Leben/Reise

Die Reste eines versunkenen Königreichs

Eine Reise auf die Azoren? Assoziationen, die viele parat haben: Erstens, sie gehören zu Portugal. Zweitens, sie sind trotzdem nicht Madeira. Und drittens, von dort kommt das Azorenhoch. Tatsächlich sind die Azoren keine typische Massentourismus-Destination, dennoch gibt es Wunderbares zu entdecken. Ein Bericht von der Reise auf den Spuren des berühmten Hochs – ein Besuch auf der Hauptinsel São Miguel.

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Eine Wissenslücke offenbart sich bereits bei der Ankunft: Wie nennt man die Bewohner der Azoren? Reiseleiter Diogo muss es wissen, er ist selbst einer: nämlich ein Azorianer.

Die Azoren umfassen neun Inseln (Zitat Wikipedia: "plus zahlreiche Felsen"), auf denen 250.000 Einwohner leben. Weit mehr – rund eine Million Azorianer, die Nachkommen mitgezählt – leben übrigens in den USA. Portugiesen, seit jeher Seefahrer und Auswanderer, haben nicht umsonst saudade erfunden: ein Begriff, für den keine deutsche Übersetzung existiert. Am ehesten entspricht ihm wohl "Sehnsucht" – etwa nach der Heimat –, der Portugiesen im Fado-Gesang Ausdruck verleihen.

Blaue Blütenpracht

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Und wie könnte man sich nicht nach dieser farbenprächtigen Insel sehnen: dieses Grün, dieses Blau, diese Wiesen, dieses Meer. Als schönste Jahreszeit gilt der Sommer, wenn zusätzlich die strahlend blauen Hortensien blühen.

Während die Nordküste – steil, schroff, windig – an Irland erinnert, gibt es an der sanfteren Südküste auch Badestrände. Ebenfalls im Süden liegt die Hauptstadt Ponta Delgada – mit 69.000 Einwohnern die Metropole der Azoren.

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In der Altstadt finden sich Kirchen im für Portugal typischen manuelinischen Stil mit exotischen Seefahrer-Motiven. Eher schmucklos wirkt hingegen der kühle, betonfarbene Hafen Portas do Mar mit seinen Geschäften und Restaurants.

Freilich, eine Azorenreise lohnt sich vor allem der Natur wegen. Ein Highlight auf São Miguel sind zweifelsohne die Kraterseen: Man kann auf gut erschlossenen Wegen rund um die Seen wandern, die Aussichtspunkte aber auch bequem mit dem Auto anfahren. Beliebt sind der Lagoa Azul ("Blauer See") und der Lagoa Verde ("Grüner See") bei Caldeira das Sete Cidades: Bei Sonnenschein erstrahlen ihre Wasseroberflächen tatsächlich in Blau und Grün.

Der vergessene Kontinent

Ihre Prominenz verdanken sie nicht nur ihrer Schönheit, sondern auch einer Legende: Demnach existierte im Atlantik einst ein riesiger Kontinent, über den ein Königspaar herrschte. Ein Engel prophezeite die Geburt einer Tochter – der König dürfe diese jedoch erst als Erwachsene zu Gesicht bekommen. Er verstieß gegen diese Vorschrift, die Erde erbebte, der Kontinent versank: Übrig blieben bloß die Azoren (plus zahlreiche Felsen).

Bei diesem Unglück fielen auch die grünen Pantoffeln und der blaue Hut der Prinzessin ins Wasser und verliehen den beiden Seen ihre jeweiligen Farben. Ein traumhafter Ausblick über Landschaft und Seen eröffnet sich etwa beim Aussichtspunkt Ponte dos Regos.

Ruinen-Fotografie

In dieser Region um Sete Cidades verdienten sich die Bewohner ihren Lebensunterhalt einst mit Holzkohle, Leinen und Indigo – bis man sich im 20. Jahrhundert auf eine zeitgenössischere Fertigkeit spezialisierte: auf Korruption. Ein Stück bergauf findet sich ein entsprechendes Mahnmal: Hier stand einst das erste Fünf-Stern-Hotel der Insel, 1991 wurde es aber aufgrund finanzieller Unstimmigkeiten geschlossen.

Heutzutage ist es für Freunde der jüngst boomenden Ruinen-Fotografie (man denke an die prominenten Bildbände über das verfallene Detroit, Michigan) ein idealer Ort: Mit faszinierend-rauem Charme erinnert die Ruine an den Glanz alter Zeiten. Lobby, Wendeltreppe, Aufzugsschacht – vieles ist noch vorhanden. Von den Balkonen der Suiten im Obergeschoß ist der Ausblick auf die Seen ebenfalls wunderbar. Doch Vorsicht: Das Areal ist nicht gesichert.

Eintopf aus der Erde

Ein anderer See wiederum – der Lagoa das Furnas – ist einer kulinarischen Spezialität wegen bekannt.

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Neben dem See gibt es Dampfquellen, und in Erdlöchern mit fast kochendem Wasser wird der traditionelle Eintopf namens Cozido das Caldeiras zubereitet: Fleisch, Wurst, Kartoffeln und Kohl werden stundenlang in großen Töpfen gegart. Den Cozido zeichnet ein leicht rauchig-schwefeliges Aroma aus, das beim Kochen in diesen Erdlöchern entsteht.

Einheimische begännen bereits um 6 Uhr Früh mit der Zubereitung eines Cozidos, erzählt Reiseleiter Diogo. Das gemeinsame Verspeisen ist die Krönung so manchen freien Nachmittags.

Reisende müssen freilich nicht so früh aufstehen – viele umliegende Restaurants bereiten auf Bestellung Cozido zu, der mittags abgeholt werden kann.

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Für jene, die weitere regionale Spezialitäten kosten möchten, lohnt ein Abstecher zur Teeplantage Chá Gorreana an der Nordküste bei Ribeira Grande. Endlos grün erstrecken sich die Felder mit den Teepflanzen. Seit 1883 wird hier Tee hergestellt. Die Pflanzen werden zwischen März und Oktober geerntet, der jährliche Ertrag beträgt 40 Tonnen. Die Maschinen in den Verarbeitungsräumen gemahnen an vergangene Zeiten – die jüngste ist seit 55 Jahren im Einsatz. Chemikalien werden übrigens keine zugesetzt. Selbstverständlich gibt es Kostproben der milden Schwarz- und Grüntees.

Eine andere Spezialität ist Käse: Auf den Wiesen weiden die für die Azoren typischen schwarz-weißen Rinder. Im kleinen Dorf Ginetes an der Westspitze der Insel gibt es etwa den Bauernhof namens Quinta das Raiadas, wo man nicht nur beim Brotbacken zusehen kann, sondern auch selbst Kühe melken und Käse verkosten kann.

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Käse und Butter sind übrigens bedeutende Exportgüter. Ein Teil wird für die Emigranten in die USA exportiert, der Großteil geht ans portugiesische Festland. Seit Kurzem werde im portugiesischen Fernsehen für Azoren-Käse geworben, erzählt Diogo. Indes: Zuseher am Festland verstanden den gesprochenen Text kaum – die Werbung musste mit Untertiteln versehen werden. (Ein Schicksal, das auch Österreichern im deutschen Fernsehen oft widerfährt.)

Regionaler Dialekt

Das Portugiesisch der Azoren ist in der Tat gewöhnungsbedürftig: Buchstaben – gar ganze Silben – an Wortanfang und -ende werden oft weggelassen. "Obrigado" (zu Deutsch "danke" ) etwa wird zum kehlig-knappen "brigad". Zudem sprechen viele Azorianer "u" als "ü" aus – obwohl im Portugiesischen eigentlich kein "ü" existiert. Dies ist vermutlich ein sprachliches Erbe französischer Seefahrer, die sich einst auf São Miguel niederließen.

Im Gegensatz zur etwas schwer verständlichen Sprache begreift man den Charme der Azoreninsel São Miguel aber sehr rasch. Selbst wenn nicht immer das sprichwörtliche Hoch herrscht: "Wir haben die Redensart, dass wir tagtäglich alle vier Jahreszeiten erleben", scherzt Diogo über das zuweilen launische Wetter. Dennoch: Bei der Abreise, da versteht man, warum die Portugiesen saudade erfunden haben.

Info

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Anreise

Z. B. bis Oktober 2016 jeden Mittwoch mit Air Berlin ab/ bis Wien über Düsseldorf nach Ponta Delgada, airberlin.com

Stabiles Wetter mit wenig Regen gibt es von Mai bis Oktober. Im Frühjahr ist es kühl, die Badesaison dauert von Juni bis September. Wandern ist ganzjährig möglich.

Preisniveau

Gezahlt wird in Euro. Das Preisniveau ist etwas niedriger als in Österreich, ein Espresso kostet zirka 1 € .

Der traditionelle Eintopf Cozido das Caldeiras wird in heißen Quellen gegart.

Einkehrtipp

Restaurant "A Tasca", Rua Do Aljube 16, Ponta Delgada: Ausgezeichnete Fisch- und Fleischgerichte und gute Weine in uriger Umgebung.

Restaurant "O Anfiteatro", direkt am Hafen Portas do Mar: Moderes Restaurant, internationale Küche, mit Panoramafenstern und Meerblick.

Logistipp

Terra Nostra Garden Hotel, Rua Pe José Jacinto Botelho, Furnas. Vier-Sterne-Hotel. Liegt inmitten eines botanischen Gartens, in dem warme Thermalquellen zum Baden einladen. Preis ab zirka 160 € pro Nacht im DZ.

Angebote

Wanderreise "Vulkankrater & Küstenpfade", 8 Tage, 7 Übernachtungen mit Frühstück im Vier-Stern-Hotel, 5 x Mittagessen, 1 x Abendessen, deutschsprachiger Reiseleiter, alle Transfers und Eintritte laut Programm. Preis pro Person im DZ 894 € (April und Oktober) bzw. 917 € (Juni bis September), im EZ 194 € Aufpreis, exkl. Flüge.

"Azoren zum Kennenlernen", ideal für Selbstversorger: 8 Tage, 7 Nächte im Vier-Stern-Hotel, Frühstück, Mietwagen. Preis pro Person im DZ 539 € (November bis März), 682 € (März bis Mai und Oktober), 850 € (Mai bis September). EZ auf Anfrage, exkl. Flüge.

Infos & Buchung

Rhomberg Reisen, 6850 Dornbirn, Eisengasse 12.

☎ 0800/999955 www.rhomberg-reisen.com.

Auskünfte

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