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Das Formel-1-Spektakel in Singapur

Strafen, Strafen, Strafen. Astronomische Geldstrafen für das Wegwerfen einer Zigarette, Prügelstrafe für Alko-Lenker, Todesstrafe für Drogendelikte. Diese Geschichten sind bekannt. Doch wer Singapur am Formel-1-Wochenende ohne Vorurteile begegnet, wird bald merken, dass er sich keineswegs in einem durchregulierten Polizeistaat befindet.

Der Taxifahrer fährt mit 120 in der 80er-Zone, Fußgänger gehen bei Rot über die Straßen, auch weit nach Mitternacht dröhnt noch Popmusik aus den kleinen Lokalen in Little India. Und wer genau schaut und sie finden will, der entdeckt sie auch: Zigarettenstummel auf dem Gehsteig.

Schlechter Ruf

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Polizisten, die mit strengen Augen auf Recht und Ordnung ihrer Stadt schauen? Sie sind nicht da. Nicht einmal in unmittelbarer Nähe der Rennstrecke. Tatsächlich existieren in Singapur die Gesetze mit den drakonischen Strafen noch immer. Doch als Präventivmaßnahme reicht der Ruf, sie gnadenlos durchzusetzen.

Natürlich, Singapur ist anders, als andere südostasiatische Metropolen. Die Stadt wirkt geschnäuzt und gekampelt im Vergleich mit Bangkok oder Jakarta. Der Verkehr ist nicht ganz so chaotisch, das Essen ist nicht ganz so scharf, die Eindrücke sind nicht ganz so intensiv. "Angenehm" sagen die einen. "Wenig aufregend" finden es die anderen.

Tatsache ist: Singapur ist eine der sichersten Metropolen der Welt. Kriminalität existiert kaum. Vom Jetlag geplagte Formel-1-Fans schlendern tief in der Nacht völlig unbesorgt durch die Straßen. Häuser und Autos bleiben angeblich unverschlossen. Nur fahrlässig unvorsichtige Touristen werden in der U-Bahn von Trickdieben um Geld und Ausweise erleichtert.

Singapur hat eine Wandlung durchgemacht. Aus einem freudlosen Polizeistaat wurde eine weltoffene Wirtschaftsmetropole. Sinnbild dafür ist das Marina Bay Sands, ein Casino und Hotel direkt an der Rennstrecke, eines der spektakulärsten Bauwerke, die je errichtet wurden.

Auf einer aufgeschütteten Landzunge stehen die drei gekrümmten Wolkenkratzer, die oben, auf 191 Metern Höhe, einen gemeinsamen 340 Meter langen Dachgarten tragen mit einem 146 Meter langen Swimmingpool. Erbaut in wahnwitziger Geschwindigkeit. Gigantisch. Luxuriös. Teuer. Gewaltig war bereits der Entwurf von Moshe Safdie Architects. Noch Eindruckvoller war aber die Entscheidung: Ja, das bauen wir. Um 4,6 Milliarden Euro.

Viel Licht

Typisch für Singapur. Wenn etwas gewollt wird, wird es gemacht. Zum Beispiel ein Formel-1-Rennen in der Nacht mitten durch die Stadt. Skeptisch waren die Piloten und die TV-Anstalten vor der Premiere im Jahr 2008. Doch die Skepsis wich Begeisterung. 1485 Scheinwerfer beleuchten die Strecke mit durchschnittlich 3000 Lux (siehe unten) bis in die hinterste Ecke der Auslaufzonen. Die Gesamtleistung wird mit drei Millionen Watt angegeben, damit könnte man 300.000 Energiesparlampen leuchten lassen.

Von der Aussichtsplattform des Marina Bay Sands betrachtet, schlängelt sich das Lichtband mitten durch die Stadt. Über den Raffles-Boulevard, wo die Piloten mehr als 300 km/h erreichen, durch die Schluchten der Wolkenkratzer-Hotels, über die historische Anderson-Bridge, unter der großen Haupttribüne durch und danach am Singapur-Flyer vorbei, dem - natürlich - größten Riesenrad der Welt.

Die vom deutschen Ingenieur und Rennstreckenspezialist Hermann Tilke entworfene Strecke vereint die Eigenschaften eines Stadtkurses mit jenen einer klassischen Rennstrecke. "In Singapur hast du zwei in einem", sagt McLaren-Pilot Lewis Hamilton. "Es gibt ein paar richtig schnelle Kurven und dann wieder ein paar 90-Grad-Ecken."

Großes Lob

Singapur sei ein absolutes Top-Event geworden, sagt Eric Boullier, der Teamchef von Renault. "Jeder will hier mit von der Partie sein." Und die größte Anerkennung der stets unter Termindruck stehenden Formel-1-Piloten spricht Nico Rosberg aus: "Ich versuche immer, nach dem Rennen noch ein paar Tage mit Freunden hier zu bleiben."

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