Sport/Fußball

ÖFB-Team: Aller Anfang wird wieder schwer

Und schon wieder spielt Österreich eine Qualifikation, diesmal für eine Weltmeisterschaft. Der lange und harte Weg nach Russland 2018 beginnt heute (18 Uhr MESZ/live auf ORFeins) in Tiflis mit dem Gastspiel in Georgien. Vorausgesetzt, man möchte ernsthaft um den Gruppensieg mitspielen, stehen Teamchef Marcel Koller und seine Spieler vor einem Pflichtsieg, von dem freilich – außer dem stets ehrlich-direkten Martin Hinteregger – niemand im Lager der Österreicher offiziell sprechen will.

Da ist sie schon wieder, die Drucksituation. So wie bei der EURO gegen Ungarn, wenngleich der Druck in Bordeaux drei Mal so groß war wie vor jedem der zehn kommenden Qualifikationsspiele. In Frankreich war Österreich unter anderem an der Psyche gescheitert, in Tiflis wird sich weisen, wie weit man aus den sommerlichen Erfahrungen gelernt hat. Teamchef Marcel Koller zeigte sich gestern vor zehn georgischen TV-Stationen nach der Trainingswoche optimistisch: "Freude und Euphorie sind wieder da, jetzt werden wir den Weg weitergehen."

Trendumkehr

Auf die vergangene Qualifikation, jene erfolgreiche für die EM in Frankreich, wurde zuletzt stets verwiesen, wenn es um die Formulierung der Ziele für die nähere Zukunft ging. Doch seit dem finalen Sieg über Liechtenstein ist viel passiert, Koller und seine Auserwählten konnten in acht Spielen nur zwei knappe Siege feiern (jeweils 2:1 gegen Albanien und Malta) und gingen gleich fünf Mal als Verlierer vom Platz. Aus dem vermeintlichen Ausrutscher (Niederlage gegen die Schweiz im November 2015) entwickelte sich ein Trend, der als solcher zu spät wahrgenommen wurde. Diesen gilt es nun in Georgien umzukehren.

Das meinte gestern auch der neue Teamkapitän Julian Baumgartlinger: "Für uns ist es wie ein Reset-Knopf. Wir wollen wieder unser Quali-Gesicht zeigen. So wie sich alle in der Woche präsentiert haben, kann ich sagen, dass wir bereit sind für eine neue Aufgabe."

Spiel ohne Favoriten

Österreich geht ohne Wenn und Aber dennoch als leichter Favorit ins Spiel, auch wenn Koller dieser Rolle keine Bedeutung beimisst. "Ob wir Favorit sind oder Georgien, wird auf den Spielausgang keinen Einfluss haben."

Koller wird personell wohl keine großen Experimente machen, möchte er seinem Naturell treu bleiben. Suttner verteidigt aller Voraussicht nach statt des zurückgetretenen Fuchs. "Sutti ist schon fünf Jahre dabei und weiß, wie zu spielen ist." Auf der rechten Flanke hat er die Wahl zwischen Harnik, Sabitzer, Schöpf und Schaub. Setzt Koller auf Harnik, dann vertraut er abermals der EURO-Startelf.

Die Partie könnte leicht zu einem Geduldsspiel ausarten. Da die Georgier, die im Juni gar Spanien geärgert und besiegt haben, gerne in die Verteidigungsrolle schlüpfen. Auch daheim vor eigenem enthusiastischen Publikum hinterlistig auf Kontermöglichkeiten lauern. Koller hofft, "dass sie mit den Fans im Rücken auch Fußball spielen wollen".

Weniger ist mehr

Vielleicht ist eine Lehre aus der EURO, dass Österreich nicht absolut die Rolle des Spielgestalters annehmen muss. Baumgartlinger meinte im Rückblick auf das erste EURO-Spiel: "Vielleicht hätten wir uns mit einem Punkt zufriedengeben sollen." Vergangenheit. Nun zählt nur noch die Gegenwart. "Unser Ziel ist es, zu alter Stärke zurückzufinden", wünscht sich Marcel Koller. Sein Gegenüber, Georgiens Teamchef Vladimir Weiss, gibt sich auch bescheiden: "Wir wollen einfach nur überraschen."

Rund 200 österreichische Fans werden das Team heute in Tiflis live vor Ort lautstark unterstützen. Sie reisten fliegend mit Zwischenstopps über Kiew, Istanbul und Riga an.

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"Tiflis hat sich schon verändert im Laufe der Jahre." Marcel Koller mimte gestern den georgischen Medienvertretern gegenüber den charmant-höflichen Gast, als er auf ein Duell aus dem Jahr 1977 angesprochen wurde.

Der erst 17-jährige Koller gastierte damals mit den Grasshoppers aus Zürich im UEFA-Cup bei Dinamo Tiflis, stand bei den Schweizern aber nicht im Kader für das Spiel. Damals hätte er auch nicht gedacht, 2016 zurückzukehren – als Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft. Die Grasshoppers stiegen gegen Tiflis auf.

Auch Herbert Prohaska, Ex-Teamchef und heute ORF-Experte, feierte in Tiflis in derselben Saison 1977/’78 zwar keinen Erfolg, schließlich aber dennoch einen Triumph: Mit der Austria traf er im März 1978 in der damals erst neu erbauten Dinamo-Arena auf Dynamo Moskau, weil das Wetter in der russischen Hauptstadt eine Verlegung der Partie erzwungen hatte. Die Austria verlor zwar 1:2, setzte sich im Cup der Cupsieger im Halbfinale aber dennoch knapp gegen Dynamo durch.

Prohaskas Erinnerungen an die Arena von Tiflis sind im Laufe der Jahre etwas trüb geworden: "Ich weiß nur, dass es eine Laufbahn gab und dass das Stadion voll war." Auch diesmal wird die Dinamo-Arena gut gefüllt sein: Der georgische Verband erwartet rund 40.000 Fans.

Der Fußball-Nation Georgien mag noch vieles fehlen. Optimismus ist jedenfalls keine Mangelware: Vor dem Spiel gegen Österreich wird offen mit einer Überraschung spekuliert. Da tut es auch nichts zur Sache, dass Teamchef Vladimir Weiss mit Personalsorgen zu kämpfen hat. Neben Rapid-Legionär Giorgi Kvilitaia muss er auf drei weitere Leistungsträger (Kankawa, Mchedlidse, Aburjania) verzichten.

"Das ist in etwa so, als wenn bei Österreich Alaba, Arnautovic und Harnik nicht spielen könnten", hatte der Trainer einen anschaulichen Vergleich parat.

An Georgiens positives Abschneiden glaubt der Slowake trotzdem: "Wenn wir das Spiel taktisch und emotional richtig angehen, können wir erfolgreich sein." Das heißt, ein Einigeln komme nicht infrage, "nur mit Defensive ist es unmöglich, ein gutes Ergebnis zu erreichen". Natürlich müsse man sich in Acht nehmen vor Alaba, Arnautovic oder Dragovic. Doch Weiss erklärt: "Wir haben Respekt vor ihnen, aber keine Angst." Georgien beendete übrigens die EM-Qualifikation als Vorletzter vor Gibraltar. Allerdings gelang ein Heimerfolg über Schottland. Für Aufsehen sorgte ein Test im Juni, als die Spanier in Getafe mit 1:0 besiegt werden konnten. In der FIFA-Weltrangliste liegt das 3,7-Millionen-Einwohner-Land auf Platz 118 (Österreich: 22.).

Für den Slowaken Weiss bedeutet das Heimspiel gegen die Österreicher die Premiere als georgischer Teamchef. Mit der Unterstützung von 40.000 Fans in der Boris-Paichadse-Dinamo-Arena darf Weiss rechnen.