Sport/Fußball-EM

Ausnahmezustand: Island feiert seine Helden

Vor dem entscheidenden Gruppenspiel der Isländer gegen Österreich am vergangenen Mittwoch machte in den sozialen Medien eine nicht ganz ernst gemeinte Auseinandersetzung mit dem isländischen Kader die Runde. Demnach setze sich das isländische Team nach dem Ausschlussprinzip zusammen: Rund 334.000 Einwohner minus die Frauen, die Vulkan-Beobachter in ständiger Bereitschaft, die beim Walfang Unabkömmlichen, die Einbeinigen, die Blinden und so weiter. Bleiben am Ende 23 Isländer.

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23 Isländer, die die Fußballwelt derzeit aus ihren Angeln heben, die die Hauptrollen im größten Fußball-Märchen der EURO 2016 spielen. Die Sympathien fliegen den Isländern dank ihrer leidenschaftlichen Auftritte nur so zu.

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Auf und neben dem Platz eine Einheit, jeder für jeden. So wollen sie sich geben, so wollen sie sein - und so spielen sie. In Perfektion.

Das nächste Spiel ist immer das allergrößte. Mit dieser Einstellung gehen sie es an, seit sie in der Qualifikation die Chance auf eine Teilnahme an der EURO witterten.

"Wir zählten die Sekunden"

"Das Ziel war, die Gruppenphase zu überstehen. Als wir dann England vor uns sahen, hofften wir, eine Chance zu haben. Sie haben Spieler, die wir sonst am TV bewundern", sagte Torschütze Ragnar Sigurdsson nach dem Sensationssieg. "Aber wir hatten einen Plan und wollten siegen. Wir glaubten an uns. Wie wir uns am Ende fühlten? Wir zählten die Sekunden. Dann der letzte Corner. Dann der Schlusspfiff. Das war der größte Moment meiner ganzen Fußballkarriere."

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Getragen von dieser "Einmal-im-Leben"-Euphorie stürmen die Isländer von Sensation zu Sensation. Und in die Herzen der Fußballfans - weit über Islands Grenzen hinaus. "Wir haben hart gearbeitet und wurden belohnt. Es ist wunderbar, Teil dieser tollen Geschichte zu sein. Wir verbesserten uns bisher von Spiel zu Spiel. Wir haben gegen England gezeigt, wozu wir in der Lage sind. Wir haben England besiegt, wir können auch Frankreich schlagen", sagt Birkir Bjarnason, Teamkollege von Marc Janko beim FC Basel.

"Mehr Vulkane als Fußballer"


"Die schlimmste Niederlage in unserer Geschichte. England wurde besiegt von einem Land, das mehr Vulkane als professionelle Fußballer hat. Gut gespielt, Island", twitterte die englische Fußball-Legende Gary Lineker.

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Während in England - wie so oft bei einem großen Turnier - die Presse nach einem frühzeitigen Ausscheiden tobt (mehr dazu hier), herrscht in Island Ausnahmezustand.

Party in Island

In der Hauptstadt Reykjavik wurde am Montagabend stürmisch gefeiert. Mehr als 10.000 Frauen, Männer unter 18 und Männer über 35, beim Walfang Unabkömmliche und Vulkan-Beobachter in ständiger Bereitschaft sowie Schaf-Scherer, Einbeinige und Blinde, alle gewandet in Island-Blau - einige von ihnen mit Wikingerhelmen auf dem Kopf - kreischten und hüpften nach dem sensationellen Sieg gegen England auf dem Hügel Arnarholl in der Innenstadt.

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Hierher war das Public Viewing vom zentralen Ingolfstorg verlegt worden, weil dort nicht mehr genug Platz für alle Fußballfans war. Die Straßen in der Innenstadt waren wegen der erwarteten Menschenmassen während des Spiels gesperrt.

Viele Isländer waren angesichts des EM-Erfolgs ihrer Mannschaft fassungslos. "Ich kann es einfach nicht glauben", sagte ein Fußballfan. Während Fernsehkommentator Gudmundur Benediktsson, der sich beim Achtelfinal-Einzug der Isländer mit dem Sieg über Österreich in Ekstase geschrien hatte, am Montag wieder bei Stimme war und erneut euphorisch mitfieberte, dürften viele Fans am Dienstag heiser sein.

Und die Spieler? Dürfen auch die ein bisschen feiern? „Wir reden in der Öffentlichkeit nicht über Alkohol", sagte Torschütze Sigurdsson - und entschwand schmunzelnd.

Das Spiel in Bildern