Sport/Motorsport

Milliardenstaat Indien: Kleines Sportland

Indien ist mächtig. Wirtschaftsmacht, Atommacht, wichtiger IT-Standort. Mit mehr als 1,2 Milliarden Einwohnern ist das Land zweitgrößter Staat der Welt nach China (1,3 Millionen). Doch während sich China in den vergangenen Jahrzehnten zur Weltmacht im Sport entwickelt hat, fehlen in Indien die großen Erfolge, die großen Athleten, die Sportstätten.

Indien ist ein sportbegeistertes Land ohne Champions. Die Dominanz im Landhockey ist seit drei Jahrzehnten vorbei, das Fußball-Team dümpelt in der FIFA-Rangliste auf Rang 160 herum, 88 Plätze hinter Österreich. Klar gibt es da einen Formel-1-Fahrer, einen Schachweltmeister, einen Olympiasieger oder einen bekannten Tennisspieler (siehe Hintergrund). Doch alle Sportarten werden überstrahlt vom allgegenwärtigen Nationalsport: Cricket.

Hunderttausende Menschen waren auf der Straße, als Indiens Nationalteam im April 2011 im Finale der Weltmeisterschaft gegen Sri Lanka gewann. Es gibt (sportlich) nichts Größeres in diesem Land, in dem die Dominanz von Cricket eine sportliche Monokultur erschaffen hat.

"Es ist in Indien für keine Sportart leicht, neben Cricket einen Platz zu finden", sagt Monisha Kaltenborn, die Wienerin mit indischen Wurzeln und die Geschäftsführerin des Formel-1-Teams von Sauber. "Aber für mich als CEO des Teams ist es natürlich extrem wichtig, in ein neues Land zu kommen. Wir können hier neue Partnerschaften schließen, während aktuelle Sponsoren Zugang zu einem neuen Markt bekommen."

Hightech-Zeitalter

Das Formel-1-Rennen ist der vorläufige Höhepunkt einer Reihe sportlicher Großveranstaltungen in Indien. Und es ist ein Zeichen: Das Land ist im Hightech-Zeitalter angekommen. Die Regierung allerdings investierte nichts in die neue Rennstrecke, das blieb der privaten Jaypee Group vorbehalten. "Formel 1 ist kein Sport, sondern Unterhaltung", sagte noch vor einem Jahr der frühere Sportminister Gill.

Rechtzeitig zum Rennen stellte sein Nachfolger, Ajay Maken, in der Hindustan Times aber klar: "Wir haben den Motorsport als eine von 66 Sportarten offiziell anerkannt."

Der Veranstalter, die Jaypee Group, muss in den kommenden zehn Jahren eine Milliarde Rupien (14 Millionen Euro) in das staatliche Entwicklungsprogramm für Sport einzahlen.

Einen ähnlichen Betrag erhofft man sich von der indischen Cricket-Premier-League. "Damit wollen wir olympische Sportarten fördern", sagt Sportminister Maken. "Nächstes Jahr bauen wir eine Hockey-Akademie neben dem Nationalstadion."

Denn die Hockey-Weltmeisterschaft 2010 in Neu-Delhi endete mit einem sportlichen Desaster - Rang fünf. Bei den Commonwealth-Games im Vorjahr lief es besser, Indien belegte im Medaillenspiegel hinter Australien Rang zwei. Als Veranstalter blamierte sich das Land aber: Die Anlagen wurden nicht rechtzeitig fertig, die Beschwerden über die hygienischen Zustände waren groß, Korruption blühte. Statt der geplanten 210 Millionen Euro kosteten die Spiele letztlich mehr als vier Milliarden.

Zuversicht

Doch das Land will eine neue Chance haben und beweisen, dass es Qualitäten als Gastgeber besitzt. "Wir wollen die Olympischen Spiele", sagt etwa Randhir Singh, Generalsekretär des Nationalen Olympischen Komitees und Mitglied des IOC in der FAZ . Der frühere Weltklasse-Schütze sieht Indien in Zukunft gar als neue Kraft unter den Sportmächten.

Tatsächlich wurde nie zuvor in dem Land dem Sport eine größere Bedeutung zugemessen. Eine neu entstandene Mittelschicht von 250 Millionen Menschen sucht nach Unterhaltung - und findet sie im Sport, aktiv oder passiv. Der Markt für Sportartikel wächst Jahr für Jahr um 35 Prozent.

Doch Indien ist weit entfernt von dem gewaltigen Aufwand, den etwa China betreibt, um in der Medaillenbilanz nach oben zu kommen. Die Regierung schafft es nicht, die Menschen mit Trinkwasser oder angemessener Infrastruktur zu versorgen. Ein Drittel aller Inder muss mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen. Unter diesen Umständen ist der Bau adäquater Sportstätten zweitrangig. Die wenigen herausragenden Athleten verdanken ihre Erfolge einzelnen Mäzenen oder den Eltern.

Doch gerade die sind es oft, die die Karrieren ihrer Kinder bremsen. Der schulischen Ausbildung wird konsequent der Vorrang gegeben. Sport hingegen wird von besorgten Eltern kaum als Chance gesehen. Sondern als Bedrohung.

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