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Paralympics: Ein illustres Trio

Echte Seebären pflegen zu sagen: "Eine Hand hast du fürs Leben, die andere zum Segeln." Wie ist das nun bei Sven Reiger? "Was nimmst du für eine?", wurde er bei einer Regatta gefragt. Die Antwort: "Ich muss mich nicht entscheiden, ich hab’ ja nur eine." Dem Burgenländer fehlt von Geburt an der linke Unterarm. Fragen wie diese regen ihn nicht auf. "Bei uns ist das so üblich", erklärt er den bei Behinderten-Regatten herrschenden Zynismus.

Das Steuer seines Segelboots hat Reiger jedenfalls gut im Griff. Der 38-Jährige qualifizierte sich im Olympia-Revier von Weymouth für die Paralympics in der Klasse Sonar. Mit an Bord sind Kurt Badstöber, dem das linke Bein und der rechte Arm fehlen, und Edmund Rath, der nur fünf Prozent Sehkraft besitzt.

Eine illustre Truppe mit Seltenheitswert.

Bootstour

Sven Reiger, Kurt Badstöber und Edmund Rath nehmen eine Landratte beim Training auf dem Neufelder See mit. Und es wird gleich klar, dass nicht nur der See rau ist, sondern auch der Ton an Bord. "Schau doch g’scheit hin", ruft Badstöber seinem Kollegen Rath zu. Der Sehbehinderte antwortet seinem Kollegen ohne Arm und Bein: "Was heißt schau g’scheit, greif du lieber besser zu."

Ihre Behinderungen hindern sie nicht am Sport. Mit dem, was sie von der Mehrheit der Menschen unterscheidet, gehen sie gelassen um, offen und humorvoll. "Gläser mit zehn Dioptrien nützen mir gar nichts. Vielleicht die nächste Hornhautoperation", sagt Rath. Erst kürzlich hat er sich einer unterzogen. "Von drei auf fünf Prozent hat sich mein Sehvermögen gebessert. Toll, oder?", fragt er.

Und für Kurt Badstöber stellt sich vor den Paralympics die Frage: "Brauch’ ich die Prothesen oder stehen sie mir nur im Weg?" Seine Entscheidung: Weg mit den "Trümmern", hin zur eigenen Kraft, "soweit es halt möglich ist."

Aufbruchsstimmung

Die Stimmung ist jedenfalls gut, die Hoffnung groß. Am 22. August fahren die drei mit Auto und Bootsanhänger nach England. "Wir werden sehen, was rauskommt." Alfred Sulek, ihr Betreuer, rechnet mindestens mit einem siebenten Platz. "Die Burschen sind gut drauf."

Sie selbst wären schon glücklich, wenn sie den zehnten Platz unter 14 Booten erreichen würden. Sven Reiger erreichte vor vier Jahren in Peking Platz 13. "Wir bekommen ganz einfach nicht diese Unterstützung wie Sportler in anderen Ländern, wo der Behindertensport einen höheren Stellenwert hat als hier in Österreich."

Obwohl sich in den vergangenen Jahren doch einiges zum Besseren für den Behindertensport gewandt hat. "Vor allem heuer gibt es großzügige Unterstützung", sagt Sven Reiger. "Wahrscheinlich deshalb, weil eben ein Olympia-Jahr ist", sagt Edmund Rath. "Egal", fügt Kurt Badstöber hinzu, "dabei sein ist alles."

Paralympics: Ein Rekord-Starterfeld

Fortsetzung
Die XIV. Paralympischen Sommerspiele werden vom 29. August bis 9. September 2012 in London ausgetragen. Der Vertrag der Austragungsländer mit dem IOC legt fest, dass die Paralympics am selben Ort wie die Olympischen Spiele stattfinden. Für die paralympischen Spiele werden 4200 Sportler aus 165 Nationen erwartet – ein neuer Rekord. 16 Nationen sind 2012 erstmals vertreten. Österreich entsendet 32 Sportler nach London, darunter die beiden Titelverteidiger Andreas Vevera (Tischtennis-Einzel) und Wolfgang Schattauer (Handbike-Straße).

Hart am Wind: Ein Steirer, ein Wiener und ein Burgenländer

Crew Die Segler werden nach Behinderung gemäß ihren Fähigkeiten klassifiziert. Die Gesamtwertung der drei Crewmitglieder muss unter 14 bleiben (Reiger 6 IFDS-Punkte, Rath und Badstöber je 3). Aufgrund der verschiedenen Behinderungsgrade sind die Boote dementsprechend adaptiert.

Kurt Badstöber wurde 1966 in Wien geboren und arbeitet im Rathaus (derzeit Seminarorganisation). Er ist der Vorschoter auf der Sonar und seit 2010 im Team. Bei einem Motorradunfall 1997 verlor er den rechten Arm und das linke Bein.

Edmund Rath wurde 1961 in Graz geboren und wohnt in der Nähe von Hartberg, in Hirnsdorf. 1987 verlor er durch eine Böllerschussverletzung das Augenlicht. Der gelernte Elektrotechniker und Bioresonanz-Therapeut sitzt an der Großschot.

Sven Reiger wurde 1974 in Wien geboren, lebt aber seit seinem 10. Lebensjahr in Weiden am Neusiedlersee. Er ist selbstständig und betreibt in Jois, Kroatien und in der Steiermark eine Segelschule. Seit seiner Geburt fehlt ihm der linke Unterarm. Er steuert die Sonar in London.

Boot Die Sonar ist 7 m lang und 2,39 m breit, hat einen Tiefgang von 1,19 m und eine Segelfläche von 23,23 m².

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