Aug’ in Aug’ mit dem König der Tiere
Von Andrea Hlinka
Es gibt hier eine Regel: Ihr hört nur auf mich. Das Kommando, das ihr am ehesten hören werdet, ist, dass ihr euch sofort auf den Boden werfen sollt. Nur dann habe ich freies Sicht- und Schussfeld. Ihr hört nur auf mein Kommando.“ Richards Blick geht von einem Teilnehmer zum nächsten. Sie nicken. Er schultert das Gewehr, dreht sich um und geht, hinein in die weite afrikanische Steppe. Wir tauschen unsichere Blicke aus. Und folgen.
Flamingos und Freunde
Drei Stunden dauert die Fahrt von Nairobi zum Nakurusee. Die A109 ist die Hauptverkehrsader der Landes.
In den darauffolgenden Jahrzehnten hat Richard mit Partnern eine Firma aufgebaut, mit Luxus-Lodges im Portfolio.
Der Nakurusee beheimatet eine Million Flamingos, liest man. In manchen Monaten soll der See zwischen all dem Rosa kaum zu erkennen sein. „Jetzt, im Jänner, ist der Wasserstand zu hoch. Es sind nur wenige hier“, erklärt Richard. Mit der Hand zeigt er auf einen rosa Streifen draußen am See.
Die Straße ist überschwemmt, Safari-Autos ziehen neue Spuren. „Eine Giraffe links.“ Die Gruppe schreckt hoch und übersieht vor Euphorie fast die andere Giraffe, die am Straßenrand steht. Sie frisst von einem Strauch, der Stacheln hat, spitz und lang. Die ersten Tiere in der freien Natur werden penibel gemustert – eine ganz neue Welt, ganz ohne Gitterstäbe.
Große Männer & Geparde
Die Zebras sehen der DHC-6 Twin Otter bei der Landung auf dem staubigen Naishi Air Strip zu. Der Flug in die Masai Mara ist ein wenig turbulent, er dauert zur Erleichterung einiger Passagiere nicht länger als 40 Minuten. Passagiere steigen aus, wir starten erneut, zehn Minuten später wiederholt sich die Szene. Einen weiteren Start und fünf Minuten später sind wir am Ziel angekommen. Wie Busfahren.
Die Masai Mara ist Kenias berühmtester Nationalpark, bekannt für den Reichtum an Wildtieren. Benannt nach den hier lebenden auffallend großen Massai und dem Fluss Mara.
Es liegt frei, ist nicht eingezäunt. Die Luxus-Zelte sind soweit voneinander gebaut, dass der Nachbar außer Sichtweite ist – eine höchst exklusive Einsamkeit. So nah am Fluss gebaut, dass von der Badewanne aus Flusspferde beobachtet werden können. Acht Zelte liegen auf der einen Flussseite, Krieger führen über die Hängebrücke zu den anderen vier auf der gegenüberliegenden Seite.
Die Krieger sind immer hier, in allen Lodges, auch wenn man sie nicht sieht. Sie sind immer wach, auch wenn wir schlafen. Mit Speeren bewaffnet, beobachten sie das Camp bei Tag und Nacht. Mit der Taschenlampe in den Himmel leuchtend kann der Gast sie rufen. In die Dunkelheit dürfen Gäste nur von einem Krieger begleitet.
Zu Fuß wirkt die Masai Mara größer, bedrohlicher als vom Auto aus. Wir gehen – eingeschüchtert von der eindringlichen Ansprache zu Beginn der Walking Safari – immer hinter Richard.
Auch ein Massai begleitet uns: William. Er trägt das traditionelle Gewand der Massai, seines ist rot kariert. Er trägt nie feste Schuhe, nur Ledersandalen. William liebt es zu laufen, bis in die Stadt läuft man drei Tage, erklärt er.
Richard lädt die Waffe.
Nichts zu sehen. Wir gehen weiter. Eineinhalb Stunden später kommen wir im Camp an.
Schutz für Elefanten
Ein Kleinflugzeug bringt uns von der Masai Mara in den Tsavo National Park. Auf der Erde unter uns sehen wir die Massai-Dörfer: In der Mitte ist die Tierweide, im Ring herum lebt ein Massai, oft mit mehreren Frauen.
Auf der rechten Seite erscheint der Kilimandscharo, der höchste Berg Afrikas. Die Piloten kennen die Landebahn in Tsavo nicht, Richard war etliche Male hier, also gibt er ihnen Infos zur Beschaffenheit der Piste. Er hat keinen Pilotenschein, kann jedoch fliegen. Am Boden winkt uns Muli. Er ist vom Nakurusee mit dem Auto gefahren. Er begrüßt uns: „Jambo.“
In der Nacht tropft es auf das Zeltdach, es regnet jedoch nicht. Es sind Samen eines Baumes. Irgendetwas brüllt und grunzt vorm Zelt. Ein Krieger mit Pfeil und Bogen und Steinschleuder erzählt am Morgen, dass Paviane manchmal den jagenden Leoparden ein Junges opfern, um sich zu schützen.
Hakuna Matata
Ein Boot bringt uns in die Delta Dunes Lodge. Diese Luxus-Lodge mit Robinson Crusoe-Feeling liegt zwischen dem Indischen Ozean und dem Fluss Tana. Es ist längst dunkel.
Am Steg warten Mitarbeiter. Sie singen. Das Lied endet mit Hakuna Matata, übersetzt: „Kein Problem“.