Umstrittene Obsorge-Regeln
Von Maria Kern
Die Regierung plant neue Obsorge-Regeln. Ledige Väter sollen künftig gegen den Willen der Mutter die gemeinsame Obsorge beantragen können. Nach Scheidungen soll die gemeinsame Obsorge Usus werden. Der KURIER bat Peter Gigler vom Verein „Väter ohne Rechte“ und die Grüne Familiensprecherin Daniela Musiol zum Streitgespräch. Gigler hat seit zwei Jahren keinen Kontakt zu seinen drei Kindern, Musiol ist Mediatorin und war Alleinerzieherin.
KURIER: Nach den Plänen der Justizministerin soll es nach Scheidungen weiterhin automatisch die gemeinsame Obsorge geben, wenn sie dem Kindeswohl nicht schadet. Kann das funktionieren, wenn die Eltern nicht mehr miteinander reden können?
Peter Gigler: Ich finde genau dann kann es funktionieren. Die gemeinsame Obsorge ist der natürliche Zustand – und daraus gäbe es dann keine Streitpunkte mehr, weil beide Eltern eine gleiche Ausgangssituation hätten.
Aber Sie sind selbst in der Situation, dass die Kommunikation mit der Mutter nicht funktioniert. Ist da die gemeinsame Obsorge sinnvoll?
Gigler: Ich wäre dafür, dass man bei einer Trennung eine Mediation machen muss, weil man von einer Paar-Situation in eine Eltern-Situation kommt. Die Eltern-Situation wird man ewig haben. Freunde, die einem Ratschläge geben, kann man vergessen. Wichtig ist, dass das jemand Externer macht.
Frau Musiol, wie sehen Sie den Plan, dass die gemeinsame Obsorge nach Scheidungen weiterlaufen soll?
Daniela Musiol: Sehr kritisch, weil ich aus Erfahrung weiß, dass Gesetze die Kommunikation, die für gemeinsame Entscheidungen nötig ist, nicht ersetzen können. Deswegen sind wir Grüne gegen einen automatische gemeinsame Obsorge. Sie soll weiterlaufen, wenn beide Elternteile das wollen. Aber wenn es keine Basis gibt, braucht es Unterstützung. Wir schlagen eine Schlichtungsstelle vor. Wenn sich die Eltern nach der Trennung nicht einigen, gibt es Hilfe durch Mediatorinnen, Psychologinnen, Therapeutinnen. Wenn es keine Lösung gibt, soll das Gericht keine gemeinsame Obsorge verordnen können.
Gigler: Mich wundert, dass die Grünen Gleichberechtigung propagieren, aber in diesem Fall keine zulassen. Für mich ist die gemeinsame Obsorge schon eine Sache der Gleichberechtigung.
Musiol: Woher nehmen Sie die Erkenntnis, dass die Grünen in diesem Fall keine Gleichberechtigung zulassen?
Gigler: Sie lehnen die gemeinsame Obsorge als natürliche Obsorge ab. Das ist für mich eine Ungleichstellung von Vater und Mutter.
Musiol: Wir sagen, dass es nicht im Sinne der Beteiligten ist, wenn es keine Basis gibt. Wir wollen die gemeinsame Obsorge aber nicht verhindern, wenn sich beide darauf verständigen.
Frau Musiol, Sie sind Mediatorin. Wie oft gelingt bei strittigen Scheidungen eine Einigung über gemeinsame Obsorge durch Mediation?
Musiol: In vielen Fällen. Es gibt aber auch Fälle, wo es nicht funktioniert. Ich denke da zum Beispiel an Beziehungen, wo Gewalt im Spiel war. Aber bei 100 Paaren, die bei uns Mediation machen, schaffen es zwei Paare nicht.
Sie waren Alleinerzieherin eines mittlerweile volljährigen Sohnes. Würden Sie sich heute für eine gemeinsame Obsorge entscheiden?
Musiol: Ich hätte mich für eine gemeinsame Obsorge entschieden, wenn es damals die Möglichkeit gegeben hätte. Ich halte die gemeinsame Obsorge aber für überschätzt, wenn es miteinander klappt. Der Vater meines Sohnes ist zu Elternsprechtagen und zu Ärzten gegangen. Er war selbstverständlich nicht benachteiligt. Mein Maßstab war immer das Wohl meines Sohnes und gerechter Umgang.
Gigler: Ich habe da zwei Erfahrungen gemacht. In der Volksschule haben sie nicht nachgefragt, ob ich die Obsorge habe. Aber im Gymnasium hat eine Lehrerin zu mir gesagt, dass mein Sohn unkonzentriert sei. Sie fragte mich, ob ich mit ihm reden könnte. Ich habe gesagt: „Ich habe zwar die Obsorge nicht, aber ich werde das machen.“ Danach habe ich die Lehrerin gefragt, ob es etwas gebracht hat. Sie hat geantwortet: „Ich darf mit Ihnen nicht darüber sprechen. Sie haben nicht die Obsorge.“
Wie kam es dazu, dass Sie seit zwei Jahren keinen Kontakt zu Ihren Kindern haben?
Gigler: Acht Jahre habe ich meine Kinder alle zwei Wochen von Freitag bis Montagfrüh gesehen und dazwischen einen halben Tag. Ich wollte dann die gemeinsame Obsorge zumindest für meinen Sohn, idealerweise für alle drei Kinder. Ich musste aber die alleinige Obsorge beantragen, weil ein Antrag auf gemeinsame Obsorge nicht möglich war. Daraus entstand eine Dynamik mit Gericht, Jugendwohlfahrt und Mutter, die dazu geführt hat, dass die Mutter mir per SMS mitgeteilt hat: „Ich habe die alleinige Obsorge und entscheide mich zum Wohle der Kinder momentan gegen Besuch beim Vater.“ In Folge meiner weiteren Versuche, über das Jugendamt Kontakt zu meinen Kindern zu erhalten, wurde mir mitgeteilt, ich solle warten, bis die Kinder von selber kommen. Daraus wurden zwei Jahre. Dabei habe ich schriftlich erklärt, dass ich de facto nur die gemeinsame Obsorge möchte.
Wie geht es Ihnen damit, dass Sie Ihre Kinder nicht mehr sehen können?
Gigler: Man fällt in ein sehr tiefes Loch. Ich habe ein Jahr Coaching gebraucht, um mit der Situation umgehen zu können. Meine Kinder wohnen nur drei Minuten von mir entfernt. Ich gehe manchmal mit dem Hund an ihrem Fenster vorbei.
Die Regierung plant, dass auch uneheliche Väter gegen den Willen der Mutter die gemeinsame Obsorge erhalten können. Die Frauenministerin will, dass sich die Väter zuvor bewähren. Eine gute Idee?
Musiol: Mir gefällt das Wort Bewährung nicht. Ich gehe zunächst davon aus, dass beide Eltern Interesse haben, zum Wohl ihres Kindes beizutragen. Aber dass es zahlreiche Väter gibt, die kein Interesse an den Kindern zeigen, ist auch Tatsache. Und wenn wir schon über Gleichberechtigung und gleiche Arbeitsaufteilung sprechen, verstehe ich den Ansatz schon, zu sagen, die Väter sollen einmal ihre Verantwortung wahrnehmen. Das gilt aber sowohl für Verheiratete als auch für Nicht-Verheiratete. Die Frage ist nur, wie man das kontrolliert.
Gigler: Es gibt natürlich Väter, die sich nicht kümmern. Ich möchte aber von jedem Vater hören, wie es dazu gekommen ist, dass er sich wenig einbringt; und wie oft er sich bei Gericht und Jugendamt die Nase angerannt hat.
Experten warnen, wenn uneheliche Väter die Obsorge beantragen können, dass Mütter die Väter vielleicht nicht angeben – wenn sie sich vor der Geburt nicht für Frau und Nachwuchs interessiert haben. Wie sehen Sie das?
Gigler: Ich finde, jedes Kind hat das Recht, zu wissen, wer sein Vater und wer die Mutter ist. Ich wäre dafür, dass man angeben muss, wer der Vater ist.
Musiol: Ich lehne das ab. Es gibt Situationen, wo das keinen Sinn macht. Ich denke zum Beispiel an Vergewaltigungen. Die Zahl derer, die die Väter nicht angeben, ist ja verschwindend gering. Denn mit der Angabe des Vaters hängt ja auch der Unterhalt zusammen. Ich glaube, dass dem Großteil der Mütter auch bewusst ist, dass es für alle Kinder wichtig ist, ihre Herkunft zu kennen. Es ist immer destruktiv, wenn man Kinder für egoistische Ziele instrumentalisiert.
Die Regierung plant, dass auch uneheliche Väter gegen den Willen der Mutter die gemeinsame Obsorge erhalten können. Die Frauenministerin will, dass sich die Väter zuvor bewähren. Eine gute Idee?
Musiol: Mir gefällt das Wort Bewährung nicht. Ich gehe zunächst davon aus, dass beide Eltern Interesse haben, zum Wohl ihres Kindes beizutragen. Aber dass es zahlreiche Väter gibt, die kein Interesse an den Kindern zeigen, ist auch Tatsache. Und wenn wir schon über Gleichberechtigung und gleiche Arbeitsaufteilung sprechen, verstehe ich den Ansatz schon, zu sagen, die Väter sollen einmal ihre Verantwortung wahrnehmen. Das gilt aber sowohl für Verheiratete als auch für Nicht-Verheiratete. Die Frage ist nur, wie man das kontrolliert.
Gigler: Es gibt natürlich Väter, die sich nicht kümmern. Ich möchte aber von jedem Vater hören, wie es dazu gekommen ist, dass er sich wenig einbringt; und wie oft er sich bei Gericht und Jugendamt die Nase angerannt hat.
Experten warnen, wenn uneheliche Väter die Obsorge beantragen können, dass Mütter die Väter vielleicht nicht angeben – wenn sie sich vor der Geburt nicht für Frau und Nachwuchs interessiert haben. Wie sehen Sie das?
Gigler: Ich finde, jedes Kind hat das Recht, zu wissen, wer sein Vater und wer die Mutter ist. Ich wäre dafür, dass man angeben muss, wer der Vater ist.
Musiol: Ich lehne das ab. Es gibt Situationen, wo das keinen Sinn macht. Ich denke zum Beispiel an Vergewaltigungen. Die Zahl derer, die die Väter nicht angeben, ist ja verschwindend gering. Denn mit der Angabe des Vaters hängt ja auch der Unterhalt zusammen. Ich glaube, dass dem Großteil der Mütter auch bewusst ist, dass es für alle Kinder wichtig ist, ihre Herkunft zu kennen. Es ist immer destruktiv, wenn man Kinder für egoistische Ziele instrumentalisiert.
Kontrahenten: Politikerin vs. Vater-Rechtler
Daniela Musiol Seit Oktober 2008 sitzt sie für die Grünen im Nationalrat. Die Juristin ist Verfassungs- und Familiensprecherin sowie Sprecherin für Demokratiepolitik. Zuvor war sie Direktorin des Grünen Klubs in Wien. Musiol ist auch diplomierte Sozialarbeiterin und Mediatorin (Spezialgebiet Trennungen) und fungiert auch als Ausbildnerin. Die 41-Jährige hat einen 19-jährigen Sohn und lebt in Wien-Liesing. Sie war auf dem Papier Alleinerzieherin, der Kindesvater hat sich aber intensiv um den Nachwuchs gekümmert.
Peter Gigler ist Geschäftsführer eines Grafik-Studios. Der 44-jährige Wiener engagiert sich bei "Väter ohne Rechte". Der Verein setzt sich dafür ein, dass Väter mehr Rechte bekommen und berät Betroffene. Gigler hat einen 16-jährigen Sohn und zwei Töchter (14 und 12 Jahre). Er wurde vor zehn Jahren geschieden, acht Jahre hatte er Besuchskontakte zu den Kindern. Gigler wollte dann die gemeinsame Obsorge haben, das war rechtlich nicht möglich. Er beantragte die alleinige Obsorge – es kam zum Bruch.