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Pfiffe bei Naders Unentschieden

Die Enttäuschung saß tief bei Marcos Nader. Seinen Karrieretraum hat er verfehlt. Der hoch konzentrierte Wiener zeigte gegen den spanischen Titelverteidiger Roberto Santos einen starken Kampf, doch nach zwölf Runden erreichte der Wiener nur ein Unentschieden.

Der EU-Titel im Mittelgewicht bleibt beim Spanier, da zwei der drei Punkterichter den Kampf als Remis gewertet hatten. Erstaunt, enttäuscht und erbost reagierten die Zuschauer in der Halle. Die meisten von ihnen hatten Nader als Punktesieger gesehen.

Kein Sandsack

Zu Falcos "Vienna Calling" betrat Nader den Ring, gefolgt vom Titelträger "El Tigre de Bendiorm" Santos. Mit "Marcos, Marcos"-Rufen des Publikums ging es in die ersten Runden, die der Wiener aus der Distanz dominierte, seinen Gegner wie geplant ausboxte. Doch der 31-jährige Spanier war bei weitem nicht der "Sandsack Santos", wie aus dem Publikum vermeldet wurde, sondern ein immer ernstzunehmender Gegner, der nach vorn marschierend seine Chance suchte.

Bei seinem ersten Kampf über die volle Distanz bewies Nader, dass er neben der körperlichen Fitness auch die nötige Schläue für Boxen auf höchstem Niveau besitzt. Den als „Spätstarter“ verschrieenen Santos ließ er auch in der zweiten Kampfhälfte öfters ins Leere schlagen. In den Runden elf und zwölf ging der Titelverteidiger in die Offensive, er suchte das K.o. und Nader kassierte mehr, als seiner Ringecke lieb war. Für sein starkes Finish wurde der Spanier von den Punkterichtern belohnt.

Freie Plätze

Mit dem hohen Niveau des Kampfes konnte das Ambiente im Multiversum Schwechat allerdings nicht ganz mithalten. 1950 feierten noch 40.000 Menschen Schwergewicht Joschi Weidinger, als er im Wiener Praterstadion den EM-Titel holte, 15.000 jubelten regelmäßig Hans Orsolics in den 60er Jahren in der Stadthalle zu.

Am Freitag jedoch erinnerten an die alten Zeiten zunächst vor allem die von einer Erotik-Zeitschrift gesponserten Nummerngirls, mit gewaltigen Stöckelschuhen und ebensolchen Oberweiten. Eine der drei Tribünen blieb leer, auch die anderen Tribünen waren nicht komplett ausverkauft. Ausdruck dafür, dass Nader in seinen vorhergehenden 16 Profikämpfen nur einmal vor heimischem Publikum boxen durfte.

Ein Österreicher durfte allerdings schon jubeln. Lokalmator Timy Shala gewann in einem Vorkampf gegen den Ungarn Attila Baran. Der Halbschwergewichtler musste sechs Runden am Limit kämpfen und gewann nach Punkten.

Den ersten Europameistertitel eroberte Mittelgewichtler Poldi Steinbach 1931 in der Wiener Engelmann-Arena gegen Mario Bosisio (It). Der Titel ging 1935 am selben Ort an Heinz Lazek, einen der feinsten Techniker im Halbschwer- und Schwergewicht seiner Zeit. Lazek wechselte später zu den "schweren Burschen", wo er sich 1938 in Berlin gegen Arno Kölblin zum Schwergewichtschampion krönte.

Ernst Weiss ist der erfolgreichste Boxer, den Österreich hervorgebracht hat. Europameister wurde er gleich in drei Gewichtsklassen: 1936 im Fliegen-, 1939 im Bantam- und 1941 im Federgewicht. Als einziger Österreicher boxte er um eine Weltmeisterschaft in einem ernstzunehmenden Verband, musste sich 1936 aber Valentin Angelmann (F) geschlagen geben.

Leichtgewichtler Karl Blaho erkämpfte den Titel 1940 gegen Otello Abbruciati (It) und widerlegte als exzellenter Bridge-Spieler das Vorurteil, dass Boxer per se dumm sind. Schwergewicht Joschi Weidinger gewann den Titel 1950 gegen den Franko-Polen Stéphane Olek vor 40.000 Menschen im Wiener Praterstadion.

Nach mageren Jahren betrat Hans Orsolics den Ring – und wurde zum Volkshelden. Mit nur 20 Jahren besiegte er im Halbweltergewicht Conny Rudhof (D) nach 15 mörderischen Runden in der Wiener Stadthalle. Dort begeisterte er sein Publikum fortan stets, auch bei Niederlagen. 1969 schlug er Jean Josselin (F) k.o. und holte den Gürtel auch im Weltergewicht. Doch Orsolics stürzte ab, verlor seine (Schilling-) Millionen und verfiel dem Alkohol. Heute lebt der 65-Jährige in einer Gemeindebauwohnung in Wien.

Josef "Jo Tiger" Pachler wurde 1978 in Liegen Champion im Weltergewicht. Gegner Jörgen Hansen (Dän) schlug nach dem Ende der 8. Runde nach und wurde disqualifiziert. Pachler machte Karriere beim Bundesheer und ging vor kurzem in Pension.

1989 knockte Edip Sekowitsch in Rüsselsheim seinen Gegner José Varela (Sp) in der 2. Runde aus. Im August 2008, im Alter von 50 Jahren, wurde Sekowitsch in Wien erstochen.