Österreich braucht eine Agenda 2015
Von Peter Rabl
Wäre die Lage nicht so bitter ernst, ließe sich darüber trefflich scherzen. Per Verfassung wollen die Koalitionsparteien eine Grenze für die Staatsverschuldung auf 60 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes (BIP) und ein jährliches Höchstdefizit von drei Prozent festlegen. Dumm nur, dass wir nach realistischer Berechnung bis 2020 bloß auf 65 Prozent herunterkommen, und das nur bei reichlich unrealistischem Durchschnitts-Wirtschaftswachstum von jährlich zwei Prozent.
Die Lage ist viel dramatischer, als es die Politik bisher zugeben will. Angesichts unserer viel zu hohen Staatsverschuldung von 73 Prozent BIP - rechnet man außer dem Budget liegende Schulden etwa von ÖBB oder Spitälern dazu, kommt man sogar auf 85 Prozent - droht der Verlust unseres nationalen Ratings als einer von nur 18 Triple-A-Staaten.
In allen für die staatliche Bonität relevanten Daten liegt Österreich unter den Top Ten der EU gleich hinter dem AAA-Wackelkandidaten Frankreich an zweitschlechtester Stelle.
Beim drohenden Abstieg aus der ersten Liga geht es um weit mehr als um nationales Prestige. Damit würden sich schlagartig die Zinsen für die Staatsanleihen erhöhen, die jetzt schon knapp 8 Milliarden pro Jahr kosten, Tendenz trotz bisheriger Sparmaßnahmen stark steigend. In drei Jahren sind nach gültigen Budgetplanungen schon rund 10 Milliarden fällig.
Auf der Homepage www.staatsschulden.at kann man übrigens live verfolgen, wie diese Werte sekündlich steigen. Einfach zum Nachdenken.
Ein großer Schnitt ist fällig So polemisch Vergleiche mit den aktuellen Krisenstaaten Griechenland oder Italien derzeit noch wirken, die Gefahr, dass die Finanzmärkte Österreich ins Visier nehmen, wird zunehmend real.
Was bisher an Sanierungsmaßnahmen gesetzt wurde, reicht bei Weitem nicht aus. Sogar der allzu zögerlichen Regierungsspitze dämmert die Erkenntnis, dass sehr rasch ein großer Schnitt in unserem System nötig ist.
Wie sich die Deutschen vor Jahren mit der Agenda 2010 aus einer fatalen Entwicklung gerettet haben, braucht Österreich eine Art Agenda 2015. Ein Programm der tabulosen Beseitigung von Systemfehlern, die unsere Bonität und damit unsere wirtschaftliche Zukunft gefährden, ist fällig.
Die Liste der Problembereiche ist leicht erkennbar und sie ist lang: überstrapaziertes Pensionssystem, überkommene Beamtenprivilegien, Wildwuchs staatlicher Förderungen, veraltete teure Strukturen im Gesundheitswesen und im Bildungsbereich, höchst fragwürdige Tunnelprojekte, etc., etc.
Es wird der ultimative Test für diese bisher so quälend lahme Regierung, ob sie den oft zitierten großen Ruck zustande bringt. Da geht es jetzt längst nicht mehr um die Interessen von Personen und Parteien.
Die Zukunft der Republik steht auf dem Spiel.