Die Reste eines versunkenen Königreichs
Von Johanna Kreid
Eine Reise auf die Azoren? Assoziationen, die viele parat haben: Erstens, sie gehören zu Portugal. Zweitens, sie sind trotzdem nicht Madeira. Und drittens, von dort kommt das Azorenhoch. Tatsächlich sind die Azoren keine typische Massentourismus-Destination, dennoch gibt es Wunderbares zu entdecken. Ein Bericht von der Reise auf den Spuren des berühmten Hochs – ein Besuch auf der Hauptinsel São Miguel.
Die Azoren umfassen neun Inseln (Zitat Wikipedia: "plus zahlreiche Felsen"), auf denen 250.000 Einwohner leben. Weit mehr – rund eine Million Azorianer, die Nachkommen mitgezählt – leben übrigens in den USA. Portugiesen, seit jeher Seefahrer und Auswanderer, haben nicht umsonst saudade erfunden: ein Begriff, für den keine deutsche Übersetzung existiert. Am ehesten entspricht ihm wohl "Sehnsucht" – etwa nach der Heimat –, der Portugiesen im Fado-Gesang Ausdruck verleihen.
Blaue Blütenpracht
Während die Nordküste – steil, schroff, windig – an Irland erinnert, gibt es an der sanfteren Südküste auch Badestrände. Ebenfalls im Süden liegt die Hauptstadt Ponta Delgada – mit 69.000 Einwohnern die Metropole der Azoren.
Freilich, eine Azorenreise lohnt sich vor allem der Natur wegen. Ein Highlight auf São Miguel sind zweifelsohne die Kraterseen: Man kann auf gut erschlossenen Wegen rund um die Seen wandern, die Aussichtspunkte aber auch bequem mit dem Auto anfahren. Beliebt sind der Lagoa Azul ("Blauer See") und der Lagoa Verde ("Grüner See") bei Caldeira das Sete Cidades: Bei Sonnenschein erstrahlen ihre Wasseroberflächen tatsächlich in Blau und Grün.
Der vergessene Kontinent
Ihre Prominenz verdanken sie nicht nur ihrer Schönheit, sondern auch einer Legende: Demnach existierte im Atlantik einst ein riesiger Kontinent, über den ein Königspaar herrschte. Ein Engel prophezeite die Geburt einer Tochter – der König dürfe diese jedoch erst als Erwachsene zu Gesicht bekommen. Er verstieß gegen diese Vorschrift, die Erde erbebte, der Kontinent versank: Übrig blieben bloß die Azoren (plus zahlreiche Felsen).
Bei diesem Unglück fielen auch die grünen Pantoffeln und der blaue Hut der Prinzessin ins Wasser und verliehen den beiden Seen ihre jeweiligen Farben. Ein traumhafter Ausblick über Landschaft und Seen eröffnet sich etwa beim Aussichtspunkt Ponte dos Regos.
Ruinen-Fotografie
In dieser Region um Sete Cidades verdienten sich die Bewohner ihren Lebensunterhalt einst mit Holzkohle, Leinen und Indigo – bis man sich im 20. Jahrhundert auf eine zeitgenössischere Fertigkeit spezialisierte: auf Korruption. Ein Stück bergauf findet sich ein entsprechendes Mahnmal: Hier stand einst das erste Fünf-Stern-Hotel der Insel, 1991 wurde es aber aufgrund finanzieller Unstimmigkeiten geschlossen.
Heutzutage ist es für Freunde der jüngst boomenden Ruinen-Fotografie (man denke an die prominenten Bildbände über das verfallene Detroit, Michigan) ein idealer Ort: Mit faszinierend-rauem Charme erinnert die Ruine an den Glanz alter Zeiten. Lobby, Wendeltreppe, Aufzugsschacht – vieles ist noch vorhanden. Von den Balkonen der Suiten im Obergeschoß ist der Ausblick auf die Seen ebenfalls wunderbar. Doch Vorsicht: Das Areal ist nicht gesichert.
Eintopf aus der Erde
Ein anderer See wiederum – der Lagoa das Furnas – ist einer kulinarischen Spezialität wegen bekannt.
Einheimische begännen bereits um 6 Uhr Früh mit der Zubereitung eines Cozidos, erzählt Reiseleiter Diogo. Das gemeinsame Verspeisen ist die Krönung so manchen freien Nachmittags.
Reisende müssen freilich nicht so früh aufstehen – viele umliegende Restaurants bereiten auf Bestellung Cozido zu, der mittags abgeholt werden kann.
Eine andere Spezialität ist Käse: Auf den Wiesen weiden die für die Azoren typischen schwarz-weißen Rinder. Im kleinen Dorf Ginetes an der Westspitze der Insel gibt es etwa den Bauernhof namens Quinta das Raiadas, wo man nicht nur beim Brotbacken zusehen kann, sondern auch selbst Kühe melken und Käse verkosten kann.
Regionaler Dialekt
Das Portugiesisch der Azoren ist in der Tat gewöhnungsbedürftig: Buchstaben – gar ganze Silben – an Wortanfang und -ende werden oft weggelassen. "Obrigado" (zu Deutsch "danke" ) etwa wird zum kehlig-knappen "brigad". Zudem sprechen viele Azorianer "u" als "ü" aus – obwohl im Portugiesischen eigentlich kein "ü" existiert. Dies ist vermutlich ein sprachliches Erbe französischer Seefahrer, die sich einst auf São Miguel niederließen.
Im Gegensatz zur etwas schwer verständlichen Sprache begreift man den Charme der Azoreninsel São Miguel aber sehr rasch. Selbst wenn nicht immer das sprichwörtliche Hoch herrscht: "Wir haben die Redensart, dass wir tagtäglich alle vier Jahreszeiten erleben", scherzt Diogo über das zuweilen launische Wetter. Dennoch: Bei der Abreise, da versteht man, warum die Portugiesen saudade erfunden haben.
Info
Z. B. bis Oktober 2016 jeden Mittwoch mit Air Berlin ab/ bis Wien über Düsseldorf nach Ponta Delgada, airberlin.com
Stabiles Wetter mit wenig Regen gibt es von Mai bis Oktober. Im Frühjahr ist es kühl, die Badesaison dauert von Juni bis September. Wandern ist ganzjährig möglich.
Preisniveau
Gezahlt wird in Euro. Das Preisniveau ist etwas niedriger als in Österreich, ein Espresso kostet zirka 1 € .
Der traditionelle Eintopf Cozido das Caldeiras wird in heißen Quellen gegart.
Einkehrtipp
Restaurant "A Tasca", Rua Do Aljube 16, Ponta Delgada: Ausgezeichnete Fisch- und Fleischgerichte und gute Weine in uriger Umgebung.
Restaurant "O Anfiteatro", direkt am Hafen Portas do Mar: Moderes Restaurant, internationale Küche, mit Panoramafenstern und Meerblick.
Logistipp
Terra Nostra Garden Hotel, Rua Pe José Jacinto Botelho, Furnas. Vier-Sterne-Hotel. Liegt inmitten eines botanischen Gartens, in dem warme Thermalquellen zum Baden einladen. Preis ab zirka 160 € pro Nacht im DZ.
Angebote
Wanderreise "Vulkankrater & Küstenpfade", 8 Tage, 7 Übernachtungen mit Frühstück im Vier-Stern-Hotel, 5 x Mittagessen, 1 x Abendessen, deutschsprachiger Reiseleiter, alle Transfers und Eintritte laut Programm. Preis pro Person im DZ 894 € (April und Oktober) bzw. 917 € (Juni bis September), im EZ 194 € Aufpreis, exkl. Flüge.
"Azoren zum Kennenlernen", ideal für Selbstversorger: 8 Tage, 7 Nächte im Vier-Stern-Hotel, Frühstück, Mietwagen. Preis pro Person im DZ 539 € (November bis März), 682 € (März bis Mai und Oktober), 850 € (Mai bis September). EZ auf Anfrage, exkl. Flüge.
Infos & Buchung
Rhomberg Reisen, 6850 Dornbirn, Eisengasse 12.
☎ 0800/999955 www.rhomberg-reisen.com.