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Pöltl hört die lauten Lockrufe der NBA

Mit seinen 2,13 Metern überragt Jakob Pöltl im Normalfall alle. Doch selbst ein Mann seiner Größe kann einmal den Überblick verlieren. In den vergangenen Wochen war der österreichische Basketballer ständig auf Achse: Hier ein Sondertraining, da ein Interview, dort ein Treffen mit Klubverantwortlichen. Los Angeles, Utah, Boston, Milwaukee, New York – jeden zweiten Tag in einer anderen Stadt, eine andere Zeitzone, ein anderes Klima, eine neue Herausforderung. Das ist schon einmal ein kleiner Vorgeschmack darauf, was den 20-Jährigen ab Herbst erwartet. Jakob Pöltl steht als erster Österreicher vor einem Engagement in der NBA, der berühmtesten Basketballliga der Welt. "Ich möchte den nächsten Schritt in meiner Basketball-Karriere angehen, ich fühle mich bereit."

Der spannende Wahltag

Am Donnerstag findet in New York der NBA-Draft statt, die alljährliche Transferbörse, bei der sich die NBA-Klubs die Rechte an den besten Jungbasketballern sichern können – und bei der sich auch der weitere sportliche Werdegang von Jakob Pöltl entscheiden wird.

Der NBA-Draft ist jedes Jahr ein groß aufgezogenes Spektakel in bester Hollywood-Manier. Das US-Fernsehen überträgt live aus dem Barclays Center in Brooklyn, das für europäische Verhältnisse ungewöhnliche Procedere sorgt für zusätzliche Spannung. Denn es sind nicht die Spieler, die hier über ihre Zukunft entscheiden dürfen – die Vereine bestimmen, wo’s langgeht (siehe Infokasten). "Es ist das erste Mal in meiner Karriere, dass ich die Entscheidung nicht selbst treffen kann", weiß Jakob Pöltl.

Der 20-jährige Österreicher zählt beim diesjährigen NBA-Draft zu den größten Objekten der Begierde, nachdem er sich in den beiden Saisonen in der US-College-Meisterschaft im Trikot der Runnin’ Utes einen Namen gemacht hatte. Für seine Leistungen wurde er zuletzt mit Auszeichnungen überhäuft, auf der Center-Position ist der Österreicher im Draft-Ranking sogar die Nummer eins im Land.

Längst erntet Pöltl keine fragenden Blicke mehr, wenn er sagt, woher er kommt. "Manche haben am Anfang ja nicht gewusst, wo Österreich ist. Einige haben sogar nicht einmal gewusst, dass es Österreich überhaupt gibt."

Der neue Stern

Die Experten prophezeien dem 20-Jährigen eine große Karriere. Die österreichische Antwort auf Dirk Nowitzki wurde Pöltl bereits genannt, die Gazzetta dello Sport widmete dem Wiener erst vor wenigen Wochen einen ganzseitigen Artikel. Vielsagender Titel: "Der neue Stern vom fernen Planeten Österreich."

"Die vergangenen beiden Jahre waren unglaublich", sagt Jakob Pöltl. Sein märchenhafter Aufstieg zu einem der begehrtesten Basketballer ist auch die Geschichte eines jungen Sportlers, der seine Karriere wie auf dem Reißbrett geplant hat. Schon in jungen Jahren ist Pöltl sehr strategisch und zielstrebig vorgegangen: Als ihm einige Experten bereits im Vorjahr zur Anmeldung für den NBA-Draft rieten, winkte er ab. "Das wäre zu früh gekommen. Ich wäre damals noch nicht bereit gewesen."

Die wichtigen Ratgeber

Bei all seinen Karriereplänen und Entscheidungen zählen die Eltern, beide ehemalige Spitzensportler, zu den wichtigsten Ratgebern. So war es nun auch die Mutter, die für Pöltl eine Agentur auswählte, die den Basketballer auf dem Weg in die NBA begleiten soll. Dank der Kontakte des Managements, bei dem auch Hollywood-Schauspieler und Fußballstars unter Vertrag stehen, durfte Pöltl in den vergangenen Wochen bei mehreren NBA-Klubs vorspielen, und er konnte sich so ein Bild von möglichen künftigen Arbeitgebern machen.

Daneben legte Jakob Pöltl Sonderschichten ein, um auch körperlich für die NBA gerüstet zu sein. "Da hast du dann ja über 80 Spiele in einer Saison, das ist ein anderes Level. Ich habe mit vielen Coaches darüber gesprochen, wie man das durchsteht. Auf und neben dem Spielfeld", erklärt der Wiener.

Die große Herausforderung

Die Tage vor dem NBA-Draft sind für den Österreicher "superaufregend". Vor der Entscheidung am Donnerstag muss Jakob Pöltl in New York noch einen Interview-Marathon absolvieren, im 30-Minutentakt warten Termine. Die Eltern fliegen in die USA, sie wollen dabei sein, wenn rot-weiß-rote Sportgeschichte geschrieben wird. Ein österreichischer Basketballer in der NBA – "das klingt ein wenig verrückt."

Doch Jakob Pöltl wäre nicht Jakob Pöltl, würde er nicht schon einen Schritt weiterdenken. Ihm ist klar, dass der Draft nur ein erstes Etappenziel ist. "Das Schwere ist es ja nicht, in die NBA zu kommen", weiß Pöltl. "Das Schwierige ist es, in der NBA zu bleiben."

NBA-Draft-Party: Im TGI Friday’s (Schubertring 13, 1010 Wien). Donnerstag ab 23.30 Uhr, Live-Übertragung aus New York.

Wie in allen nordamerikanischen Major Leaguesregelt auch im Basketball das Draft-System den Nachschub mit Nachwuchsspielern. Jeder der 30 NBA-Klubs darf sich in zwei Runden für je einen jungen Athleten entscheiden, der auf dem College war.

Um die Liga spannend zu halten, haben zuletzt schwächere Teams ein früheres Wahlrecht. Um zu verhindern, dass ein Klub ohne Play-off-Chance absichtlich schlecht spielt, entscheidet ein Lotterie-System über die exakte Setzliste der Klubs. Wird ein Spieler im ersten Durchgang ausgewählt, muss er mindestens einen Einjahresvertrag bekommen; kommt er in Runde zwei zum Zug, gehört er drei Jahre dem Klub – er muss aber nicht sofort einen Vertrag erhalten.

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Einer der besten Drafts der letzten Jahre war jener von 2003 mit LeBron James (Cleveland, im Bild li.) und Carmelo Anthony (NY Knicks).