Neustart mit allen Sinnen in Indien
Von Birgit Braunrath
Wie kann man sich 6000 Kilometer weit weg von daheim so zu Hause fühlen? Womöglich liegt es am Klima, vor allem am Zwischenmenschlichen. „Atmantan“, das Wellness-Wunderland, das das indische Ehepaar Sharmilee und Nikhil Kapur auf einer Fläche von fast 20 Hektar an die Flanken der Sahyadri-Berge im Westen Indiens gezaubert hat, lebt und atmet Freundlichkeit, Herzlichkeit, Aufmerksamkeit.
Eine Säule des Gesundheitskonzepts, das hier praktiziert wird, ist die zwischenmenschliche Stütze: Jeder Mitarbeiter, dem man über den Weg läuft, weiß, wie er dem Gast, der vielleicht gerade Motivationsprobleme hat und zu Bier und Schnitzel zurück will, eine Dosis Stärke und Zuversicht verabreicht.
Power-Paar
Wenn Gründerin Sharmilee vorbeikommt, tut sie dasselbe mit ihren Mitarbeitern. Sie begrüßt sie mit Namen, schwärmt von deren Leistungen bei den Spielen am jüngsten Mitarbeiterfest und erzählt den Gästen begeistert, wie sie selbst, als Gast auf Reinigungskur, von einem Mitarbeiter freundlich, aber bestimmt, darauf hingewiesen wurde, ihr Smartphone bitte nur am Zimmer zu benutzen.
Sharmilee Agrawal Kapur stammt aus der Hotel- und Immobilien-Dynastie Bramhacorp. Schon früh, erzählt sie, habe sie in ihrer eigenen Familie erlebt, dass Wohlstand zu ungesunder Lebensweise, Übergewicht und nachgelagerten Krankheiten führen kann. Den lang gehegten Traum, ein Gesundheitskompetenzzentrum zu errichten, das Seinesgleichen auf der Welt sucht, erfüllte sie sich nach vielen Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Nikhil, den sie beim Studium kennengelernt hat und der seit 2014 fünf „Ironman“-Bewerbe erfolgreich absolvierte.
„Wieso macht Ihr kein Fitnes-Center auf?“, fragte Sharmilees Vater, der die Vorbehalte der Inder kannte: „Wellness bedeutet hungern und hart trainieren, wer will das?“ Doch Sharmilee und Nikhil Kapur setzen in dem 2016, nach dreijähriger Bauzeit, eröffneten Atmantan ein ganz anderes Konzept um: „Wellness darf nie Strafe sein“, sagt Sharmilee, „und nie verurteilen “. Ihr Credo: „Du hast vielleicht 20 Jahre kaum Bewegung gemacht und Frittiertes gegessen? Heute hast du dich entschieden, etwas zu ändern. Also ist es gut so.“
Heilender Bergkristall
At-man-tan setzt sich zusammen aus den Sanskrit-Begriffen für Seele-Geist-Körper. Alle drei finden hier, hoch oben über dem Mulshi-See, der sich aus Monsun-Regenwasser speist, ein Zuhause. In einem der 106 Zimmer mit Garten oder Terrasse, in den 21 Behandlungsräumen, die eine unglaubliche Bandbreite an östlichen und westlichen Heil- und Gesundheitspraktiken bieten, in den Gärten und Grünanlagen, die sich terrassenartig an den Berg Palse schmiegen.
Irgendwann liegt der westlich geprägte Leistungsmensch dann auf dem Rücken am Meditationsplatz, gibt seinen inneren Widerstand gegen den strengen Zeitplan aus Untersuchungen, Arztgesprächen, Trainingseinheiten und Behandlungen auf – und schaut der Sonne dabei zu, wie sie in den See fällt. Plötzlich spürt er eine innere Ruhe, die so beglückend anders und dabei so selbstverständlich ist, als wäre er verwandelt – oder endlich bei sich selbst angekommen. „Transformiert“, nennen sie es hier.
Sharmilee Kapur, die auch Prana-Heilerin ist, kennt dieses Phänomen, das ihre Gäste immer wieder beschreiben. Sie führt es auf den Bergkristall zurück, aus dem der Palse zum Teil besteht. Wenn man den Berg im Sonnenaufgang besteigt, sieht man ihn funkeln. „Dieser Kristall hat eine besondere Frequenz“, sagt sie, „und dadurch eine heilende Wirkung auf den Organismus“. Ihr „Ironman“ Nikhil Kapur erzählt es so: „Während der extrem anstrengenden Bauzeit wanderte ich den Palse hinauf, um einen Platz für die Wassertanks zu suchen. Irgendetwas zog mich weiter zum Gipfel. Ich rannte hinauf, legte mich auf den Rücken und spürte eine Entspannung, die ich davor nie gekannt hatte. Ab da verbrachte ich täglich zehn Minuten dort oben. Das hat mir die Kraft gegeben, dieses unfassbar herausfordernde Projekt durchzuziehen.“
Indien pur in Pune
Neben der heilenden Landschaft, der herzlichen Atmosphäre und dem hoch ambitionierten Gesundheitskonzept, das aus ärztlicher Anamnese, Behandlung und Langzeittipps besteht, gibt es einen weiteren Grund, sich hier gut aufgehoben zu fühlen. Und das ist die Küche: Vielseitige gesunde Bionahrung (ein Großteil der verarbeiteten Lebensmittel kommt von der eignen Bio-Farm eine halbe Autostunde entfernt) wird von Küchenchefin Ishika Konar so inspiriert und liebevoll in Form gebracht, dass alle Gaumenregionen, alle Geschmackssinne angesprochen und befriedigt sind, ohne sich voll zu fühlen. Mit einem Sieben-Gang-Menü, das aus nicht mehr als 700 (!) Kalorien besteht, fühlt man sich rundum genährt. Es ist wie Zauberei, was Konar aus Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten, Buchweizen, Reis und Grieß, mageren Milchprodukten und Fisch, Samen, Nüssen und Kräutern auf die Teller bringt. Immer in Absprache mit dem Gesundheitsteam, das für jeden Gast die richtige Nahrung wählt.
Im Grunde will man diese Welt aus Wohlbefinden und Umsorgt-Werden kaum verlassen, aber die nahe Stadt Pune, seit jeher das kulturelle Zentrum des Bundesstaats Maharashtra, hat zu viel zu bieten, als dass man sie auslassen könnte: den Palast des Aga Khan etwa, in dem Gandhi, seine Ehefrau Kasturba und sein persönlicher Sekretär Mahadev Desai in den 40-er Jahren gefangen gehalten wurden. Kasturba und Mahadev starben dort, zwei Schreine im angeschlossenen Garten erinnern an sie. Kasturbas Asche ist im Palast beigesetzt.
Heute ist Pune eine aufstrebende Universitätsstadt mit vielen jungen Bewohnern, auch aus den USA, dem Nahen Osten und Europa. Bunte Märkte, farbenfrohe Saris, der Duft nach Gewürzen und Zweitaktmotoren. Hier herrscht nicht Wellness, hier ist Indien pur. Man genießt es – und freut sich aufs Heimkommen. Nach Atmantan. Wo bereits eine heiße Wanne mit duftenden Ölen und Blüten eingelassen ist ...
Info
Anreise Will man mit nur einem Stopp von Wien nach Pune, bietet es sich an, mit austrian.com nach Delhi und weiter mit IndiGo zu fliegen. Oder mit airindia.in über Delhi.
Währung 1 Euro = 81,20 Ind. Rupien
Impfungen Bei Direktflug aus Europa nicht vorgeschrieben. Empfohlen: Typhus und Hepatitis A.
Ausflüge Das Atmantan-Resort liegt bei Mulshi im Westen des Bundesstaats Maharashtra. Pune liegt knapp 50 km entfernt (je nach Verkehr ein bis zwei Autostunden), Mumbai ist etwa 170 km entfernt.
Angebote Atmantan bietet ausschließlich Gesamtpakete an. Übliche Dauer: 3 Tage bis 28 Tage. Die Bandbreite reicht vom Reinigungsprogramm „Master Cleanse“ über Ayurveda Panchakarma
bis zu Gewichtskontrollkuren, einem Fitnessaufbauprogramm und speziellen Physiotherapie-Paketen.
Preise Um sicherzustellen, dass jeder das bucht, was er wirklich braucht, gibt es bei den Kuren keine Preisunterschiede, egal, welche Variante man wählt. Preisbeispiel: eine Woche im Doppelzimmer (April bis Sept.) inkl. voller Verpflegung sowie aller Behandlungen, Trainings und Untersuchungen: ab 2600 Euro.
Info mit Liste aller Wellnesspakete und Preise: www.atmantan.com