Eine Niederlage in Ehren
Von Stefan Sigwarth
Es gibt angenehmenere Aufgaben als ein Heimspiel bei einstelligen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit, bei dem ein scheinbar übermächtiger Gegner zu bekämpfen ist. Österreichs Rugby-Team stand am Samstagabend Zypern gegenüber, was auf den ersten Blick eine leichte, auf den zweiten Blick aber eine kaum zu lösende Aufgabe war. Die Spieler von der Mittelmeer-Insel stammen nämlich zum großen Teil von den Britischen Inseln und hatten die letzten 15 Spiele nicht verloren, und auch auf der Wiener Hohen Warte begannen sie dort, wo sie seit dem 6. September 2008 (Niederlage in Israel, die einzige der Zyprer in ihrer Teamgeschichte) beginnen: in Siegesgewissheit.
6. Minute 0:5; 7. Minute 0:7. Dann aber drehten die Österreicher auf, kamen zum ersten Penalty-Kick (den Max Navas nicht zwischen die Stangen setzte) und in der 13. Minute zum 5:7 durch einen sehenswerten Angriff samt Try durch Constantin Vana, Navas vergab jedoch die mögliche Two-Point-Conversion.
Nun drehten die physisch überlegenen Gäste auf und zogen bis zur 16. Minute auf 5:24 davon, ehe Navas per Penalty-Kick auf 8:24 stellte. Manuel Polak und Max Navas machten es kurz vor der Pause besser, 13:29 der Zwischenstand, mit 15:32 ging es in die Kabinen. Nach dem Seitenwechsel zog Zypern zunächst auf 15:47 davon, doch die Österreicher hatten sich inzwischen ans Spiel des Gegners gewöhnt und konnten sich mehrfach kurz vor der zyprischen Tryzone festsetzen, allein, es dauerte bis zur 71. Minute und Julian Zöchling, bis die Österreicher ihren dritten Try scorten. Der vierte (der ihnen einen Bonuspunkt beschert hätte), wollte nicht mehr fallen - doch die Mannschaft von Teamchef Gael Mouysset wurde trotz des Endstandes von 20:54 mit Applaus verabschiedet. Denn sie hatten es als erster Gegner seit dem 6. September 2008 geschafft, gegen Zypern drei Trys zu erzielen.
Zum Sieg reichte es freilich nicht, und die Zyprer sind nun schon seit 16 Spielen ungeschlagen.
Teamchef Mouysset war trotz der Niederlage zufrieden. "Bei Zypern waren mindestens drei Spieler dabei, die leicht in einer Profiliga mitspielen können. Im Sommer habe ich einige Spiele der zweiten französischen Liga gesehen - da war kein einziger Spieler von dieser Qualität zu sehen. Sie waren unglaublich stark, schnell und beweglich, sicher der stärkste Gegner, den wir seit dem Deutschland-Spiel hatten." In diesem hatten die Österreicher am 23. April 2005 ein 9:69 kassiert - mit dem 20:54 am Samstagabend legten sie Zeugnis von ihrer Entwicklung ab. Die nächste Gelegenheit dazu gibt's am 6. April 2013 im Heimspiel gegen Ungarn, und dann sollten auch die derzeit verletzten Rudi Glock und Yvan Wever wieder dabei sein.