Zaghafte Annäherungen im grünen Band
Von Martin Burger
Dobrỳ den! Guten Tag. David Grossmann vom Národnípark (Nationalpark) Podyjí wählt die förmliche Begrüßung für sein Visavis, die Zoologin Claudia Wurth-Waitzbauer vom Nationalpark Thayatal. Die beiden sind einander noch nie begegnet, obwohl die Besucherzentren der Schutzgebiete keine zehn Autominuten voneinander entfernt sind. „Das ist unüblich“, sagt die Drosendorferin Wurth-Waitzbauer. Wie selbstverständlich spazieren die beiden Naturschützer über die alte Thaya-Brücke von Hardegg in den tschechischen Teil des Nationalparks. Vor 25 Jahren hatten sie sich in Todesgefahr begeben. "Bis zur Mitte des Flusses zu gehen, wo die Grenze zwischen Ost und West verlief, war eine echte Mutprobe“, erinnert sie sich. Vor zehn Jahren entstand die Idee, den Todesstreifen der Natur zu überlassen.
Wildkatze & Lilien
Vor zehn Jahren entstand die Idee, diesen Naturstreifen vor der Zerstückelung und Verbauung zu bewahren. Von
der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. Erklärung: "Das Grüne Band ist eine Idee, keine Institution, kein zusammenhängendes Schutzgebiet", erläutert Grossmann, der aus Znaim / Znojmostammtund beim Fall des Eisernen Vorhangs 15 war. "Ich habe als Kind westliche Fernsehprogramme gesehen, Tom&Jerry, Knight Rider. Aber ich hatte nie das Verlangen, über die Grenze zu schauen, ich war so programmiert." Erst nach und nach habe er eine Neugier auf das Land jenseits des Flusses, über der Thaya, entwickelt. Bis heute entdeckt Grossmann ihm noch unbekannte Landstriche im Weinviertel. Genauso geht es vielen Weinviertlern, bestätigt seine Kollegin Wurth-Waitzbauer, das Land jenseits der Grenze, Südmähren, ist immer noch weiter weg, als es auf der Karte aussieht.
Rostiges Erbe
Auf österreichischer Seite spricht kaum jemand Tschechisch, es wird quasi erwartet, dass die Tschechen, ob Verkäufer oder Kellner, Deutsch können. Auf tschechischer Seite ist das Interesse an Österreich auch nicht übermäßig ausgeprägt. Der Befund stimmt, aber es gibt auch positive Ansätze.
Hubert Roiss aus Windhaag bei Freistadt findet die verbindende Kraft der Natur "total spannend" und wirbt mit dem Grünen Band als Markenzeichen. Hintergrund: Windhaag liegt an der Maltsch (tschech.: Malše), dem Grenzfluss zu Böhmen, der bei Budweis in die Moldau fließt. Roiss ist Betreiber des "Mühlviertler Waldhauses" und nutzt die Idee der grünen Naht Europas für sein Regionalmuseum mit Waldlehrpfad (www.muehlviertler-waldhaus.at). „Ich habe noch die heile Welt kennengelernt. Mein Vater war Fischer, der hat in den Flüssen noch alles gefischt, einheimische Krebse und Muscheln waren drinnen.“
Diese heile Welt unter Gänsefüßchen gibt es zum Teil noch jenseits der Grenze. Ganz bewusst bietet Roiss "Grünes Band"-Wanderungen "ins Niemandsland" an, die Wanderer erkunden das Gebiet auf alten Pilgerwegen und Saumpfaden. "Das Grüne Band ist eine Kette an Naturreservaten und schützenswerten Zonen. Es ist sehr wichtig, dass man das stärker transportiert, weil diese Zonen in Gefahr sind. Ich kenn hier jedes Fleckl und kann sagen, dass die Landwirtschaft starken Druck auf die naturbelassenen Flächen ausübt."
Iron Curtain Trail
Das Grüne Bandist auch zum Radeln da. Der Euro Velo-13 heißt auch "Iron Curtain Trail" (www.ironcurtaintrail.eu), ein Name wie eine Herausforderung, in Zahlen: 9000 km. Österreich streift dieser Radweg immer wieder, der Kamp-Thaya-March-Radweg hat einen Anteil nahe der tschechischen Grenze, von slowakischer Seite kommt man nahe an Hohenau heran. Fertőd am Südufer des Neusiedler Sees, eine weitere Station des Radwegs, liegt nahe an St. Margarethen. Hier öffnete sich vor 24 Jahren für 600 DDR-Bürger beim sogenannten "Europapicknick" das Tor zur Freiheit. Das Vermächtnis des Eisernen Vorhangs soll nicht vergessen werden.
Grünes Band-Wanderung Von der Maltsch ins Niemandsland. Von Mai bis Oktober, Abmarsch um 9 und 14 Uhr vom Mühlviertler Waldhaus in Windhaag bei Freistadt (OÖ), nach Vereinbarung, ✆ 07943/6111-14.