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Entfesselter Ligety holt Riesentorlauf-Gold

Erstes Rennen von Marcel Hirscher bei der WM in Vail und Beaver Creek: Gold in der Kombination; zweites Rennen von Marcel Hirscher: Gold im Teambewerb; drittes Rennen von Marcel Hirscher: Silber im Riesenslalom!

Der 25-jährige Salzburger ist längst, was der Amerikaner Ted Ligety vor zwei Jahren bei Hirschers Heim-WM in Schladming war: der Medaillenhamster, der Wunderwuzzi, die dominierende Figur – die deutsche Sprache bietet da viele Möglichkeiten zur Würdigung.

Einmal hatte Marcel Hirscher auf der Piste Birds of Prey in Beaver Creek gewonnen, am 4. Dezember 2011 war das. Seither hatte stets Ted Ligety die Nase vorn, vier Mal gab er seinem Dauerrivalen das Nachsehen.

Entsprechend nervös war Hirscher auch an diesem wolkenlosen Freitagvormittag in den Rocky Mountains: „Ich war sogar sehr nervös. Und dann ist auch noch die Aufregung nach dem Ausfall von Benjamin Raich ausgebrochen.“ Hirscher fuhr mit Nummer vier, sein um elf Jahre älterer Teamkollege war mit Nummer eins gescheitert, „ich bin erst sehr spät ins Fahren gekommen“, gestand der Salzburger. Und: „Die Führung hätte ich nicht erwartet.“

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Alpiner Fünfkampf

Doch er sollte sie sich holen – und behalten. Am nächsten kam Hirscher der zuletzt immer stärker gewordene Italiener Roberto Nani: Der 26-Jährige verlor mit Startnummer 12 nur 18 Hundertstelsekunden. Dahinter balgten sich die zeitgleichen Felix Neureuther (GER) und Alexis Pinturault (FRA/+0,23 Sekunden) sowie Ted Ligety (+0,24) um die weiteren Medaillenränge; der Schwede Matts Olsson lag als Sechster bereits eine halbe Sekunde zurück. Es war also angerichtet für den nächsten Hirscher-Coup im bestens besuchten Red Tail Stadium zu Beaver Creek.

Der führende Salzburger wusste, was ihn erwarten würde: „Das jetzt wird krass: Einer von den Fünf, die da so knapp beisammen liegen, wird das runterbringen. Der, der mit dem meisten Risiko und den wenigsten Fehlern runterkommt, wird gewinnen.“

Inzwischen hatte die Sonne das Zielstadion auf gut zehn Grad plus aufgeheizt, und zunächst legte Ted Ligety im Medaillen-Fünfkampf vor: überragende Laufbestzeit – und die Passage über den Zielsprung fuhr Mister Giant Slalom, der Titelverteidiger und Olympiasieger aus Park City, mit extrem viel Köpfchen – 1,23 Sekunden nahm er dem zu diesem Zeitpunkt führenden Matts Olsson ab. Alexis Pinturault, von einem grippalen Infekt gebeutelt („ich fühle mich schwach und müde“), konnte nicht Schritt halten, rettete aber Zwischenrang zwei; Felix Neureuther fiel zurück, Roberto Nani fiel zurück – und Hirscher baute in seinen Lauf eben jene kleinen Fehler ein, vor denen er gewarnt hatte.

So blieb ihm Silber, das zweite bei einer WM in seiner Karriere, Ligety gab ihm wie schon 2013 das Nachsehen, dieses Mal um 45 Hundertstelsekunden. Mit einem Sieg im Slalom am Sonntag könnte Marcel Hirscher im ewigen Medaillenspiegel zum Norweger Aksel Lund Svindal aufschließen, der bei fünf WM-Goldenen hält und der erfolgreichste noch aktive Skirennläufer ist.

Respektabel

Grund zur Freude hatte auch Philipp Schörghofer: Der 32-Jährige zeigte zunächst seinen besten Lauf der Saison (Platz acht). Warum? „Das fragt man sich oft nach so einem Lauf. Es war ein Schritt nach vorn, nur die Passage über den Zielsprung war nicht optimal“, sagte der Salzburger. Ideal war auch sein zweiter Lauf nicht, doch Platz zehn ist respektabel angesichts einer misslungenen Saison.

Ted Ligety (USA/Gold): "Es war wirklich sehr aufregend. Es war einer meiner emotionalsten Siege hier zu Hause. Nach einer nicht so guten Saison ist das sehr speziell. Ich mag es, hier zu fahren, wir leben auf vielen verschiedenen Plätzen, und dann dürfen wir hier zu Hause fahren vor Freunden und Familie. Es ist ein großer Vorteil für uns Amerikaner, hier fahren zu dürfen. Es ist definitiv ein sehr großer Tag in meiner Karriere."

Marcel Hirscher (AUT/Silber): "Alles rausgeholt, 100 Prozent Maximum gefahren, da geht nicht mehr. Ich bin daher voll zufrieden, Ted muss einen Superlauf gehabt haben, weil meiner war auch nicht 'zwider'. Ein harter Fight. Mein Tipp ist aufgegangen." Zur Vorgabezeit von Ligety: "Ich habe es mir sagen lassen, darauf habe ich bestanden, damit ich weiß, wieviel Risiko ich in Kauf nehmen muss. Vielleicht habe ich am Schluss über den Zielsprung ein paar kmh weggezupft. Voll cool - dritte Medaille im dritten Bewerb, da darf man nicht sudern. Es war so ein anstrengendes Rennen. Nun muss ich schauen, das ich bis Sonntag einigermaßen auf den Füßen stehen, das kostet viel Kraft. Die Haxen brennen ordentlich, aber im Kopf werde ich sicher super regeneriert sein. Ich habe nichts mehr zu verlieren."

Alexis Pintaurault (FRA/Bronze): "Es war ein hartes Rennen heute, es war schon nach dem ersten Lauf sehr eng. Ich habe versucht, konzentriert zu bleiben und voll zu attackieren. Die anderen zwei waren um das Stückchen vorne, aber ich war vor zwei Tagen noch krank im Bett, und es war nicht sicher, ob ich starten kann. Ich habe die Leute schreien gehört und gewusst, Ted hat es geschafft."

Peter Schröcksnadel (ÖSV-Präsident): "Ich habe zu ihm (Hirscher, Anm.) gesagt, es war ein super Rennen, weil es sind ja nicht seine Verhältnisse, und dass er da Silber holt, ist großartig. Es war von Marcel eine großartige Leistung und Ligety ist im zweiten Lauf einsame Klasse gewesen, aber es sind auch eher seine Verhältnisse als unsere."

Zur Zwischenbilanz zwei Rennen vor Schluss mit neun Medaillen: "Ich gratuliere der ganzen Mannschaft, den Trainern, den Athleten, die haben sich super verkauft, und jeder hat das Letzte gegeben. Es sind auch manche ausgeschieden, aber lieber ausscheiden, weil er voll fährt, als eine schlechte Zeit. Wir haben noch Chancen, vielleicht machen wir noch ein, zwei Medaillen."

Benjamin Raich hat am Freitag einen alles andere als guten Start in seine neunte alpine Ski-WM erwischt. Der Tiroler ging mit Nummer eins in den Riesentorlauf in Beaver Creek, schied aber gleich im ersten Durchgang aus. "Die Enttäuschung ist natürlich extrem groß, weil die Chance für mich eine gute und große war", meinte der 36-jährige Tiroler, der am Sonntag auch im Slalom startet.

Schließlich war für Raich in Beaver Creek bei strahlendem Sonnenschein eigentlich "alles angerichtet". "Die Startnummer eins war heute grundsätzlich sehr gut. Zudem waren die Bedingungen gut und der Lauf hat perfekt für mich gepasst. Es wäre richtig dahingegangen", meinte der Pitztaler, der einer großen Chance auf seine bereits elfte WM-Medaille nachtrauerte.

Im oberen Abschnitt war Raich einer der Schnellsten im ersten Lauf. "Ich bin extrem gut reingekommen, hatte einen guten Zug." Allerdings lediglich bis zu einer Kante, bei der Raich nach ein ähnliches Missgeschick wie seiner Tiroler Landsfrau Eva-Maria Brem passierte.

Kontaktverlust

"Schon bei der Besichtigung hat man gesehen, dass das eine wichtige Stelle ist. Ich hab genau gewusst, wie es zu fahren ist. Leider hab ich's aber nicht ganz umgesetzt. Ich hab ein bisschen den Schneekontakt verloren und war dann zu gerade dran", berichtete Raich.

Auf die Frage, ob dies nun sein letzter WM-Riesentorlauf gewesen sei, meinte Raich: "Sicher nicht." Eine weitere WM 2017 in St. Moritz schloss Raich damit - zumindest in der ersten Emotion - nicht aus. Nun gilt Raichs volle Konzentration aber zunächst dem Slalom am Sonntag. "Ich muss das jetzt verarbeiten und mich dann konzentriert auf den Slalom vorbereiten. Und dann schauen wir, was ich am Sonntag zusammenbringe."

Auch für den frisch gebackenen Teamweltmeister Christoph Nösig endete das WM-Rennen am Freitag bereits im ersten Lauf. Und wie Raich hatte auch Nösig bis zu seinem Out zu den absolut Schnellsten gezählt. "Es ist so gut wie schon lange nicht mehr gelaufen. Das ist ein Trost, macht aber auch den Ärger noch größer. Es war eine super Fahrt", meinte der Tiroler.

"Ich bin vielleicht ein bisschen zu wenig konsequent über den Außenski in den langen Schwung reingefahren, und dann ist mir ein klassischer Innenskifehler passiert. Aber das ist Rennfahren", so Nösig. Der 29-Jährige verlässt die USA nun "mit einem lachenden und einem weinenden Auge". "Teamgold war super, das war ein tolles Erlebnis. Heute waren die Teilzeiten positiv, leider hab ich's nicht runtergebracht. Aber es stimmt mich sehr zuversichtlich für die nächsten Rennen", bilanzierte Nösig.