Politik

Marokkos König steuert den Wandel von oben

"Es gibt keine Revolution, sondern eine Evolution" ist in Marokko ein geflügeltes Wort. Tatsächlich war der Arabische Frühling hier nur eine Brise. König Mohammed VI. hat mit wohldosierten Reformen ein Überschwappen der Revolution verhindert. Er ließ die Wahlen vorverlegen und die Verfassung reformieren. Eine Kommission zur Aufarbeitung beschäftigt sich mit Vergehen, die unter der Regentschaft seines Vaters Hassan II. begangen wurden. In Marokko kommt die Erneuerung von oben.

Europa hat größtes Interesse, dass Marokko stabil bleibt. Nur 14 Kilometer trennen es von Spanien. Und es ist ein Wachstumsmarkt, wie man am Entwicklungsboom sieht. Allein die Länge der Autobahn hat sich in der letzten Dekade verzwölffacht. Der Staat steckte im Vorjahr 15 Milliarden Euro in die Infrastruktur. Geschäft reiht sich an Geschäft, und die Hauptstadt Rabat hat seit einem Jahr ihre erste Straßenbahn.

Islamisten-Premier

Die Macht konzentriert sich freilich weiter in Mohammeds Händen, auch wenn Marokko erstmals eine islamistische Regierung hat. Durch die neue Verfassung kam Abdelilah Benkirane von der moderaten PJD auf den Premiersessel. Und auch seine Hand will geschüttelt werden, wenn Außenminister Michael Spindelegger zu Gast ist.

Sein Besuch ist heikel: Marokko will seine straffällig gewordenen Staatsbürger nicht zurücknehmen, und in Tirol reagierte die FPÖ darauf mit Plakaten à la „Marokkaner-Diebe“. Die Causa wurde auch in Rabat registriert. Spindelegger will die Lage beruhigen: „Das ist nicht die Meinung Österreichs“, deponierte er mehrfach. Das Rückübernahmeabkommen aber muss einmal mehr warten; die Innenministerien sollen weiterverhandeln.

Jugend ohne Arbeit

Dass ähnlich wie in Tunesien Islamisten gewählt wurden, lässt sich mit den Eindrücken, die man in Rabat bekommt, kaum erklären. Eher mit der Situation auf dem Land: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 30 Prozent, 8,5 von 32 Millionen Marokkanern leben unter der Armutsgrenze.

Islamistische Organisationen bieten vor allem den Jungen eine Perspektive, Ausbildung und auch Geld. So gibt es in Moscheen dringend nötige Alphabetisierungskurse. Auf der anderen Seite häufen sich Fälle wie von jenem 16-jährigen Mädchen, das nach einer Vergewaltigung in die Ehe mit ihrem Peiniger gezwungen wurde und Selbstmord beging. Für Marokko könnten die arbeitslosen Jungen, die sich dem Islamismus zuwenden, zum großen Problem werden. Der Anschlag von Dschihadisten auf ein Touristen-Café in Marrakesch 2011 war bereits ein erstes deutliches Warnsignal für das Erstarken dieser Strömungen.