Politik

Steiermark: Mure verwandelt Dorf in Trümmerfeld

Entsetzen und Resignation macht sich bei den Bewohnern in St. Lorenzen (Bezirk Liezen) breit. Mit ungeheurer Wucht donnerte Samstagfrüh eine 100 Meter breite und acht Meter hohe Mure durch das Dorf, zerstörte Ställe, Garagen und Häuser, riss Autos, Bagger, und auch ein Stromaggregat mit.  Baumstämme, Gestein und Schlamm wälzten sich durch den Ort. Die Schlammlawine bewegte sich weiter über Wiesen und Felder und unterquerte die Pyhrnautobahn.

Die meisten Menschen wurden durch lautes Rumpeln und Krachen aus dem Schlaf gerissen, als der Lorenzenbach über die Ufer trat. Buchstäblich im letzten Moment konnten sich viele Menschen aus ihren  Häusern retten und der gewaltigen Mure, die  sich aus dem Graben wälzte, ausweichen.

Obwohl sich bei Starkregen schon Freitagnachmittag ein drohendes Chaos abgezeichnet hatte, haben die Behörden keine vorsorgliche Evakuierung veranlasst.

"Es hätte Tote geben können", ist Forstarbeiter Gerhard Krawanja entsetzt. "Mit einer Leiter haben wir unsere elfjährige Tochter aus dem ersten Stock geborgen", schildert der Steirer.  Die  Schlamm-Massen hatten sich durch sein Haus gewälzt. "Auch drei Autos hat es weggerissen."

240 Menschen wurden aus Lorenzen und dem Nachbardorf Schwarzenbach abgesiedelt. Der Schaden dürfte mehr als zehn Millionen Euro betragen.

Die Katastrophe dehnte sich Samstagnachmittag in den Süden des Landes aus.

Mann von Mure erfasst

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Es begann Freitagabend in den Gemeinden St. Kathrein, Turnau, Aflenz und Grassnitz im Bezirk Bruck an der Mur. In Thörl wollte gegen 21 Uhr ein 47-jähriger Mann von der Feuerwehr zu Fuß zu seiner Mutter gehen, als ihn eine Mure erfasste und mitriss. Ein Steweag-Mitarbeiter hatte vergeblich versucht, den Mann zu warnen. Er wurde erst in den Morgenstunden tot gefunden. In Thörl und Etmißl musste Katastrophenalarm ausgelöst werden.

Samstag um 4.30 Uhr Früh wurden die Bewohner von St. Lorenzen bei Trieben (Bezirk Liezen) aus dem Schlaf gerissen. "Du stehst fassungslos davor, und wartest, dass das wieder aufhört", schilderte Bernhard Steindl dem KURIER.

Das Ausmaß der Zerstörung: 60 Häuser wurden beschädigt, etliche Autos zerstört, Ställe und Garagen weggerissen.

Ursula Kupfner zog mit Hilfe von Anrainern ihren 90-jährigen Vater und die 85-jährige Mutter durch ein Fenster ins Freie und brachte sie bei Nachbarn in Sicherheit. "Wir fürchteten, dass der ganze Ort herunterkommt."

Rudolf Percht wurde durch lautes Getöse wach und sah gerade noch sein Gartenhaus in den Schlamm­massen verschwinden. Josef Kurz, 75, hingegen wachte erst gegen 8.30 Uhr auf und stellte verdutzt fest, dass er in einem Trümmerfeld lebt.

Dramatische Rettung

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St. Lorenzen war teilweise von der Außenwelt abgeschnitten. Erst am Vormittag konnten 41 Personen aus ihren Häusern geholt werden, fünf Menschen wurden aus Seitentälern vom Bundesheer ausgeflogen.

Dramatisch verlief der Transport eines schwer verletzten Mannes. Er musste in der Schaufel eines Traktors zum Rettungsfahrzeug transportiert werden, da dieses nicht in den Ort fahren konnte. Gegen Mittag waren die Ortseinfahrten passierbar.

Der Triebener Bürgermeister Helmut Schöttl kann keine Entwarnung geben. "Es kann noch eine Mure aus dem Graben abgehen." Auch das benachbarte Schwarzenbach wurde evakuiert: Zum zweiten Mal schon. Wetterbesserung war keine in Sicht. 1200 Feuerwehrleute befinden sich im Katastrophengebiet. 150 ABC-Abwehrsoldaten des Bundesheeres rücken Sonntag an.

Katastrophenalarm auch in Kleinsölk: Es drohen mehrere Hangrutschungen, ein Wohnhaus wurde schon evakuiert. In Kobenz, Bezirk Murtal, durchtrennten umstürzende Bäume eine Stromleitung und krachten auf zwei Häuser. Mehr als 200 Bäume blockierten die Verbindungsstraße nach Seckau und St. Marein.

Im Bezirk Mürzzuschlag wurde das Gebiet um Kindberg schwer in Mitleidenschaft gezogen. Es gingen mehrere Muren ab. In Wartberg war die Ortsdurchfahrt überflutet. Um 15.45 Uhr wurde die Brucker Schnellstraße ab Mixnitz in Fahrtrichtung Norden aus Sicherheitsgründen gesperrt. Die B113 bei Rottenmann wurde gesperrt, die B114 über den Triebener Tauern.

Samstagnachmittag spitzte sich die Situation in Graz zu. Die Mur führt große Baumstämme mit sich, die Murinsel droht wegzubrechen. Alle Stege wurden gesperrt. Schaulustige begaben sich in Lebensgefahr. Im Süden des Landes droht die Mur Sonntag über die Ufer zu treten.

Bewohner üben massive Kritik an Behörden

Unter den Bewohnern macht sich massive Kritik an den Behörden breit. Erst vor wenigen Wochen war nach längeren Regenfällen das benachbarte Schwarzenbach vorsorglich evakuiert worden. Damals gab es eine kleine Mure. Diesmal gab es in St. Lorenzen keine Vorwarnung.

"Vor drei Wochen gab es eine Bürgerversammlung, bei der ein Experte von der Wildbach-Verbauung gesagt hat, vom Lorenzenbachgraben drohe keine Gefahr", schildert Armin Torggler. Seinem Schwiegervater riss die Mure Stall, Garage und Fahrzeuge weg.

"Die Gemeinde Trieben hat kein Geld, dann gibt’s auch nichts von der Wildbachverbauung", glaubt Torggler. "Es hätte schon vor Jahren etwas gemacht werden müssen."

"Drei Wochen haben’s Zeit gehabt, im Lorenzenbachgraben Sicherungsarbeiten zu machen. Geschehen ist offenbar nichts", ärgert sich ein Betroffener. Gerhard Krawanja ist als Forstarbeiter mit dem Problem vertraut: "Vor drei Wochen ist der Bach schon bis zur Bundesstraße geschossen. Bei den Wetterprognosen der vergangenen Tage hätte man wissen müssen, dass da wieder etwas daher kommen kann."

Traurige Bilanz

Die Unwetter der vergangenen Wochen forderten bereits drei Todesopfer. In der Steiermark stürzte Donnerstagnachmittag ein 74-jähriger Wanderer während eines Gewitters am Hochschwab in den Tod. In Traiskirchen (NÖ) wurde ebenfalls am Donnerstag ein Jogger von einem Blitz getroffen. Vergangene Woche fiel ein 30-jähriger Anwalt in der Gemeinde Stadl an der Mur in einen Mur-Nebenfluss. Er gilt als vermisst. Ein Lehrer aus St. Veit im Pongau stürtzte am Donnerstag bei einer Klettertour zwölf Meter ab. Auch tragisch: Auf einer Weide in Tirol wurden am Donnerstag acht Kühe vom Blitz getroffen und getötet.

Felssturz auf Hochosterwitz

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Bei einem Felssturz auf der Burg Hochosterwitz in Kärnten sind fünf Personen - teilweise schwer - verletzt worden (mehr dazu hier). In Steyr in Oberösterreich ist am Samstagvormittag die Hochwasser-Voralarmgrenze erreicht worden, der Ennskai und der Ortskai wurden gesperrt. Autos wurden aus der Gefahrenzone gebracht. Der Pegelstand der Enns betrug am Nachmittag 4,82 Meter.

Prognose

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Neben der instabilen Wetterlage fallen am Samstag die Tagestemperaturen in den Keller. Im Osten und Süden wird es zu intensiven Regengüssen kommen. „Wir rechnen mit 11 bis maximal 19 Grad Höchsttemperatur“, bestätigt Meteorologe Stefan Kiesenhofer von der Hohen Warte einen für diese Jahreszeit unüblichen Kälteeinbruch.

Bis Dienstagnachmittag kämpfen Wolken und Sonne, durchwachsen von Gewittern und Regen um die Vorherrschaft. Die Höchstwerte klettern auf 18 bis maximal 27 Grad (im Osten). Dabei dürfte der Sonntag der freundlichste Tag werden.

Ab Mittwoch quert ein Mittelmeertief die Alpensüdseite und den Osten. In diesen Regionen sind Niederschläge sicher, im restlichen Bundesgebiet blinzelt die Sonne immer öfters durch die Wolkendecke. Die Wetterlage für Donnerstag und Freitag ist vom Abzug der Schlechtwetterfront abhängig. Donnerstag bleibt es im Osten und Südosten unbeständig. Der Freitag ist in der Osthälfte freundlich, im Westen eher regnerisch. Die Temperaturen klettern auf 21 bis 28 Grad.

Aktuelle Wetterkapriolen sorgen auch bei den Event-Veranstaltern für Probleme. Bei der Beachvolleyball-Party in Klagenfurt wird bei Regen zwar weitergespielt, bei Hagel werden die Matches unterbrochen.

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