Sport

Existenzsorgen nach Contador-Affäre

Ein wenig bizarr mutete die Szenerie schon an: Da stellte sich Alberto Contador dieser Tage dem französischen Fernsehsender France 2, und dann sagte der Spanier doch allen Ernstes: "Es ist klar, dass es keinen Platz für Betrüger gibt." Schon gar nicht im Radsport, da sollte es eine "Null-Toleranz-Politik" gegenüber Dopern geben.

Contador? Richtig, das ist jener Herr, in dessen Körper Clenbuterol gefunden wurde, ein Präparat, das dabei hilft, Fett ab- und Muskeln aufzubauen und in geringerem Umfang auch Gewichtsabnahme zur Folge hat. Alles recht angenehme Effekte für Radsportler, und woher die seltsam hohen Werte an Plastik-Weichmachern in Contadors Körper stammten, das war für die Dopingfahnder auch von Interesse.

Ersteres erklärte Contador sowohl im Verfahren des spanischen Verbandes (das mit einem Freispruch endete) als auch später in jenem vor dem Internationalen Sportgerichtshof mit dem Verzehr eines verunreinigten Kalbssteaks, Zweiteres erklärte Contador nicht. Schließlich setzte es im heurigen Februar zwei Jahre Sperre für den 29-Jährigen, dazu die Aberkennung des Tour-de-France-Sieges aus dem Jahr 2010, als Contador die auffällige Probe abgegeben hatte, sowie aller folgenden Ergebnisse wie etwa dem Giro-d’Italia-Sieg 2011.

So recht verstehen kann Alberto Contador noch immer nicht, was da passiert ist: "Ich habe dem Reglement entsprechend gehandelt und sie haben gesagt, der Sieg gehört mir nicht. Das ist Unrecht." Rechtens ist hingegen, dass er seit August wieder fahren darf; seine aufgrund der Sperre kurze heurige Saison krönte er mit dem Sieg bei der Vuelta.

Lizenz-Zweikampf

Dieser Erfolg brachte seinem Team SaxoBank-Tinkoff einen Hoffnungsschimmer, denn mit Ende dieses Jahres läuft die (erstklassige) Lizenz für die UCI World Tour aus. Ohne diese dürfte der Rennstall kaum überlebensfähig sein; eine neue zu bekommen, ist aber kein Selbstläufer, denn das Team hatte heuer viele Probleme.

Das größte: Die Teamwertung der UCI World Tour weist SaxoBank-Tinkoff erst an 15. Stelle unter den 18 Rennställen aus. Und in der alljährlichen Bewertung des sportlichen Werts aller Profi-Teams durch den Weltverband UCI landete man gar nur an 20. Stelle. Ein Grund dafür heißt Alberto Contador: Er wurde im August 2010 geholt, um jene Lücke zu schließen, die der Abgang der luxemburgischen Gebrüder Schleck und des Schweizers Fabian Cancellara zum neuen Projekt Leopard-Trek gerissen hatte. Mit der Verpflichtung des Spaniers hofften die Verantwortlichen, die fehlenden Punkte für die Teamwertung zu erhalten. Das hat funktioniert – bis zu Contadors Verurteilung.

Nun fehlen SaxoBank-Tinkoff wichtige Punkte, was freilich nicht nur an Contador liegt, sondern vor allem an seinen mäßig erfolgreichen Teamkollegen: Der Teamkapitän allein brachte es seit August auf 290 Punkte, an zweiter Stelle im internen Ranking sind die Herren Majka, Tosatto und Sørensen mit je 30 Zählern notiert.

Daher gibt es nun einen Zweikampf um eine neue ProTour-Lizenz zwischen SaxoBank-Tinkoff und Argos-Shimano, eine Entscheidung wird die UCI demnächst fällen. Und je nachdem, wie diese ausfällt, könnte auch die Tour de France 2013 ohne Alberto Contador stattfinden.