1:0 gegen Portugal: Marokko im Semifinale, Ronaldo tritt weinend ab
Aus der Traum von der großen Krönung einer Riesenkarriere. Für Cristiano Ronaldo ist die WM vorbei, der Superstar muss mit seinen Portugiesen die Koffer packen nach einem 0:1 im Viertelfinale gegen Marokko und sein Lebenswerk nicht mit einem WM-Titel krönen. Beim nächsten Turnier 2026 wird der Stürmer 41 Jahre alt und vermutlich in Fußballer-Pension sein.
Dass der fünffache Weltfußballer seine besten Tage hinter sich hat, sah am Samstag wohl auch Fernando Santos so. Die Frage aller Fragen hatte der Teamchef der Portugiesen vor dem Spiel beantwortet: Natürlich setzte er Ronaldo wieder auf die Bank nach dem letzten Auftritt seiner Mannschaft ohne den Superstar. Anstelle des 37-Jährigen kam wieder Gonçalo Ramos zum Zug, der zuletzt beim 6:1-Sieg im Achtelfinale gegen die Schweiz drei Mal getroffen hatte. Einzige Veränderung bei den Portugiesen: Statt dem echten Abräumer William Carvalho kam Rúben Neves, ein Spielgestalter, auf der Sechserposition zum Einsatz. Er sollte dem Spiel gegen die bisher so so tief verteidigenden Marokkaner Kreativität verleihen.
Walid Regragui (Marokko-Trainer): „Wir hatten viele Verletzte vor der WM, aber wir haben uns reingebissen. Vor allem haben wir den Spirit geschaffen. Heute ist Afrika wieder auf der Landkarte des Fußballs. Wir haben dagegen gehalten und jeder hat für jeden gekämpft. Wir haben Geschichte für Afrika geschrieben und ich bin sehr, sehr glücklich.“
Sofyan Amrabat (Marokko-Mittelfeldspieler): „Es ist wirklich, wirklich, wirklich unglaublich. Ich bin so stolz. Wir verdienen das zu 1.000 Prozent. Das ist es, wie wir kämpfen und wie wir spielen, mit unseren Herzen, für unser Land und unsere Menschen. Wir hatten einige Verletzungen, und drei Verteidiger zu haben, die reinkommen und so verteidigen, großer Respekt. Großer Respekt, für alle - für die Fans, für den Trainer, für alle.“
Pepe (Portugal-Kapitän): „Wir haben das Spiel kontrolliert, aber kein Tor geschossen. Wir sind natürlich traurig und wissen, dass wir jeden besiegen können, dennoch hat es heute nicht gereicht. Jeden unserer Spielzüge haben sie mit Fouls unterbrochen, aber der Schiedsrichter hat kaum eingegriffen. Es ist inakzeptabel, dass ein argentinischer Schiedsrichter unser Spiel pfeift.“
Verhaltener Start
Allerdings: Die Afrikaner verteidigten diesmal deutlich höher als bisher in diesem Turnier, störten die Portugiesen oft schon früh und das mit Erfolg: Von der klaren Favoritenrolle war nichts zu sehen. Erst nach einer halben Stunde nahm die bis dahin ereignislose Partie Fahrt auf. Ein Schuss von João Félix wurde von El Yamiq fast ins eigene Tor abgefälscht (31.), auf der anderen Seite prüfte Boufal Diogo Costa (36.). Und Portugals Schlussmann war es, der noch vor der Pause in den Mittelpunkt geraten sollte. Bei Attiyat Allahs Flanke segelte der Keeper daneben, En-Nesyri, Legionär beim FC Sevilla, stieg höher als Verteidiger Ruben Dias und sagte per Kopf Danke (42.). Zur Halbzeit führte der große Außenseiter tatsächlich mit 1:0, auch, weil ein sehenswerter Halbvolley von Bruno Fernandes aus spitzem Winkel an die Latte klatschte (45.).
Das überraschende Tor sollte nicht unbedingt Tempo ins Spiel bringen. Mit Seitenwechsel entwickelte sich die Partie in jene Richtung, die man von Beginn an erwarten durfte. Die Marokkaner verteidigten nun am eigenen Strafraum, die Portugiesen liefen gegen eine Menschenmauer an. Und mit ihnen Cristiano Ronaldo, der für Sechser Neves gekommen war (51.), aber zunächst überhaupt nicht in Erscheinung treten sollte. Auch nicht als Kopfballungeheuer bei den zahlreichen Ecken und Freistößen, die den Portugiesen zugesprochen wurden. Die meisten Bälle waren bei Torhüter Bono gut aufgehoben. Auch der Schuss von João Félix nach Doppelpass mit Ronaldo (83.).
Dem großen Favoriten lief allmählich die Zeit davon. Und tatsächlich: Das bisher beste Offensivteam des Turniers sollte nach bisher zwölf Treffern kein 13. Tor erzielen. Auch nicht Ronaldo, der noch seine Chance erhielt. Doch auch er scheiterte an Torhüter Bounou (91.).
Stattdessen hätte Aboukhlal auf der anderen Seite gar das 2:0 erzielen müssen (96.). Egal, ein Treffer sollte den Marokkanern reichen an diesem Abend. Nach 98 Minuten war die Sensation perfekt: Marokko ist das erste Team aus Afrika in einem WM-Halbfinale.