,83 | 2,27 |
26. | Joachim Puchner | AUT | 1:59,89 | 2,33 |
27. | Brice Roger | FRA | 2:00,05 | 2,49 |
28. | Stephan Keppler | GER | 2:00,23 | 2,67 |
29. | Tobias Grünenfelder | SUI | 2:00,41 | 2,85 |
30. | Ivica Kostelic | CRO | 2:00,53 | 2,97 |
Out: Florian Scheiber (AUT), Peter Fill (ITA), Johan Clarey (FRA), Steven Nyman, Ted Ligety (beide USA), Marc Gisin (SUI), Marvin Van Heek (NED)
Wie fühlt es sich an, die härteste Abfahrt der Welt gewonnen zu haben? Paris: Fantastisch. Es ist der Traum eines jeden Abfahrers, hier einmal zu gewinnen. Es ist einfach unbeschreiblich.
Und wie ist das Gefühl, nun Teil der Legende Kitzbühel zu sein? Ich habe noch keine Worte dafür. Es ist unglaublich.
Kommen Sie jetzt entspannt zur WM? Natürlich. Jetzt kann ich ganz relaxed nach Schladming fahren und probieren, was da geht. Vielleicht funktioniert's ja und ich fahre auch dort vorne mit.
Dabei ist es noch nicht allzu lange her, dass sie selbst über einen Podestplatz gestaunt haben. Was ist seitdem passiert? Wir haben seitdem ganz gut gearbeitet. Ich habe mich verbessert und viel darüber gelernt, wo man Rennen entscheiden kann. Das ist heute hier auch gelungen. Und ich hab mir sicher etwas von Leuten wie Didier Cuche abgeschaut.
Haben Sie die Stürze vor ihnen mitbekommen? Wie wichtig ist es, vor allem gesund ins Ziel zu kommen? Ich habe es mitbekommen. Aber es war schnell klar, dass nichts passiert ist. Man ist aber bei jeder Abfahrt am Limit, weil man um den Sieg fahren will. Deshalb ist man immer froh, wenn man heil und gesund im Ziel ist. Es ist schon sehr viel passiert und es passiert immer wieder etwas.
Sie haben nun die zwei schwersten Abfahrten der Welt gewonnen, auch Teamkollege Christof Innerhofer ist zweifacher Saisonsieger. Warum ist das italienische Speed-Team so stark? Wir haben im Sommer und Herbst sehr gut gearbeitet. Deshalb sind wir alle gut drauf und auch die Stimmung in der Mannschaft ist gut. Wenn du im Training dabei bist, weißt du, dass du auch im Rennen am Podium sein kannst. Das erzeugt eine große Motivation, Vollgas zu geben.
Sie haben einen speziellen Musikgeschmack. Was haben sie vor dem Kitz-Sieg am Start gehört? Metal. Etwas Hartes, um einen guten Rhythmus für den Lauf zu bekommen. Denn auch die Abfahrt ist hart und schnell. Ich habe Pantera und noch Härteres gehört.
ABFAHRT | LL | BC | GRÖ | BOR | WEN | KB |
Klaus Kröll | 3 | 9 | 29 | 4 | 2 | 6 |
Hannes Reichelt | 18 | 24 | 38 | 1 | 3 | 3 |
Max Franz | 2 | out | - | - | 14 | 5 |
Romed Baumann | 31 | 19 | 37 | 8 | 6 | 14 |
Florian Scheiber | 11 | 4 | 22 | 21 | 26 | out |
Georg Streitberger | 28 | 6 | 14 | out | dis | 8 |
Joachim Puchner | 12 | 14 | 13 | out | 10 | 26 |
Matthias Mayer | 23 | 21 | 19 | out | 28 | 16 |
Johannes Kröll | 15 | out | 52 | 42 | - | - |
Frederic Berthold | 38 | 52 | 23 | - | - | - |
Othmar Striedinger | - | 56 | 45 | 25 | - | - |
Markus Dürager | - | - | 33 | 41 | - | - |
Benjamin Raich | 35 | - | - | - | - | - |
Legende: LL = Lake Louise BC = Beaver Creek GRÖ = Gröden BOR = Bormio WEN = Wengen KB = Kitzbühel out = ausgeschieden - = nicht gestartet