Sport

Ein Triathlet trotzt der Natur

Rückblick ins Jahr 1984. "Ihr Bua wird nie gehen können", sagt der behandelnde Arzt der Mutter von Christian Troger ins Gesicht. Aus einer Laune der Natur geboren ohne linkes Bein und ohne linke Hüftpfanne, droht dem zehn Monate alten Kind ein Leben im Rollstuhl. "Sollte er sich einmal mit einer Gehhilfe selbst fortbewegen können, wäre das schon ein toller Erfolg."

November 2015. Christian Troger, mittlerweile 32 Jahre alt, ist Sportprofi. Am 7. November startet er in Panama City Beach in Florida in seinen dritten Ironman. Mit nur einem Bein wird er 3,8 Kilometer schwimmen, danach 180 Kilometer Rad fahren. In der Wechselzone schnallt er sich dann seine Prothese über den kleinen, funktionslosen Stumpf, der eigentlich sein linkes Bein hätte werden sollen und wird noch 42,195 Kilometer laufen. Zielzeit: zwölf Stunden.

Ziel gesetzt

"Ich habe mir dieses Ziel gesetzt, und ich will es unbedingt erreichen", sagt der Kärntner. "Ich habe das ganze Jahr alles für dieses eine Rennen getan. Aufgeben liegt mir nicht."

Auch seine Eltern geben anno 1984 nicht auf: Sie kontaktieren Spezialisten in einer Klinik in Deutschland. Kurz vor seinem ersten Geburtstag bekommt das Kleinkind eine erste Prothese. Einen Tag vor dem Heiligen Abend, mit 14 Monaten, beschert er seinen Eltern ein Weihnachtswunder – er macht die ersten Schritte. Bewegung ist immer ein wichtiger Teil in Trogers Leben. Ein Arzt schreibt ihm eine Befreiung für den Turnunterricht – doch er fehlt kein einziges Mal. Troger spielt mit Freunden Fußball oder Tischtennis, doch mit 17 Jahren bestreitet er seinen eigenen "Triathlon": laufen von Gasthaus zu Gasthaus, ungesund essen, rauchen.

Der härteste Wettbewerb der Welt

2005 ist er zufällig Zuschauer beim Ironman in Klagenfurt. Er sieht Sportler mit schmerzverzerrten Gesichtern, manche weinen vor Qualen und Krämpfen. Doch alle setzen das Rennen fort, wollen vor Mitternacht das Ziel erreichen. Troger wird klar: "Ein Ironman ist der härteste Wettbewerb der Welt, den man an einem Tag bewältigen kann."

Es dauert, bis der Plan reift. Erst 2008 ist er so weit, sein Ziel in Worte zu fassen: "2011 werde ich den Ironman in Klagenfurt innerhalb von 17 Stunden (in der Karenzzeit, Anm.) machen."

Er beginnt mit dem Training. Das erste Ziel: ein Lauf in den Nachbarort und zurück, sechs Kilometer. Nach 700 Metern bleibt er stehen. Es geht nicht mehr. Zu mühsam ist es, die Prothese mit einem Schwung aus den Bauchmuskeln nach vorne zu schleudern. Doch, wie gesagt, aufgeben liegt ihm nicht. Nach neun Monaten schafft er endlich die sechs Kilometer. Er schwimmt, er fährt Rad, er läuft. Immer wieder, 25 Stunden pro Woche.

Am 3. Juli 2011 startet er in Klagenfurt.

Beim Schwimmen ist die Euphorie noch groß, auch das Radfahren läuft gut, doch der Marathon wird zur Qual. "Die Schmerzen auf den letzten 20 Kilometern waren kaum zu ertragen", erzählt er. Immer wieder bricht er zusammen, immer wieder rappelt er sich auf.

Ziel erreicht

Nach 16 Stunden und 33 Minuten schleppt er sich ins Ziel, eine knappe halbe Stunde vor Mitternacht. Als erster Mensch mit nur einem Bein. "Im ersten Moment war ich sogar enttäuscht, dass ich doch so lange gebraucht habe", erzählt er. In den folgenden Tagen muss der Arzt kommen, weil die Schmerzen im Beinstumpf so groß sind. Doch irgendwann überwiegt der Stolz, etwas Großartiges erreicht zu haben. Troger hat am eigenen Körper gespürt, wie wichtig es ist, ein Ziel zu haben und es zu erreichen.

In der Folge werden Sponsoren auf ihn aufmerksam. Troger wird Profi-Sportler und kündigt seinen Job im Verkaufs-Außendienst. Er absolviert Para-Triathlons und wird Welt- und Europameister im Triathlon und Duathlon der Behinderten. 2013 absolviert er den zweiten Ironman – in 15 Stunden. Am Samstag soll schließlich die 12-Stunden-Marke fallen. Eine Zeit, die selbst für einen gesunden Triathleten beachtlich ist.

Sein Handicap sieht Troger mittlerweile entspannt: "Ich wüsste gar nicht, was ich mit einem zweiten Bein machen sollte. Ich versuche, das Positive zu sehen: Ich kann mir nie das linke Knie verletzen, ich kann keine Blasen am linken Fuß bekommen, ich kann mir nicht die linke Hüfte brechen – ganz einfach, weil ich sie nicht habe."