"Ich bin ein ganz anderer Mensch"
Als „Der letzte Bulle“ (Sat.1) ist Henning Baum – auch in Österreich, wie die Quoten zeigen – ein Publikumsliebling. Im Interview spricht der KURIER-ROMY-nominierte Schauspieler über seine Paraderolle als kräftig-kerniger Bulle aus den 80er-Jahren.
KURIER: In Interviews werden Sie oft gefragt, wie Sie sich als Sexsymbol fühlen ...
Henning Baum: Diese Fragen sind eher ein bisschen boulevardmäßig und dem Effekt geschuldet.
... ich wollte daraus eigentlich eine andere Frage ableiten: Wie stehen die Männer zu Ihnen beziehungsweise zu Ihrer Serienfigur Mick Brisgau?
Das sind zwei Fragen. Auf mich reagieren sie, wie sie immer reagiert haben. Das ist ein ganz normaler, freundlicher, heiterer Umgang. Und was die Rolle angeht, weiß ich, dass viele Männer die Serie sehr gerne sehen. Es ist kein Frauenprogramm.
Brisgau repräsentiert ein altmodisches Männerbild. Bekommen Sie dahingehend bestätigende Zuschriften? Geben Sie Männern Orientierung?
Ich glaube, Männer machen sich nicht die Mühe, das Thema Orientierungslosigkeit so vor sich auszubreiten. Das wird ihnen unterstellt. Es mag schon den einen oder anderen geben, der tatsächlich orientierungslos ist, aber dass der sich dann ausgerechnet an einer Kunstfigur orientiert, halte ich für ausgeschlossen.
Ich muss hart dran arbeiten, dass sie mir leichtfällt.
Wie machen Sie das?
Indem ich mir schon sehr früh die Situation vor Augen führe, in der er steckt, und dann eine Art inneren Film starte. Und dann bleibt der Film an bestimmten Stellen stehen, wo er nicht deutlich genug ist. Und da merke ich: Hier stimmt was nicht, hier müssen wir nacharbeiten. Im nächsten Schritt überlege ich, welche Mittel mir zur Verfügung stellen, um das umzusetzen. Manchmal auch solche, die man nicht erwartet – und dann kommt es zu diesen Momenten, in denen Brisgau uns überrascht. Er hat kein stereotypes Verhaltensmuster.
Wie wichtig sind Kollegen bei diesem Prozess?
Sie müssen sich das vorstellen wie einen Boxkampf. Es bringt nichts, wenn Sie Mike Tyson gegen einen mittelmäßigen Boxer in den Ring schicken. Den hat der in zehn Sekunden umgehauen. Es müssen zwei Boxer da sein, die auf Augenhöhe kämpfen. Dann entsteht ein spannender Kampf.
Ihr Arbeit ist wie ein Kampf?
Nein, mehr wie ein Tanz. Man braucht einen Partner, der Impulse aufnehmen und wieder zurückgeben kann. Das funktioniert beim „Letzten Bullen“ sehr gut.
In der öffentlichen Wahrnehmung verschwimmen Sie oft ein bisschen mit der Rolle des Mick Brisgau.
Das ist ja zwangsläufig so. Weil die Leute mich natürlich privat nicht kennen. Der Kopf ergänzt das dann mit den Bildern, die er hat. Ich bin ein ganz anderer Mensch. Ich kann natürlich auch nur begrenzt Einfluss darauf nehmen, wie die Öffentlichkeit mich privat sieht. Ich bin auf Journalisten angewiesen, die bereit sind, im Interview richtig hinzuhören und das entsprechend umzusetzen.
Sie können sich wohl aussuchen, mit wem Sie sprechen und mit wem nicht. Gibt Ihnen Ihre Popularität Freiheiten?
Ich giere nicht danach, mich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Es ist eher so, dass ich es sehr angenehm finde, wenn ich privat in Ruhe leben kann. Ich bin auch kein notorischer Partygänger. Aber wenn ich – wie im Fall der ROMY – nominiert bin, ist das natürlich sehr schön.
Diese Gelassenheit, die Sie ausstrahlen – mussten Sie die lernen oder sind Sie einfach so?
Ich wusste schon immer, dass ich eine gewisse Ruhe brauche. Und dass Rhythmus im Leben sehr wichtig ist. Das ist ja eigentlich nichts Neues, man muss es nur machen.
Aber die wenigsten können es.
Viele leben nach dem Motto: Ich bin im Netz, also bin ich. Wenn ich auf Facebook oder Twitter eine Reaktion bekomme, fühle ich mich lebendig. Durch die kompakte Form kriegt es eine Illusion des Wichtigen – dabei ist das ja nach wenigen Minuten Schnee von gestern. Ein kurzes Strohfeuer. Wie wenn man immer Traubenzucker isst, der einem so einen kurzen Flash gibt. Ne. Lieber Müesli essen oder ein Vollkornbrot. Das hält den ganzen Tag vor.