Leben/Reise

Yoga-Hype in Österreich: Bad Gastein ist das bessere Bali

Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt: Der Körper, der sich gerade noch so steif und unbeweglich angefühlt hat, wird mit jedem Sonnengruß ein bisschen geschmeidiger, der Geist langsam klar. „Ekam. Einatmen. Dve. Ausatmen.“ Der Lehrer leitet in Sanskrit die Schüler an, sich im Atemrhythmus in die Yoga-Positionen zu begeben.

Für Yogis, die regelmäßig praktizieren, gehört es zum Alltag, um sechs Uhr morgens in der Shala – so wird der Raum, in dem geübt wird, bei einigen Yoga-Stilen genannt – auf der Matte zu stehen. Aufgrund des anhaltenden Hypes um Yoga wollen immer mehr Menschen auch auf Reisen nicht darauf verzichten. Sie integrieren die alte indische Heilslehre in ihren Urlaub, die körperliche Übungen (Asanas) mit Entspannungs- und Atemtechniken (Pranayama) vereint.

Sind damit die Tage gezählt, in denen Ausschlafen als Krönung des Urlaubs galt, und es die gängige Vorstellung von Ferien war, sich möglichst wenig zu bewegen und sich den Bauch maximal vollzuschlagen? Nicht ganz: Der Großteil der Menschen, die ihre Ferien auf der Yogamatte verbringen, wollen nicht auf zusätzliche Annehmlichkeiten – sei es ein Wellnessbereich oder ein mehrgängiges Abendessen – verzichten. Und mit der Yoga-Stunde vielleicht erst um neun und nicht schon um sechs Uhr am Morgen beginnen. Anstatt in einen traditionellen Ashram zu gehen, bevorzugen sie einen Aufenthalt in einem Hotel mit Yoga-Programm.

Spiritualität im Tal

Allein in Österreich gibt es mittlerweile rund sechzig Hotels, die sich auf Yoga spezialisiert haben, erzählt Elfi Mayr, die vor zwölf Jahren die Plattform yogaguide.at gegründet hat. Diese soll dabei behilflich sein, sich in der Welt des Yoga zurecht zu finden. Unter anderem gibt es dort einen Überblick über diverse Yoga-Urlaube im In- und Ausland.

Erst kürzlich hat eine Urlauberbefragung der Österreich-Werbung ergeben, dass Yoga (gemeinsam mit Qigong) auf Reisen bereits beliebter ist als Golf. Vorangetrieben wird dieser Trend mitunter von Menschen wie Mayr. Sie war es, die vor rund fünf Jahren Yoga ins Gasteinertal im salzburgischen Pongau gebracht hat. Das deklarierte Ziel damals war, die Region, die gemeinhin als Wintersport- und Kurort bekannt und auch bei Wanderern beliebt ist, in der Nebensaison mit Yoga zu beleben. Nicht ganz ohne anfängliche Skepsis der ortsansässigen Bevölkerung und Touristiker, wie Mayr erzählt: „Jeder hat halt so seine eigene Vorstellung davon, was Yoga ist.“ Heute ist diese komplett weggewischt, immer mehr Menschen aus dem Tal sind inzwischen selbst auf den Yoga-Geschmack gekommen. Das hat sich auch auf die Atmosphäre dort ausgewirkt: „Wenn so viele Menschen an einem Ort gleichzeitig Yoga machen, dann verändert das auch spirituell etwas“, sagt Mayr. Durch die Kooperation unterschiedlicher Betriebe über die Ortsgrenzen – vor allem von Bad Gastein, Bad Hofgastein und Dorfgastein – hinweg, ist das Tal insgesamt wieder mehr zusammengewachsen.

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Insbesondere die Gasteiner Yoga-Tage, die zwei Mal im Jahr – Frühling und Herbst – in zehn Tagen über dreihundert Yogastunden bieten, werden gut angenommen. Die Nächtigungszahlen sind damit im Mai und Juni um zehn und im Oktober um neun Prozent gestiegen. Aufgrund des Erfolgs gibt es mittlerweile ganzjährig ein Yoga-Programm. Für kommendes Jahr ist geplant, eine Yogalehrerausbildung anzubieten.

Auf der Suche

Die steigende Nachfrage nach diesen Angeboten ist für Mayr ein Zeichen, dass sich die Motive vieler Menschen für einen Urlaub verändert haben; ihnen geht es darum, etwas für sich selbst und die eigene Gesundheit zu tun. „Am Ende sind wir alle Suchende, die sich etwas Gutes tun wollen“, sagt die Yoga-Expertin. Erkenntnissen der Forschung zufolge ist Yoga dafür ein probates Mittel: Es soll unter anderem bei Depressionen und erhöhtem Blutdruck helfen und außerdem Ruhe und Ausgeglichenheit fördern.

Doch nicht nur die Beweggründe für einen Urlaub sind heute andere als früher, auch das Reiseverhalten ist anders. Bis vor nicht allzu langer Zeit galten vorwiegend Länder im asiatischen Raum als Hauptanlaufstelle für einen Yoga-Urlaub. Wer traditionell unterrichtet werden wollte, reiste für eine Auszeit in einen Ashram nach Indien, wo die Wurzeln von Yoga liegen, oder beispielsweise nach Sri Lanka. Die indonesische Insel Bali hingegen hat sich in den vergangenen Jahren als Tummelplatz für yogaaffine Hipster etabliert. Dort reiht sich rund um die Stadt Ubud ein Surfer-Yoga-Camp neben das andere.

Mit Nachhaltigkeitsgedanken, die gerade vielen Yogis nicht fremd sind, ist das immer weniger vereinbar. Eine Beobachtung, die auch Elfi Mayr teilt und die sich laut ihr positiv auf den heimischen Yoga-Tourismus auswirkt. „Weite Flugreisen oder Langstreckenflüge sind aus ökologischer Sicht nicht mehr in.“ Darum werden verstärkt nahe, regionale Angebote gebucht. Immer mehr Hotels und Destinationen in Österreich erkennen das und investieren in Ausstattung, Personal und Umsetzung und „buhlen um zahlungskräftige Gäste und Yogis“.

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Kombinationsurlaub

Ein besonderes Augenmerk legen die Gäste auf die Qualität des Unterrichts und der Lehrenden, weiß Mayr: „Was sie von Yogakursen zu Hause gewohnt sind, möchten sie auch im Urlaub genießen.“ Anfänger brauchen einen Yogalehrenden, dem sie vertrauen können, der sich auskennt, sie ordentlich anleitet und auch entsprechend korrigiert – „und keinen 0815-Fitnesstrainer“. Die Angebote in den Hotels und Unterkünften decken sämtliche Yoga-Stile ab – angefangen von Hatha Yoga (Überbegriff für körperbezogenes Yoga), bis hin zu Vinyasa Yoga (fließende, ineinander übergehende Bewegungen) und Kundalini Yoga (Fokus auf Spiritualität). Zudem gibt es österreichweit unzählige mehrtägige Festivals (zum Beispiel Namaste am See im Mai 2020 wieder am Wörthersee oder das Mountain Yoga Festival in St. Anton am Arlberg im September 2019).

Viele Yoga-Studios bieten ebenfalls eigene Reisen im familiären Rahmen an. Auch verschiedenste Kombinationen mit Yoga sind möglich – zum Beispiel Yoga und Klettern (yogaontherock.at), Yoga und Wandern (facebook.com/EktaraYogaWandern), Yoga und Malen (hotel-tirol.at) oder Yoga und Skifahren (hotel-bergkristall.com).

Image-Wandel

Die Vielfalt und Fülle der Angebote sowie die Verlagerung in den regionalen Bereich kann als Sinnbild für den Image-Wandel von Yoga verstanden werden: Während die indische Lehre früher als Betätigungsfeld von Esoterikern verschrien war, ist sie heute zu einem allgemeinen Lebensstil im Westen geworden. Weltweit suchen Millionen Menschen beim Yoga nach Entschleunigung und der Vereinigung von Körper und Geist. Damit einher geht ein Milliardengeschäft: Schätzungen zufolge beträgt der weltweite jährliche Umsatz mit der Achtsamkeitsbewegung – vom Unterricht über die Kleidung bis hin zu Apps und speziellen Lebensmitteln – an die achtzig Milliarden Dollar, das sind umgerechnet fast zweiundsiebzig Milliarden Euro.

Dass alte Traditionen und Übungskonzepte im Yoga dadurch verwässert werden, glaubt Elfi Mayr nicht. „Jeder pickt sich raus, was gut für ihn ist. Niemand muss bekehrt werden.“ Diesen undogmatischen Zugang will man sich im Gasteinertal behalten – dort soll das Brat’l-Buffet auch in Zukunft Platz neben dem Wiesen-Smoothie haben.

Yogaherbst Gastein
An zehn Tagen (11.–20.10.) reicht das Programm von Yoga am Berg bis zur Meditation im Heilstollen.
www.gastein.com

Namaste am See
Österreichs größtes Yogafestival (laut Veranstalter) findet wieder von 29. bis 31.5. 2020 statt. Es gibt auch ganzjährige Retreats.
yoga.woerthersee.com

Yoga am Arlberg
Von 5. bis 8.9. gibt es in St. Anton Yoga, Wanderungen, Workshops und Vorträge. 
www.mountainyogafestivalstanton.at

Yoga und Ayurveda
Hildegard und Werner Biller bieten im „Soami“ in Obermillstatt ganzjährige Yoga-Retreats an.
www.soami.at

Die Murachers vom „Hotel Sonnhof“ in Hinterthiersee (Tirol) sind eine Ayurveda- Pionierfamilie in Österreich.
www.sonnhof-ayurveda.at

Ungarn

Romana und Sascha Delberg (Gründer der Yogawerkstatt im 2. Wiener Bezirk) halten  zu Neujahr ein  Retreat im Karmeliter-Kloster in Wandorf bei Sopron ab.
www.yogawerkstatt.at

Ibiza
Das von der Österreicherin Rosa Klein im Nordosten der spanischen Insel geführte Yogarosa Retreat setzt auf Luxus und einen holistischen Ansatz.
www.yogarosaretreats.com

Thailand
Das Samahita Retreat auf der thailändischen Insel Koh Samui hat ein umfassendes Yoga-, Entgiftungs- und Wellnessangebot und bietet auch Yogalehrerausbildungen an.
www.samahitaretreat.com

Italien
In Apulien, am Stiefelabsatz von Süditalien, wird im La Rosa dei 4 Venti in traditionellen Trulli-Häusern genächtigt, deren Bauart vor Kälte und Hitze schützt.
www.larosadei4venti.org