Leben/Reise

Urlauber, achtet auf Eure Füße

Der Schriftsteller Kurt Tucholsky stellte einmal im Urlaub die Frage, ob er sich hier im Ausland anständig benehmen müsse oder ob schon deutsche Touristen da gewesen seien.

Der Ruf mitteleuropäischer Touristen ist anderswo nicht der beste. Und womit? „Mit Recht, zumindest manchmal“, sagt Christian Hlade, Chef von „Weltweitwandern“, einem alternativen Reiseveranstalter, der von seinen Kunden explizit „erwartet, dass sie sich respektvoll benehmen.“

Hlade tritt selbstbewusst auf: „Der Gast ist so lange König, solange er sich wie einer benimmt.“ Und er zieht seine Philosophie durch. Zu groß ist die Zahl der Fettnäpfchen, in die Urlaubsreisende, die auf locker-lässigen Sommermodus umgeschaltet haben, treten können. „Im Vergleich zu den Franzosen benehmen sich Österreicher und Deutsche vorbildlich. Franzosen missachten die Kleidervorschriften in islamischen Altstädten prinzipiell und laufen sexy herum, obwohl das kulturell gar nicht passt.“

Tolerante Mönche

Prinzipiell sei die Toleranz gegenüber Fremden in asiatischen Ländern viel größer als in Mitteleuropa. „Es gibt strenge Regeln, die aber in der Praxis oft nicht so streng gehandhabt werden.“

Ein Freund Hlades, der als buddhistischer Mönch im Himalaja lebt, muss laut Tradition heilige Objekte im Uhrzeigersinn umrunden. Tut er aber nicht immer, manchmal geht er einfach geradeaus weiter. Wieso? „Im Geiste habe ich mich an die Regel gehalten, das genügt.“

So weit reicht aber nicht einmal die Großzügigkeit der Buddhisten, um die folgenden Fehltritte zu entschuldigen.

Richten Sie in Asien und Afrika niemals und unter gar keinen Umständen die Fußsohlen in die Richtung Ihrer Gastgeber, oder, noch schlimmer, in Richtung eines heiligen Gegenstandes, einer Gottesdarstellung. Auch der Herd ist heilig.

Lehnen Sie in fremden Ländern kein Essen und Trinken ab, das ist extrem unhöflich.

Bevor Sie sich nach einer langen, staubigen und heißen Trekking-Tagestour nackt in einen Bergfluss schmeißen oder im Schnee wälzen, achten Sie darauf, wer ihnen aller dabei zuschaut, oder konsultieren Sie den Reiseleiter Ihres Vertrauens bezüglich der lokal üblichen Bekleidungsvorschriften.

Komplexe muss man als Mitteleuropäer übrigens keine haben. Neureiche Russen oder Mittelschicht-Inder aus Delhi, die in Nordindien Hitzeferien und Party machen, lassen den Ballermann-Besucher wie einen Chorknaben wirken. „Wir passen bei der Quartierwahl auf, dass keine Inder in der Nähe logieren, die feiern bis 3 Uhr Früh – und sie sind laut“, meint Hlade.

Naherholung in Nepal

Überhaupt empfiehlt es sich beim Thema Ausland über den eigenen Tellerrand zu blicken. „Was für uns Kroatien ist, ist für einen Chinesen Nepal, ein Nah-Erholungsland. Die Menschen aus den Schwellenländern, die sich einen gewissen Wohlstand erarbeitet haben, beginnen jetzt zu reisen. Da sind große gesellschaftliche Umwälzungen im Gang. Natürlich wird es noch einige Zeit dauern, bis sich diese neuen Reisenden auch zu benehmen wissen. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten gelernt, wie man sich im Ausland benimmt, oder zumindest haben wir davon gehört.“

Man kann, muss aber nicht, auf den eingangs erwähnten Tucholsky mit einem Zitat von Benimm-Lehrer Thomas Schäfer-Elmayer antworten, der über das Reisen ins und das Benehmen im Ausland den folgenden Satz geschrieben hat: Reisen in fremde Länder konfrontieren uns oft mit anderen Sitten und Gebräuchen. Bedenken Sie, dass fremde Länder nicht dazu gemacht sind, dass Sie sich als Ausländer, sondern, dass sich seine Bewohner darin wohlfühlen.

Einige Zitate, die ich von meinen geschätzten österreichischen Landsleuten in Kroatien vernommen habe und die im Gastland – das weiß ich aus sicherer Quelle (meine Familie) – nicht gut ankommen:

1. „Geh Zlatica, mach’ mir Ćevapčići, denn die könnt’s ihr Jugos viel besser als wir.“

2. „Kroatien, Serbien, Slowenien – für mich seid’s ihr weiter Jugoslawien. Weil das habe ich so in der Schule gelernt.“

3. „Also ihr müsst’s euch jetzt endlich mit den Serben vertragen, gell.“

4. „Euer Rotwein schmeckt wie Essig.“ (Auch wenn das ab und zu stimmt, dies sich bitte unbedingt verkneifen. In Kroatien gilt der Wein als autochthones Heiligtum.)

5. „Sag Drago, ist jetzt Zagreb die Hauptstadt von Kroatien oder Slowenien?“

6. „Euch Kroaten geht es doch eh blendend. Ihr habt’s Billa, Spar, was wollt ihr eigentlich mehr?“

7. „Wien liegt westlich von Zagreb. Nein? Dann ist diese Landkarte falsch.“

Ich habe mich auf meinen Reisen oft gefragt, warum so viele Menschen FlipFlops tragen, wenn sie fremde Städte besuchen. Ich meine, Stadt ist Stadt, und daheim trage ich ja auch Alltags-Schuhwerk ohne Strand-Aura. Ich schnitzte mir folgende Erklärung: FlipFlops sind das Freiheitsgefühl unserer Jahre. Woodstock, Kommunen, Schrebergarten, Cabrio, flexibles Arbeitszeitmodell – jede Zeit hat ihren Ausbruch, reduzierte Plastikschlapfen sind der aktuelle Stand der „Raus aus der Norm“-Evolution. Verstärkt im Urlaub: Ich lass’ es mir gut gehen, da engen mich keine Ledernen ein, im Urlaub trage ich Plastik mit Band, Freiheit den Füßen.

Wurscht, wie unpassend.Damit outet man sich erstens permanent als Supertourist, FlipFlops gleich Bauchtasche. Und viele auch als Pedikürmuffel, Hornhautzüchter und Seifenallergiker. Wie oft trugen Einheimische elegantes Schuhwerk, im Restaurant, bei der Prozession zu Ehren Marias, im heiligen Tempel. Daneben FlipFlops?

Wir gehen nicht mit der Badehose auf Sightseeingtour, nicht im Strandtuch. Warum in Badeschlapfen?Ja, das gilt durchaus auch in der Heimat, im Büro, auf der Straße, im Supermarkt.

Behaltet eure Füße für euch.

Nur ist es im Urlaub besonders schlimm: Reisende mit FlipFlops am Fuß, aber Schal um den Hals und Jacke. Weil der Wind weht, es zehn Grad hat. Lange Hose, Handschuhe, heißer Tee. FlipFlops.

Weil so kalt kann den Plastikschlurfern gar nicht sein, dass sie sich im Urlaub die Freiheit nehmen lassen.

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