Paralympics: Aus der Dunkelheit laufen
Von Martin Gantner
Als Pita Rondao Bulande zwölf Jahre alt war, wurde es dunkel um ihn. Der Bursche aus der Provinz Manica in Mosambik erblindete wegen einer Masernerkrankung. Mit der Dunkelheit kam die Isolation: Nachbarn und Verwandte verstießen das "verfluchte" Kind. Auch die Ärzte in dem viertärmsten Land der Welt konnten Bulande nicht helfen. Also musste sich der Jugendliche selbst helfen.
Bulande begann zu laufen.
Heute, sieben Jahre später, vertritt der 19-Jährige das Land, das ihn einst verstieß, bei den Paralympics in London. Er ist einer von nur fünf Athleten, die erstmals für Mosambik bei den Versehrtenspielen an den Start gehen. Bulande läuft heute schneller als die meisten Menschen mit Augenlicht. In 56,32 Sekunden bewältigt er die 400-Meter-Distanz. Den olympischen Rekord auf der Strecke stellte ein sehender Michael Johnson 1996 in Atlanta auf. Er benötigte 43,49 Sekunden. "Meine Mutter ist stolz, und ich bin nervös", sagt der schüchterne Mann mit der dunklen Sonnenbrille im Vorfeld der Spiele, die nächsten Mittwoch starten. Bulande trainierte fünf Mal wöchentlich, drei Stunden am Tag. An seiner Seite sind Partner, die den Blinden führen. Einer, der den Jugendlichen auf seinem jahrelangen Weg nach London ebenfalls begleitete, war Domingos Simeao Langa.
Von Beira ...
"Krankheiten werden in Mosambik oft als Fluch angesehen", sagt der Mann, der einst selbst als Profisportler die Welt bereiste. 1980 ging Langa bei den Olympischen Spielen in Moskau an den Start. Heute fährt er zwei Mal wöchentlich mit einem alten Bus durch die Slums von Beira, der zweitgrößten Stadt des Landes. Er sammelt Menschen mit Behinderungen ein – etwa die 29-jährige Maria Eduardo Macuacua, die ohne Füße geboren wurde, oder Martinho Daniel, der auf Krücken angewiesen ist.
Mit Langas Bus entkommen sie alle ihren Lehmhütten am Rande der Stadt. Langa kutschiert das Gefährt ins Zentrum Beiras zu einer großen Turnhalle mit Wellblechdach. Maria und Martinho spielen mit anderen Rollstuhl-Basketball, Gehörlosen-Fußball oder Badminton. Auf den Rängen sitzen Kinder, die den Sportlern zujubeln. "Ich möchte, dass auch Menschen mit Behinderungen ihre Träume realisieren können. Und dass sie von der Gesellschaft akzeptiert werden", sagt Langa. "Sport ist ein Mittel, dieses Ziel zu erreichen." Das Projekt des einstigen Profisportlers wird von der Organisation Licht für die Welt und dem österreichischen Sportministerium ermöglicht. Licht für die Welt ist seit 24 Jahren weltweit für blinde und behinderte Menschen tätig. Allein in Mosambik werden sechs Augenkliniken unterstützt. Auf Einladung der Organisation besuchte der KURIER das Land an der Ostküste Afrikas. "2011 konnten wir hier 3085 Operationen am Grauen Star durchführen", sagt Sprecherin Andrea Zefferer. 2013 soll in Beira eine neue Augenklinik errichtet werden.
... nach London
Und Pita Rondao Bulande? Der 19-Jährige ist bereits in London angekommen, um sich auf seinen Lauf am 6. September vorzubereiten. "Ich möchte gewinnen", sagt er, "und ich möchte ein Vorbild sein." Ob Medaille oder nicht – in dem Dorf, das er vor Jahren verließ, werden einige die 56 Sekunden live vor ihren Fernsehern mitverfolgen .
Spenden für Licht für die Welt: PSK, Konto 92.011.650; BLZ 60.000
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