Die Frage der Mentalität: Rapid und das böse M-Wort
Von Alexander Huber
In Hütteldorf kursiert das böse M-Wort. Das gab es schon einmal, im Frühjahr 2016, als sich Zoran Barisic weigerte, den Meistertitel als für Rapid realistisches Saisonziel auszugeben. Das war einer der Gründe, warum der größte Realist im Verein als Trainer gehen musste.
Vor dem Ligastart am Freitag (20.45 Uhr) gegen Salzburg – mehr als 19.000 Karten sind weg – ist Rapid von einer Meister-Diskussion weit entfernt. Dieses Mal geht es beim M-Wort um die Mentalität. Oder genauer um das Fehlen dieser in der vergangenen Saison.
Kritiker sehen das oftmalige Verweisen von Trainer Didi Kühbauer auf die Mentalität als Ausrede. Dafür gibt es auch Argumente. Beim 0:3 in Hartberg, einer der schwächsten Saisonleistungen, lag es nicht am fehlenden Einsatz. Die Laufleistung war überdurchschnittlich.
Andererseits gab es immer wieder Andeutungen, dass nicht alle bei Rapid die richtige Einstellung zum Beruf hätten, nicht an ihre Grenzen gehen wollen oder kein Interesse an einer echten Gemeinschaft hätten. Und das ist genau das, was Kühbauer mit „ Mentalität“ meint.
Jetzt gibt es einen Kronzeugen. Mario Sonnleitner spricht das Mentalitätsproblem im Fan-Podcast 1899fm so deutlich wie kein Rapidler davor an.
Der 32-Jährige, dem schon viel vorgeworfen wurde, aber sicher nie mangelnde Einstellung, sagt: „Wir hatten in den letzten Jahren viele Spieler, denen es egal war, wie es dem Verein geht. Die waren in sich gekehrt und haben nur auf sich geschaut, auch wenn das oft intern angesprochen wurde.“
Und weiter: „Das war eindeutig eine Charakterfrage.“ Sonnleitner verweist darauf, wie schwer es für einen Verein wie Rapid wäre, Verstärkungen zu verpflichten, „die besonders talentiert sind und charakterlich top“. Der Innenverteidiger meint: „Ich finde, man fährt besser damit, wenn man Mentalitätsspieler holt, als besonders Talentierte, die nicht an sich arbeiten wollen.“
Die „Sünder“
Sonnleitner nannte keine Namen, dachte bei seiner Abrechnung aber mit Sicherheit auch an Andrei Ivan und Andrija Pavlovic. Ivan (1 Tor, 0 Assists in der Liga) war im Nachtleben erfolgreicher als auf dem Rasen. Der Rumäne wurde deswegen von Fredy Bickel auch zur Rede gestellt. Der gutmütige Ex-Sportdirektor beließ es aber bei einer Verwarnung ohne Sanktionierung.
Als Pavlovic in verheerendem körperlichen Zustand zum Verein stieß und sich in Folge im Trainingslager schwer verletzte, war Goran Djuricin fuchsteufelswild. Der Ex-Coach wollte seinen Ärger aber geheim halten, weil er sich persönlich für die Verpflichtung des damals zweitteuersten Stürmers (nach Mario Bazina) eingesetzt hatte. Einen ganzen Tag hatte er mit Pavlovic verbracht, als dieser vom Profitraining in Kopenhagen suspendiert war. Den eigens ausgearbeiteten und übergebenen Fitness-Plan kann der 25-Jährige nicht befolgt haben.
Beim Winter-Trainingslager in der Türkei trug Pavlovic bereits den internen Spitznamen „Pain“. Mit nicht näher definierten Schmerzen lief er oft lieber Runden anstatt mitzutrainieren.
Als sich dieses Schauspiel im Juni wiederholte, war für Kühbauer das Maß voll und die Leihe nach Nikosia gerade Recht.
Die „Vorgänge“
Kühbauer hatte bereits nach dem 0:5 in Villarreal angedeutet, dass er „Vorgänge“ beobachtet, die viel tiefer als eine System- oder Form-Diskussion gehen würden und er länger Zeit brauche, um das zu beheben. Im Jänner konkretisierte der 48-Jährige gegenüber dem KURIER, dass er künftig auf Spieler setzen will, die vielleicht nur 80 Prozent des Leistungsvermögen von anderen erreichen, diese aber konsequent und verlässlich abrufen. „Das ist mir lieber als 100 Prozent, die wir in einer Saison nur ein paar Mal zu sehen bekommen.“
Sonnleitner, der übrigens auch eine Lobrede auf den neuen Sportdirektor Zoran Barisic und dessen Menschenkenntnis hält, ist überzeugt, dass Kühbauer an den passenden Schrauben dreht: „Er ist der richtige Mann, nachdem es seit 2016 viel verbrannte Erde gegeben hat und uns das Gemeinschaftsgefühl verloren gegangen ist.“