Ecclestones Lebenswerk in Gefahr
Ein karger Saal, Stühle sind dicht an dicht nebeneinandergestellt, auf den Tischen türmen sich Aktenordner, an der Wand hängt das deutsche Bundeswappen. Das Oberlandesgericht München versprüht wenig von dem Glanz der Formel 1. Es ist ein Ort der Verhandlungen und Verordnungen, eine Welt der Rechtstaatlichkeit und der Demokratie.
Es ist nicht die Welt des
Bernie Ecclestone.
"Ich bedaure, dass die Formel 1 heutzutage sehr demokratisch ist", sagte Ecclestone kürzlich in einem Interview der Welt. Der 81-jährige Engländer, seit mittlerweile mehr als dreißig Jahren Alleinherrscher der teuersten und spektakulärsten Rennserie der Welt, war am Mittwoch als Zeuge im deutschen Wirtschaftsprozess des Jahres geladen. Angeklagt wegen Steuerhinterziehung und Betrug ist Gerhard Gribkowsky. Der Deutsche war im Jahr 2005 als Risikovorstand der BayernLB mit dem Verkauf der Formel-1-Anteile der Landesbank betraut worden. Im Zuge des Bieterverfahrens sollen 50 Millionen Dollar an Provisionen geflossen sein. Die Staatsanwaltschaft interessiert weniger die Höhe der Zahlung, sondern der dubiose Weg: über Briefkastenfirmen und vor allem vorbei am Fiskus.
Es sind schwere Anschuldigungen. Auch Ecclestones Verhalten beim Rechteverkauf könnte die Münchner Staatsanwälte interessieren. Ecclestone ist sich des Ernsts der Lage bewusst. Ungewohnt kleinlaut räumte er am Mittwoch ein, Geld an Gribkowsky gezahlt zu haben. Er habe keine Alternative gesehen, andernfalls habe Gribkowsky damit gedroht, Ecclestone bei der britischen Steuerbehörde anzuzeigen.
Alles oder nichts
Längst geht es nicht mehr nur um Geld. Es geht um das Lebenswerk des Engländers.
Seit er 1978 begann, die Geschäfte der
Formel 1 zu leiten, hat er die Serie zur exklusivsten jährlich wiederkehrenden Sport-Show aufgebaut. Das Geheimnis sind knüppeldicke Verträge mit TV-Anstalten und Streckenbetreibern sowie ein kaum zu durchdringendes Firmengeflecht. An der Spitze der Organisation steht Delta Topco. Die Dachgesellschaft hat zuletzt 1,493 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Bei vergleichsweise bescheidenen Ausgaben von 325 Millionen warf die Serie damit einen Gewinn von 1,1 Milliarden ab.
Den Überschuss teilen die Formel-1-Teams und die Eigner der Serie zu je fünfzig Prozent. Ecclestone weitete seinen Anteil sukzessive aus: 1978 streiften die Rennställe noch 98 Prozent ein.
Aufgrund dieser Verteilungsungerechtigkeit verstärkt sich der Widerstand gegen den 1,58 Meter kleinen Ober-Boss. Ende 2012 endet der Vertrag, der die Einnahmenverteilung regelt, schon bald werden die Verhandlungen für das neue Agreement beginnen, das bis 2017 gelten soll.
Es wird wohl der letzte Deal des 81-Jährigen werden. Und vielleicht sein schwierigster. "Die Teams liefern ein spektakuläres Produkt. Das soll entsprechend entlohnt werden", sagt Toto Wolff. Der Williams-Miteigentümer aus Wien verkörpert eine neue Generation von erfolgreichen Unternehmern in den Führungsetagen der Rennställe.
Noch ist Ecclestone mittendrin im Geschehen, doch wer nach seiner Ära die Fäden ziehen wird, ist offen. Gerhard Berger galt als Wunschkandidat des ehemaligen Weltverbandspräsidenten, doch er winkt ab: "Bernie ist in Top-Form. Es gibt keinen Grund, an einen Nachfolger zu denken."
Bisher handelte Ecclestone alle Verträge selbst aus. Vor seinem mobilen Büro im Fahrerlager müssen Teamchefs, Bankvorstände und Scheichs gleichermaßen für eine Audienz anstehen. "Wenn es dem Geschäft gut gehen soll, dann soll auch nach Ecclestone nur eine Person das Sagen haben", sagt Berger.
Auch Wolff bevorzugt Altbewährtes: "Ein bisschen Diktatur wird der Formel 1 immer gut tun."
Bernie Ecclestone verließ München am Mittwoch im Privatjet - und als freier Mann. Der Staatsanwalt sicherte ihm freies Geleit zu. Über den Angeklagten Gribkowsky sagte Ecclestone: "Er ging in die gleiche Falle wie viele, die mit der Formel 1 zu tun haben."
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