Sport

Nader: "Habe mich als Sieger gefühlt"

Selbst der Ringsprecher wusste Freitagnacht nicht so recht, was da gerade geschehen ist. "Sieger nach Punkten und damit neuer EU-Meister Marcos Nader!" Doch er wurde vom Ringrichter korrigiert. Zwar hatte ein Punkterichter den Österreicher als 115:114-Sieger gesehen, doch da zwei Punkterichter den Kampf als Unentschieden sahen, wurde er auch als solches gewertet. Der spanische Champion Roberto Santos behält seinen EU-Titel im Mittelgewicht.

Fair

Die Kämpfer begegneten einander vor der abschließenden Pressekonferenz bei der Dopingkontrolle, wo sie mit einem Bier anstießen. In unterschiedlichen Gemütslagen stellten sie sich weit nach Mitternacht den Fragen. Der wenig gezeichnete Champion streute dem Herausforderer und seinem Umfeld Rosen: "Ich habe mich in Wien sehr fair behandelt gefühlt". Dass die ersten Runden an Nader gingen, wollte der 31-Jährige nicht abstreiten. Er verwies lieber auf sein starkes Finish. "Ich verstehe, dass die Fans nicht glücklich sind. Aber so ist das Leben."

Nicht glücklich war Nader, der sich mit brüchiger Stimme bei den Fans entschuldigte – und haderte. "Ich habe mich als Sieger gefühlt", sagte der 22-Jährige. "Den Kampf muss ich mir jetzt noch einmal auf Video anschauen." Sein Ziel wäre ein Rückkampf. Eines ist nach der gezeigten Leistung im Multiversum Schwechat klar: Für Nader wird es im Profigeschäft weitergehen.

Am Ende der ersten sportlich hochwertigen Boxnacht in Österreich seit vielen Jahren steht ein für Nader hartes, aber nicht ungerechtes Urteil. Der Kampf lockte etwa tausend Zuschauer in die Halle, vermochte sie aber nicht ganz zu füllen. Für Naders Boxstall Sauerland ist das kein Grund, nicht mehr als Veranstalter nach Österreich zurückzukehren. "Die, die da waren, wurden gut unterhalten", resümierte Sportdirektor Hagen Doering. "Die kommen wieder und bringen Freunde mit, dann ist die Halle voll."

Die Enttäuschung saß tief bei Marcos Nader. Seinen Karrieretraum hat er verfehlt. Der hoch konzentrierte Wiener zeigte gegen den spanischen Titelverteidiger Roberto Santos einen starken Kampf, doch nach zwölf Runden erreichte der Wiener nur ein Unentschieden.

Der EU-Titel im Mittelgewicht bleibt beim Spanier, da zwei der drei Punkterichter den Kampf als Remis gewertet hatten. Erstaunt, enttäuscht und erbost reagierten die Zuschauer in der Halle. Die meisten von ihnen hatten Nader als Punktesieger gesehen.

Kein Sandsack

Zu Falcos "Vienna Calling" betrat Nader den Ring, gefolgt vom Titelträger "El Tigre de Bendiorm" Santos. Mit "Marcos, Marcos"-Rufen des Publikums ging es in die ersten Runden, die der Wiener aus der Distanz dominierte, seinen Gegner wie geplant ausboxte. Doch der 31-jährige Spanier war bei weitem nicht der "Sandsack Santos", wie aus dem Publikum vermeldet wurde, sondern ein immer ernstzunehmender Gegner, der nach vorn marschierend seine Chance suchte.

Bei seinem ersten Kampf über die volle Distanz bewies Nader, dass er neben der körperlichen Fitness auch die nötige Schläue für Boxen auf höchstem Niveau besitzt. Den als „Spätstarter“ verschrieenen Santos ließ er auch in der zweiten Kampfhälfte öfters ins Leere schlagen. In den Runden elf und zwölf ging der Titelverteidiger in die Offensive, er suchte das K.o. und Nader kassierte mehr, als seiner Ringecke lieb war. Für sein starkes Finish wurde der Spanier von den Punkterichtern belohnt.

Freie Plätze

Mit dem hohen Niveau des Kampfes konnte das Ambiente im Multiversum Schwechat allerdings nicht ganz mithalten. 1950 feierten noch 40.000 Menschen Schwergewicht Joschi Weidinger, als er im Wiener Praterstadion den EM-Titel holte, 15.000 jubelten regelmäßig Hans Orsolics in den 60er Jahren in der Stadthalle zu.

Am Freitag jedoch erinnerten an die alten Zeiten zunächst vor allem die von einer Erotik-Zeitschrift gesponserten Nummerngirls, mit gewaltigen Stöckelschuhen und ebensolchen Oberweiten. Eine der drei Tribünen blieb leer, auch die anderen Tribünen waren nicht komplett ausverkauft. Ausdruck dafür, dass Nader in seinen vorhergehenden 16 Profikämpfen nur einmal vor heimischem Publikum boxen durfte.

Ein Österreicher durfte allerdings schon jubeln. Lokalmator Timy Shala gewann in einem Vorkampf gegen den Ungarn Attila Baran. Der Halbschwergewichtler musste sechs Runden am Limit kämpfen und gewann nach Punkten.