Barisics langer Weg zur Bildungsreise
Rapid-Trainer Zoran Barisic konnte seit seiner Bestellung im April mit dem billigsten Kader seit vielen Jahren einige Pluspunkte sammeln: die Qualifikation für die Europa League, vier Spiele in der Gruppenphase ohne Niederlage, der erste Derbysieg nach zehn erfolglosen Versuchen und – was ihm besonders wichtig ist – es gibt eine klare spielerische Steigerung.
Sollte die Erfolgsserie auch gegen Innsbruck im Hanappi-Stadion (19 Uhr) anhalten, wäre Rapid (Sabitzer ist wieder angeschlagen) schon elf Pflichtspiele in Folge ungeschlagen.
Einen echten Bundesliga-Trainer macht all das aus Barisic freilich noch nicht: Der 43-Jährige hat offiziell den Status eines Auszubildenden. Erst am Dienstag saß der Ex-Amateure-Coach während des Rapid-Trainings bei einem Kurs für die UEFA-Pro-Lizenz. Am Mittwoch durfte er wegen des Abschlusstrainings für die Partie gegen Thun die Fortbildung früher verlassen.
Um auch in der kommenden Saison die Hütteldorfer trainieren zu dürfen, fehlt noch etwas Entscheidendes: eine Woche Hospitation bei einem internationalen Klub samt Bericht über die Arbeitsweise der Kollegen im Ausland. Denn Barisic besucht zwar laufend den Kurs für die UEFA-Pro-Lizenz, abschließen kann er seine Ausbildung aber nur nach dieser Studienreise (siehe unten).
„Bis Ende April bleibt mir dafür noch Zeit“, erzählt Barisic, dem Fortbildung eigentlich besonders wichtig ist: „Aber ich habe dafür momentan einfach keine Zeit. Da ich auch bei einem Spiel des ausgewählten Klubs vor Ort sein soll, fallen die Länderspielpausen als Zeitfenster weg.“
Philosophie-Frage
Barisic stellt an sich den Anspruch, bei seiner Hospitation nicht nur einem starken Trainer über die Schulter zu schauen, sondern auch für Rapid viel mitzunehmen: „Es geht mir um eine einheitliche Philosophie. Am liebsten würde ich nach Holland oder Spanien fahren. Twente Enschede, Heerenveen oder Bilbao leben das vor, was wir bei Rapid umsetzen wollen.“
Also Talente möglichst gezielt fördern, mit Plan an die Kampfmannschaft heranführen und so ins Team einbauen, dass der lukrative Verkauf der besten Spieler keine großen Lücken hinterlässt.
Durch den Spielplan der aktuellen Saison geht sich selbst knapp vor Weihnachten keine Auslandswoche aus: Rapid tritt noch am 18. Dezember in Graz an. Barisic bleiben zwei Auswege: Entweder er pfeift auf seine Ideale, nutzt den dichten englischen Spielplan und besucht während des Winterurlaubs einen Klub aus der Premier League – der aber nicht als Ausbildungsverein durchgeht. Oder er verlässt sein Team während der Frühjahrsvorbereitung. „Das wird es wohl werden. Ich weiß, dass ich mich auf meine Assistenten verlassen kann. Carsten Jancker und Thomas Hickersberger sind dann gleichberechtigte Trainer. Sie stehen für mich auf der gleichen Stufe.“
UEFA-Pro-Lizenz. Das ist das Höchste, das ein Trainer in Österreich erreichen kann – und auch muss, wenn er einen Verein der höchsten Spielklasse trainieren will. Die Bundesliga duldet es aber auch, wenn jemand gerade in Ausbildung ist. Dauer: zwei Jahre.
Nach Kinder- und Jugendtrainer, UEFA-B- und UEFA-A-Lizenz ist mit der Pro-Lizenz den Trainergipfel erreicht. Seit 2013 versuchen dies neben Barisic auch die Ex-Profis Michael Baur und Gregor Pötscher sowie Basel-Co-Trainer Markus Hoffmann, ein Salzburger.
Pro Kurs werden 14 Trainer zugelassen. Die Kandidaten bekommen Punkte für Spieler- und Trainerkarriere, Abschneiden bei der A-Lizenzprüfung und eine Potenzialanalyse des Sportpsychologen Günter Amesberger. Die ersten Zehn sind fix im Kurs, ÖFB und Bundesliga können danach bei je zwei Personen in die Reihung eingreifen. So waren einst zum Beispiel Herzog oder Wohlfahrt vorgereiht worden, ihnen hatten die Punkte aus der Trainerkarriere gefehlt.
Für die Pro-Lizenz sollten die Anwärter zumindest ein Jahr als A-Lizenz-Trainer gearbeitet haben. „Cheftrainer in einer Regionalliga, in einer Akademie oder Assistent bei einem Profi-Klub sollten die Anwärter aber schon sein“, sagt Thomas Janeschitz. Der Ex-Profi ist im ÖFB für die Trainerausbildung verantwortlich. „Wir haben aber auch die Bedeutung der Spielerkarriere reduziert“, sagt der 47-Jährige. Früher durften verdiente Profis drei Stufen der Ausbildung überspringen und gleich die A-Lizenz machen. Jetzt dürfen sie nur noch auf die Nachwuchsarbeit verzichten und können – wie Rapids Hofmann – auf Anhieb die B-Lizenz machen.
Sie kennen und schätzen einander aus gemeinsamen Zeiten beim FC Tirol, und doch könnten ihre Sorgen vor dem Sonntagabendspiel der Bundesliga in Hütteldorf unterschiedlicher kaum sein: Während Rapid-Coach Barisic in der Offensive die Qual der Wahl hat und seine Truppe nach den jüngsten Siegen gegen Salzburg und Thun vor Selbstvertrauen strotzt, ist Roland Kirchler bei seinen kriselnden Innsbruckern derzeit vor allem als Psychologe gefragt.
Nur dank des Acht-Punkte-Abzugs für Konkurrent Admira stehen die Tiroler nicht an der letzten Stelle der Tabelle. Seit Anfang August gab es lediglich einen Sieg in einem Pflichtspiel, zuletzt setzte es gegen die Austria ein 0:5-Heimdebakel. „Wichtig wird sein, dass wir das Zentrum dichter machen, was zuletzt unsere Achillesferse war“, sagte Kirchler.
Leicht wird das Unterfangen beim Rekordmeister nicht – das besagt auch die Statistik: Seit 1999 warten die Innsbrucker auf einen Sieg im Hanappi-Stadion. Kirchler: „Wir hoffen trotzdem, dass wir gegen Rapid etwas mitnehmen, um Selbstvertrauen für die anstehenden, für uns sehr wichtigen drei Spiele zu tanken.“ Vor der Winterpause kommen noch Grödig, Sturm und Salzburg in den Tivoli, die Admira bittet in zwei Wochen noch zum beinharten Kellerduell.
Zukunftsmusik. Vor den Rapidlern zeigte der 43-jährige Kirchler großen Respekt: „In der Offensive sind sie extrem gefährlich, da sind sie wirklich gut besetzt.“ Was vor manchen Duellen als pures Understatement aufgefasst werden darf, ist heute, Sonntag, im Hanappi-Stadion in jedem Fall bittere Realität.