Sport/Fußball

England-Goalie Pickford bricht bei der EM mit einer Tradition

„Calamity-James“, der „Pannen-James, heißt mit Vornamen David und bekam seinen Spitznamen wegen seiner Leistungen als Tormann des englischen Nationalteams. Neun Jahre jünger als der 50-Jährige ist Paul Robinson, „Miss Robinson“ genannt, schlug bei der Qualifikation für die EM 2008 gegen Kroatien bei einem Rückpass ein Luftloch. Beim Rückspiel rutschte Scott Carson ein harmloser Weitschuss durch die Handschuhe. Englands Fußball verbindet man mit miesen Elferschützen und Fehlgriffen von Tormännern.

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Die Pannenserie fing bei der WM 1990 mit Peter Shilton an. Auf ihn folgte David Seaman, der sich im Strafraum immer wieder gerne verflog. Dann kam das Trio Robinson, Carson und Robert Green, der sich bei der WM 2010 gegen die USA einen groben Patzer leistete.

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Die Misere ist hausgemacht. Einerseits verzichtete man lange Zeit im Mutterland des Fußballs auf spezielles Tormanntraining. Andererseits verzichten noch heute die Topklubs der Premier League auf englisches Personal zwischen den Pfosten.Gareth Southgate hat im EM-Kader Sam Johnstone von West Bromwich, Aaron Ramsdale von Sheffield United und Jordan Pickford von Everton.

Und der ist einer, der endlich hinten für Sicherheit sorgt. Seine Reflexe sind top, mit den Füßen, egal ob links oder rechts, ist er überragend. Dennoch hat Pickford in Experten-Kreisen Kritiker. Auch in der Heimat hat der „nur“ 1,85 m große Pickford, nicht nur Befürworter. Seine Strafraum-Beherrschung sei verbesserungswürdig, heißt es.

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Und seine Ausraster – auf und neben dem Platz – geben zu reden.

Der 27-Jährige wurde in Washington geboren, eine Stadt im Nordosten von England in der Nähe von Sunderland. Dort besuchte er 2019 ein Pub und wurde prompt in eine Schlägerei verwickelt.

Im Oktober 2020 sorgte er wieder für Aufregung. Er grätschte Liverpools Top-Verteidiger Virgil van Dijk um. Der Niederländer fiel wegen einer schweren Knieverletzung die komplette Saison aus und musste sogar für die EM passen. Pickford sah für sein Foul nur Gelb. Der Unmut der Liverpool-Fans aber war so groß, dass der Goalie die Polizei einschalten musste. Er erhielt Morddrohungen. Jordan, seine Frau Megan und sein damals einjähriger Sohn mussten von Bodyguards beschützt werden. „Du lernst daraus, wie du aus allem lernst“, sagt Pickford rückblickend. Ein Sportpsychologe habe ihm seither geholfen, erzählte der Keeper kurz vor der EM. Mit dessen Unterstützung sei er zu einem „besonneneren Torwart“ geworden.

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Dieser neue Pickford ist nun schon seit 697 Minuten ohne Gegentreffer. Im englischen Tor hat er zuletzt im November hinter sich greifen müssen. Egal, ob die Engländer ihn mögen oder nicht. Er lässt die Insel träumen. Er ist die erste englische Nummer eins seit Weltmeister-Goalie Gordon Banks 1966, der es geschafft hat, bis ins Halbfinale einer Welt- oder Europameisterschaft kein Gegentor zu kassieren.