Franz Tost: „Talent ist nur die Voraussetzung“
Er gilt als einer der schärfsten Analytiker in der Formel 1. Franz Tost, 57, aus Tirol ist seit der Gründung von Toro Rosso, dem Zweit-Team von Dietrich Mateschitz, Teamchef des Rennstalls. 2008 gelang Sebastian Vettel im unterlegenen Toro Rosso der Sensationssieg in Monza, nun wurde sein Schützling Daniel Ricciardo zu Red Bull Racing berufen.
Franz Tost liebt die Formel 1, das Rampenlicht hasst er. Beim Heimrennen von Toro Rosso in Italien bleibt es ihm nicht erspart.
KURIER: Herr Tost, zufrieden mit der Beförderung von Ricciardo?
Franz Tost: Wir hätten ihn schon auch gerne behalten. Aber damit mussten wir rechnen. Die Beförderung von Daniel zeigt, dass er bei Toro Rosso alles mitbekommen hat, was nötig ist für ein Weltmeister-Team.
Was muss ein Fahrer für Red Bull Racing mitbringen?
Einen starken rechten Fuß (lacht). Ich bin überzeugt: Beide unserer Fahrer hätten die Reife gehabt, um bei Red Bull zu bestehen.
Wann ist ein junger Fahrer dafür bereit?
Talent ist die Voraussetzung. Aber wer Erfolg haben will, für den darf es nur die Formel 1 geben. Das erkennt man an der Hingabe. Wie intensiv beschäftigt sich ein junger Pilot mit den Daten, wie lange bleibt er am Abend an der Rennstrecke, wie kommuniziert er?
Bei Sebastian Vettel haben Sie das alles früh erkannt?
Vettel war und ist eine Ausnahmeerscheinung.
Das war immer das Ziel, als man Toro Rosso vor sieben Jahren gegründet hat. Junge Red-Bull-Fahrer sollten dort eine professionelle Plattform bekommen und für Red Bull Racing ausgebildet werden. Insofern ist diese Auswahl nur logisch.
Wie bewerten Sie die Saison bislang für Toro Rosso?
Unser Saisonziel war Platz sechs in der Konstrukteursmeisterschaft. Wir werden sehen, ob wir Force India oder gar McLaren noch abfangen können. Ich bin Realist, halte es aber dennoch für möglich.
Was kann für einen Rennstall wie Toro Rosso die Leistungsgrenze sein?
Der Gipfel ist immer der erste Platz. Deswegen sind wir hier und geben viel Geld aus. Deswegen sind aber auch noch andere Teams hier.
Braucht es nicht eine schwache Saison von McLaren, um mit so einem großen Team auf Augenhöhe zu fahren?
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedarf es noch einer Schwächephase von McLaren. 2016 oder 2017 hoffentlich nicht mehr. Wir brauchen noch ein, zwei Jahre, um die Infrastruktur so weit aufzubauen, damit Siege wieder möglich sind.
Zuletzt hat das lange Zeit so mustergültige Sauber-Team über große finanzielle Probleme geklagt. Ist es so schlimm um die Formel 1 bestellt?
Wir müssen uns dringend Gedanken machen, wie wir die Formel 1 billiger machen können. Es ist schwierig geworden, Sponsoren zu finden. Die Teams im Mittelfeld werden gerne vergessen. Sie sind aber essenziell für die Existenz der Formel 1. Es gibt Leute, die für drei Autos pro Team sind. Das halte ich für falsch.
Warum?
Weil es nicht das ist, was der Fan sehen will. Der will viele verschiedene Teams sehen. Der will nicht drei oder vier Ferraris sehen.
Dennoch gelten Sie als Verfechter der Idee von Kundenteams?
Kundenteams sind etwas ganz anderes. Da geht es darum, dass Teams Synergien nutzen, aber dennoch eigenständig bleiben. Red Bull und Toro Rosso haben anfangs bewiesen, wie gut das funktionieren kann. Das wäre das Modell der Zukunft gewesen, aber man hat dem einen Riegel vorgeschoben.
Erklären Sie uns Ihre Vision?
Wozu braucht jedes Team einen Windkanal und eine Aerodynamik-Abteilung? Wir sprechen da von ein paar Hundert Leuten pro Team, alles Ingenieure, die nicht gerade billig sind. Die Unterschiede, die diese einzelnen Abteilungen bei den Teams herausarbeiten, sind minimal.
Was wäre Ihr Vorschlag?
Sechs Werkteams und sechs Kundenteams. Dann hätte man ein einigermaßen ausgeglichenes Feld, zumindest ausgeglichener als derzeit. Ich habe ja vor Jahren diesen Vorschlag gemacht.
Und?
Ich wurde belehrt. Das entspräche nicht der DNA der Formel 1. Jedes Team muss sein eigenes Chassis bauen, hieß es damals. Damit war das Thema vom Tisch. Dann soll eben jeder Rennstall sein eigenes Chassis bauen. Nur: Das kostet Geld, viel Geld.
Der Tiroler wurde am 20. Jänner 1956 in Trins geboren. Als Rennfahrer startete er in der Formel Ford sowie in der Formel 3. Nach seiner aktiven Karriere blieb er dem Motorsport treu: Tost war Teammanager in diversen kleineren Rennserien. Landsmann und Freund Gerhard Berger holte Tost im Jahr 2000 zu BMW Motorsport. Seit 2006 ist er Teamchef von Toro Rosso, dem Zweitteam von Red Bull. Er lebt mittlerweile in Faenza (Italien).