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Kern nach Gespräch mit Kurz: "Bereiten uns auf Opposition vor"

Sonntagabend beendete Wahlsieger Sebastian Kurz den Reigen der Sondierungsgespräche mit den Spitzen der im Parlament vertretenen Parteien. Nach den Treffen mit NEOS, Liste Pilz und FPÖ führte der mit der Regierungsbildung beauftragte ÖVP-Chef auch ein formelles "Annäherungsgespräch" mit dem SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler Christian Kern. Das Treffen hat pünktlich um 19.00 Uhr im Ausweichquartier des Parlaments begonnen und dauerte nur rund 45 Minuten.

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Ob eine neuerliche Koalition zwischen ÖVP und SPÖ überhaupt noch realistisch ist, ließ Kurz auch nach dem Gespräch offen. Er sprach von einem "konstruktiven Gespräch", die Vorfälle im Wahlkampf konnten ausgeräumt werden, das sei nun für ihn "abgeschlossen, besprochen und somit auch erledigt". Danach habe man "den Blick in die Zukunft gerichtet" und Möglichkeit einer Zusammenarbeit ausgelotet. Auch hier sei das Gespräch konstruktiv verlaufen. Kurz wies aber auf "unterschiedliche Strömungen in der SPÖ" hin. Ob Kern sich für "Dirty Campaining" entschuldigt habe, wollte Kurz nicht bestätigen.

Auch Kern meinte danach, dass die "Vergangenheitsbewältigung positiv abgeschlossen" worden sei. "Da gab es viele Verletzungen und auch viel Frust auf SPÖ-Seite. Alles das ist Vergangenheit, jetzt heißt es nach vorne schauen", sagte Kern.

Vorbereitungen auf Opposition "ab morgen"

Der SPÖ-Vorsitzende rechnet fix mit Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ und einer schwarz-blauen Regierung. "Dieser Weg ist eindeutig vorgezeichnet", so Kern. Nachsatz: "Seit Monaten". Die Folgen für die SPÖ: "Wir werden uns ab morgen auf die Opposition und auf unsere Rolle im Parlament vorbereiten", sagt der Bundeskanzler.

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Spekulationen über einen möglichen Rückzug - am Montag tagen die Parteigremien der Sozialdemokraten - wies Kern neuerlich zurück. Auf die Frage, ob er in der nächsten Legislaturperiode die Rolle des Oppositionsführers übernehmen werde, meinte er bestimmt: "Davon können sie ausgehen." Auch wenn ihm klar sei, dass es "manche gibt, denen das nicht gefällt".

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) wies heute in der ORF-"Pressestunde" Medienberichte zurück, wonach es innerparteilich Bestrebungen geben soll, Kern zum Rücktritt zu bewegen.

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Schlug Kern Minderheitsregierung vor?

Indes berichtete dieKleine Zeitung von einem Gerücht, dass Kern heute die Unterstützung einer Minderheitsregierung ins Spiel gebracht haben könnte. Die SPÖ wolle so eine Regierungsbeteiligung der FPÖ verhindern. Eine Mehrheit rechts der Mitte, die gemeinsam mit den Neos sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit hätte, soll der SPÖ demnach ein Dorn im Auge sein. In dieser Situation sei eine Minderheitsregierung das geringere Übel.

Eine Minderheitsregierung strebt der ÖVP-Chef nicht an. "Das ist eine Variante, aber definitiv nur ein Plan B. Das Ziel ist eine stabile Regierung, um die notwendigen Veränderungen und Reformen anzugehen." Unabhängig vom künftigen Partner brauche es jedenfalls einen neue Stil und eine neue Form der Zusammenarbeit in der Bundesregierung, erklärte Kurz.

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Der dritte Nationalratspräsident und FPÖ-Vizeparteichef, Norbert Hofer, sieht nur eine Koalition mit der ÖVP als "realistische Möglichkeit" für die Freiheitlichen an. Bei der SPÖ sei derzeit "nicht klar, in welche Richtung sich die Partei entwickelt und welcher Flügel sich durchsetzt", sagte er in einem APA-Interview.

Kurz berichtet Bundespräsident

Er werde in den nächsten Tagen noch das eine oder andere Telefonat führen, dann noch einmal mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen reden und erst danach mitteilen, wen man zu Koalitionsgesprächen einladen werde. Derzeit deuten alle Signale darauf hin, dass Kurz die Verhandlungen mit der FPÖ starten will.

Das Sondierungsgespräch Samstagnachmittag mit FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache ist laut Kurz "sehr, sehr gut" verlaufen, er stellte bei Strache "einen sehr starken Veränderungswillen" fest. Auch Strache zeigte sich vom Tête-à-Tête mit Kurz, dem wahrscheinlichen neuen Bundeskanzler, begeistert.

Heute betonte Kurz neuerlich das gute Gesprächsklima mit der FPÖ und Strache. "Es gibt in vielen Fragen inhaltliche Übereinstimmungen und Überschneidungen mit der FPÖ", so Kurz. Da und dort bestünden auch Differenzen, einig sei man sich wiederum im Wunsch nach Veränderungen in und für Österreich.

Offener Brief: IKG-Chef für Schwarz-Rot

In einem Offenen Brief tritt der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, entschieden gegen eine Regierungsbeteiligung der FPÖ auf: "Deutschnationale haben in der Regierung nichts verloren." Der IKG-Chef argumentiert, dass der Wählerauftrag "nur in einem Appell an die Verantwortung von ÖVP und SPÖ mündet", also in eine schwarz-rote Koalition. Schwarz-Rot hätte eine Mehrheit von 58,33 Prozent hinter sich, erklärt der IKG-Präsident. Er lehnt auch eine rot-blaue Regierung ab.

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