Leben/Reise

Mit Kommissar Thiel am Tatort Münster

"Entweder es regnet in Münster oder die Glocken läuten. Fällt beides zusammen, ist Sonntag.“ Wie aus der Dienstpistole geschossen kommt Axel Prahl die hiesige Wetterregel über die Lippen. Der Mann hat so seine Erfahrungen: Gerade beim Fundort einer Frauenleiche am Ufer des innerstädtischen Flüsschens Aa eingetroffen, musste der knurrige Kommissar einmal einen Dreh zum Tatort „Hinkebein“ abbrechen und inmitten immer neuer Wolkenbrüche einen halben Tag lang bis zur nächsten Klappe warten. Heute, beim „Lokaltermin“ an vielen Schauplätzen des seit 2002 laufenden und mittlerweile erfolgreichsten Sonntagskrimis, hat Prahl mehr Glück. „Los, erst mal auf den Prinzipalmarkt“, sagt er, schlendert deutlich bedächtiger als der stets kurzbeinig-hektische Thiel und steckt sich erst einmal eine an.

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Zu wenig Wasser

Münster hat was von Lübeck“, nuschelt er zwischen Zigarette und Rauchwolke hervor – mit Blick auf die Treppengiebel der beigefarbenen Kaufmannshäuser. „Fühl’ mich sehr wohl seit dem ersten Tatort, aber leben könnt’ ich hier nicht – zu wenig Wasser“, sagt Prahl knapp und entschieden. Der Aa-See ist ihm „zu lütt“ (klein), Restaurants und Bars am wiederbelebten Binnenhafen beeindrucken den Ostholsteiner Küstenjung nicht recht. Die Münsteraner dafür umso mehr: Prahl zeigt ein selbst gedrehtes Handy-Video: „Guck, Tausende bei unserem Dreh, trotzdem hörste ’ne Stecknadel fallen, so still sind die Leute auf’m Prinzipalmarkt!“ In Münsters Kopfsteinpflaster-Boulevard, einst Schauplatz des Westfälischen Friedens, findet man heute vor allem Schaufenster – von alteingesessenen Kaufleuten: Osthues, Zumnorde, Oeding-Erdel prangt golden an den Arkaden-Fassaden. Ideale Lokalkolorit-Vorbeifahr-Kulisse im Tatort-Krimi, wenn Assistentin Nadeshda dem Kommissar im Auto den aktuellen Fahndungsstand erklärt.

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Undercover

Heute gibt Axel Prahl hier nicht seinen Thiel, sondern eher einen Bonsai-Bogart: Jackenkragen hoch, Hut tief in die Stirn gezogen. Noch ein wenig zerknautscht um neun Uhr in der Früh, möchte der untersetzte Mann mit Günther-Netzer-Scheitel und Kugelbäuchlein nicht gleich erkannt werden. Seine Tarnung hält keine fünf Minuten. „Moinsen, Herr Thiel“, ruft ein Mann ihm zu. Aha, der vom St.-Pauli-Fan Thiel im Münster-Tatort eingeführte, norddeutsche Gruß – mitten im Herzen Westfalens, wo die Leute üblicherweise „tach“ sagen.

Ein paar Meter weiter, an der Lamberti-Kirche strahlen Prahls himmelblaue Augen nach oben, zu drei Käfigen am Turm: „Da drin möcht’ ich mal aufwachen nach durchzechter Nacht – natürlich nur im Tatort“, schiebt er mit Schelm-Grinsen hinterher. Das vergeht ihm, als er vom Zweck der Käfige hört: Fürstbischof Franz ließ darin die Leichen von drei radikalen Predigern verwesen. Sie hatten Vielweiberei und Straßen-Taufe per Wassereimer propagiert, im zweijährigen Wiedertäufer-Regime. Ein Mittelalter-„Tatort“, Jahrgang 1536.

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Vorm wuchtigen Dom mit dem gerade neu aufgesattelten Kupferdach bummelt der 59 jährige Schauspieler gerne über den Wochenmarkt zwischen erdig-westfälischen Gemüsebauern und henna-haarigen Bio-Wolle-Verkäuferinnen. Solche Alt-Aussteiger gehören zu Münster wie Thiels kiffender „Vadder“ zum „Tatort“. Kein Wunder bei 50.000 Studenten. Doch prägend für die 300.000 Einwohner-Stadt sind sie nicht. Auf der Suche nach passenden Etiketten landet man vielmehr immer wieder in der bürgerlichen Mitte: „Besenrein“ wirkt die Stadt (Tauben und Hunde gibt’s, aber partout keinen Dreck). „Geordnete Verhältnisse“ scheinen hier zu herrschen, denn sogar die Aa plätschert im betonierten Flussbett.

Eine ideale TV-Kulisse, in der ein „Tatort“-Mord jedes Mal für gehörig Aufruhr sorgt im – übrigens auch real existierenden – Milieu hornbebrillter Tweedjacken-Honoratioren mit Einstecktuch und Schmiss. Das hat man nicht im Ersten, sondern im Zweiten Deutschen Fernsehen zuerst erkannt: Dort ermittelt Thiels ZDF-Kollege Wilsberg schon länger in seinem kleinen Buchladen – in der Realität das „Antiquariat Solder“ ein paar Schritte unterhalb des Domplatzes. Vor der Tür erklärt Dagmar Brandt bei ihrer Führung „Krimistadt Münster“ gerade, wie mit Privatdetektiv Wilsberg alles begann und dass Prof. Bernd Brinkmann, der langjährige, charismatische Leiter der münsterschen Rechtsmedizin, Pate stand für Thiels Partner, den „Tatort“-Pathologen Boerne, stets blasiert und besserwisserisch gespielt von Jan Josef Liefers.

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Info

Anreise Z. B. mit der Bahn in 3 Std. ab Frankfurt Flughafen bis Münster HBF.  www.oebb.at

Übernachten Mauritzhof: Im Design-Hotel wohnen traditionell viele Künstler, wenn sie alle zehn Jahre neue „Skulptur-Projekte“ in Münster installieren. DZ/F ab 177€. www.mauritzhof.de
Hotel Feldmann: Zentrale Lage, Antik-Kleiderschränke, Tiffanylampen, keinen Design-Preis, sondern attraktives Preis-Design.  DZ/F ab 132 €.  www.hotel-feldmann.de
– Factory Hotel: Rotklinker-Fabrik-Ambiente der alten Germania-Brauerei und bewusst schroff gehaltene graue Industrie-Optik mit Rauhputz, offenliegenden Wasser- und Stromleitungen sowie cooler Bar und Danceclub. DZ/F ab 88 €. www.factoryhotel-muenster.de

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Essen und Trinken Im „Kleinen Kiepenkerl“ ermittelte Kommissar Thiel und probierte „Töttchen“, Münsters rustikale Kalbsragout-Spezialität. Zurück am Tatort wird Prahl nicht zum Wiederholungstäter, nimmt lieber Schnitzel, Spiekerhof 47, www.kleiner-kiepenkerl.de

Erleben Rundgang „Krimistadt“, samstags 16 Uhr ab Stadtbibliothek, 1,5 Stunden, 7. €, www.stattreisen-muenster.de

Einkaufen Bei „Tucano“ stöbert Axel Prahl schon mal zwischen Pölster, Duftkerzen und Hängematten: „Der Chef wollte mir eine schenken, damit ich mich im ,Tatort‘ werbewirksam reinlege“, Salzstr. 14–15, www.tucano-gmbh.de

Buchtipp   Die 2. Auflage  von DuMont direkt Münster von Matthias Eickhoff,  kommt im Juni, 12,99 Euro.  

Auskunft Münster Marketing,  Tel.  +49  251 4922710, www.muenster.de/tourismus.html