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Bolt ist lustig. Sehr sogar

Usain Bolt, der schnellste Mann der Welt, läuft am Freitag in der mährischen 300.000-Einwohner-Stadt Ostrau. Irgendwo zwischen Industrieruinen, die an den Eisernen Vorhangs erinnern. Erst recht tun das die rotbraunen Stahlrohrzäune in einem Stadion, in dem sich nicht einmal ein Regionalliga-Klub wohlfühlen würde.

Das Stahlwerk Nová hu hat die Heimatstadt der Tennis-Legende Ivan Lendl zu einer der schmutzigsten Städte Europas gemacht. An den zahlreichen Regentagen überschreiten die Smog-Werte alle Grenzen – auch die naheliegende polnische.

Trotzdem läuft der Spaßvogel hier immer und immer wieder. "Zum ersten Mal haben wir hier Sonnenschein", strahlt Bolt vor seinem ersten Europa-Auftritt in diesem Jahr. Mag sein, dass ein karibischer Sonnyboy diese Ostblock-Tristesse als exotisches Abenteuer empfindet. Welche verborgenen Quellen den finanziellen Durst des Wunderläufers stillen, bleibt ein Geheimnis.

Coole Kappe

Vielleicht hat der 25-Jährige aber auch nur eine masochistische Ader. So trägt er eine Baseball-Kappe der New York Yankees: "Baseball ist fad. Fußball und Football mag ich viel lieber", sagt er. Es ist ihm völlig klar, dass ihm die Baseball-Lobby jetzt wieder auf die schnellsten Zehen der Welt steigen wird. "Ein guter Freund spielt bei den Yankees", sagt er. Sogar ein Training habe er in der Bronx absolviert. "Keiner kann die vier Bases so schnell abklappern wie ich", lacht Bolt. Baseball werde er trotzdem nie spielen.

Cool Running

Ob er auch Eishockey für langweilig hält? Sein Heimatland ist seit der vergangenen Woche Mitglied des Eishockey-Weltverbandes IIHF. "Das ist doch nur so eine Cool-Running-Geschichte", sagt Bolt in Anspielung auf den jamaikanischen Viererbob, der es nach den Winterspielen 1988 in Calgary zu Hollywood-Ehren gebracht hat. "Es gibt nur zwanzig Spieler in Jamaika." Und das Eis wird doch für die Piña Coladas gebraucht.

Nein, er wolle nie Hockey spielen. "Stattdessen werde ich die hundert Meter in 9,4 Sekunden laufen". Dann trommelt er auf das Mikro, um die Fernsehleute zu ärgern, freut sich diebisch, wenn die sich an die Kopfhörer greifen, macht seine inzwischen weltberühmte Pistolenschuss-Bewegung, lacht unmotiviert laut auf, versucht, ernst zu bleiben und zaubert den Beobachtern eine sehr naheliegende Frage ins Gesicht: "Bitte, was raucht dieser Kerl!"

Bolt ist lustig. Sehr sogar. Ernst wird er nur, wenn ihm lustige Fragen gestellt werden: Warum er die dreijährigen Kinder bei einem Show-Lauf zuvor im Stadion nicht besiegen konnte, will ein tschechischer Lokalreporter wissen. Bolts Miene wird finster. Todernst antwortet er: "Weil meine Jeans zu eng sind, weil mir die Baseball-Kappe vom Kopf geflogen wäre, weil ich Angst vor einem Fehlstart hatte."

Bolt ist so amüsant, dass man lang blättern muss in den Geschichtsbüchern der Leichtathletik, um einen Superstar mit vergleichbarem Unterhaltungswert zu finden. Irgendwann stößt man dann vielleicht auf Daley Thompson, den legendären Zehnkämpfer aus London, der heute 56 ist – und als BBC-Experte über Bolt bei den Sommerspielen in London berichten wird.

Stichwort London. "Nein, dort lauf` ich nicht", sagt er völlig unvermittelt – und versetzt die Reporterschar in den Ausnahmezustand. Erst ein sehr breites karibisches Lächeln von Ohr zu Ohr entspannt die Situation.

Cooler Hund

Dabei hat er nicht einmal gelogen: In seiner Wahlheimat England tritt Bolt bei keinem Meeting an. "Aus steuerlichen Gründen", sagt er unverblümt, trommelt erneut aufs Mikro und amüsiert sich über einen Fotografen, der mit dem Stativ einen Kristallluster abräumt. Olympia in London – das sei freilich eine andere Sache. Und: Ja, er habe die Absicht, erneut zum Superstar der Spiele zu werden.

Widerwillig kann Usain ernst sein: Ob er den Fehlstart und die damit verbundene Disqualifikation über 100 Meter bei der WM in Daegu (Korea; 2011) schon verkraftet habe. "Ja", sagt er. "Weil ich genau weiß, wo mein Fehler lag." Er sei mit seinen Start-Zeiten so unzufrieden gewesen, dass er ans Limit gehen wollte. "Und im Finale hab ich dann den Bogen überspannt."

Nervensache?

"Das meinst du doch nicht im Ernst, oder? Ich habe keine Nerven." Und wieder so ein kleiner Trommel-Wirbel.

 

9-mal Gold: Der Wunderläufer Bolt

Olympiasieger Der 1,96 m große Jamaikaner gewann 2008 in Peking Gold über 100 m, 200 m und mit der 4-x-100-m-Staffel.

Weltmeister In allen drei Disziplinen holte er in Berlin 2009 den Titel, in Daegu 2011 gewann er Gold über 200 m und mit der Staffel. 2002 wurde er in Kingston (Jamaika) Junioren-Weltmeister (100 m).

Weltrekordler Bolt stellte 2009 bei der WM in Berlin sowohl mit 9,58 Sekunden (100 m) als auch mit 19,19 (200 m) Fabelweltrekorde auf. Am Freitag startet Bolt beim World-Challenge-Meeting in Ostrava über 100 Meter.

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