WM-Serie, Teil 30: Phantomtor bescherte Panama einen Feiertag
Es ist das Skandal-Tor der WM-Qualifikation: Panama braucht im letzten Spiel gegen Costa Rica unbedingt einen Sieg, liegt zur Halbzeit aber 0:1 zurück. Kurz nach der Pause kommt es nach einem Eckball für Panama zu einem Gestocher im Fünfer, ehe ein Costa Rica-Verteidiger noch klar vor der Torlinie klären kann. Doch der Schiedsrichter aus Guatemala entscheidet zur Verwunderung aller auf Tor. Offizieller Torschütze ist Gabriel Torres. Der kann sein Glück kaum fassen. Zwei Minuten vor Schluss trifft Verteidiger und Kapitän Román Torres zum 2:1 und versetzt damit nicht nur das Stadion, sondern das ganze Land in Ekstase. Die Mannen vom Panamakanal sind zum ersten Mal für eine WM-Endrunde qualifiziert. Auch weil die USA zeitgleich in Trinidad und Tobago überraschend verliert.
Feiern wie bei WM-Titel
In Russland treffen die „Canaleros“ – die Kanalmänner – auf England, Belgien und Tunesien. Gegnüber der BBC sagte Román Torres: „Viele glauben, Panama wird bei der WM straucheln, aber wir Spieler sehen das anders. Wir denken nur daran, uns möglichst gut zu verkaufen.“ Im kleinen zentralamerikanischen Land ist die Teilnahme ohnehin fast genauso viel wert wie woanders ein WM-Titel. Gefeiert wurde sie auf jeden Fall so. Noch in der Nacht des Triumphes gegen Costa Rica, dem 11. Oktober, unterzeichnete Staatspräsident Juan Carlos Varela das Dekret, das den Tag der Qualifikation zum nationalen Feiertag erklärte. Dabei trug er den Trainingsanzug der Nationalmannschaft und twitterte danach euphorisch: „Zelebriert diesen historischen Tag! Das ist Euer Tag! Es lebe die Mannschaft! Es lebe Panama!“
Meister mit Ivanschitz
Die meisten Nationalspieler kicken in ihrem Heimatland, dazu kommen Legionäre aus den USA, Kolumbien und Argentinien. In der Abwehr stehen mit Fidel Escobar und Manuel Murillo zwei Teamkollegen von Daniel Royer bei den New York Red Bulls im Aufgebot, Román Torres gewann 2016 mit Andreas Ivanschitz und den Seattle Sounders die amerikanische Meisterschaft. Bauen kann Panama vor allem auf seine Erfahrung. Im Kader sind gleich sechs Spieler mit mehr als 100 Länderspielen, fast die Hälfte ist über 30 Jahre alt. Damit hat Panama das älteste Team bei der WM.
Die schwachen Testspielergebnisse (u.a. 0:6 gegen die Schweiz) lassen panamaische Überraschungen bei der WM eher unwahrscheinlich erscheinen. In einem Land, in dem Fußball vor kurzem noch auf Baseballplätzen gespielt wurde, sind die Erwartungen aber ohnehin gering. Und vielleicht bescheren die Canaleros ihrem Land in Russland ja doch den ein oder anderen Feiertag mehr.
MARKUS PONWEISER